Start Erzgebirge Eric Frenzel: Schanzenalltag
Artikel von: Sven Günther
12.10.2017

Eric Frenzel: Schanzenalltag

Weltmeister und Olympiasieger Eric Frenzel schreibt auf www.wochenendspiegel.de Foto: Peplies Consult

Eric Frenzel schreibt für SIE

Er ist ein Weltstar aus dem Erzgebirge. Zwischen Sapporo (Japan) und Calgary (Kanada), von Ruka (Finnland) bis Seefeld (Österreich) kennen alle Skisport-Fans Eric Frenzel, den Weltmeister und Olympiasieger der Nordischen Kombination. Sie jubeln ihm an den Strecken zu, feuern ihn an, fiebern am Fernseher mit.
Doch wie tickt er wirklich? Was beschäftigt, was bewegt ihn? Was erlebt Eric Frenzel neben Schanzen und Loipen, wenn die TV-Kameras längst aus oder noch gar nicht an sind?

Heute: Schanzenalltag

Von Eric Frenzel
Der Wind fegt die Blätter von den Bäumen, leichtes Nieseln, die Wolken grau in grau. Die Busse des deutschen Skiverbandes haben uns frühmorgens mit Trainern und Technikern an den Schanzenauslauf gefahren. Außer uns ist kein Mensch hier; zwei Rehe am Waldrand recken neugierig die Hälse. Der Oktober ist der Monat für die Feinarbeit beim Springen, die Grundlage für alle Automatisierungen hinsichtlich des Bewegungsablaufs beim Springen jetzt gelegt und wir versuchen, mit dem Team wochenweise unterschiedliche Schanzen zu bespringen.
Einerseits dient das intensive Schanzentraining dem Test der ausgewählten Materialien, also Skier, Schuhe und Anzug,  andererseits geht es um die Perfektionierung von Anfahrtshocke, Absprung und Flugkurve. Nachdem wir uns in den Umkleidekabinen umgezogen haben, schultern wir die Skier und gehen die Treppe hinauf zum Schanzenturm, die Stimmung ist ruhig, wenige Wort fallen, alle nehmen diese Tests so ernst, wie sie genommen werden müssen. Es gilt, in Zusammenarbeit mit den Trainern und Videoanalysten den „besten Sprung“ zu entwickeln. Dabei verzahnen sich Diagnose und Therapie. Wie bei einem Formel-1-Training, gehe ich nach dem Sprung in die Kabine vor den Laptop und schaue mir an, mit welchen Hockformen die Anfahrtsgeschwindigkeiten in der Anlaufspur korrespondieren, um dann in der Expertenrunde Rückschlüsse auf die „richtige“ Hocke zu ziehen. Ist diese gefunden, switchen wir mit unseren Analysen zum Absprung und später zum Sprung selbst. Jedes Detail wird untersucht im Hinblick auf seine Auswirkung: Liegt der Arm während des Flugs gut an? Ist das Schenkel-V weit genug gespreizt? Welchen Winkel benötigt man während des Sprungs zwischen Körper und Ski?
Die Trainingsarbeit ist flankiert mit neuster Technik, die man natürlich auch als Instrument handhaben können muss; wir alle sind mittlerweile regelrechte Analysefreaks. Kleinigkeiten entscheiden heute über Gold, Silber und Bronze – und an einem solchen Trainingstag suchen wir nach Kleinigkeiten, die uns besser machen können.
Der Vormittag hat seinen eigenen Ablauf: Sprung-Analyse-Aufstieg, Sprung-Analyse-Aufstieg.
Gegen Mittag zeigt der Himmel erste blaue Flecken und die Sonne bricht vereinzelt durch, vier Trainingssprünge am Vormittag einschließlich intensiver Auswertungen liegen hinter mir, als der Appetit sich langsam einstellt. Das Equipment wird wieder in den Bus verstaut und wir kehren zum Hotel zurück. Nach einer kleinen Mittagspause mit Essen und Ruhen, geht es nochmal an die Schanze, die Erkenntnisse vom Vormittag wollen umgesetzt sein. Am Abend sitzen wir gemütlich zusammen, Tischfußball, Karten spielen mit den Mannschaftskameraden. Gegen 22 Uhr ist Bettruhe angesagt, Kraft tanken für die Konzentration, die man benötigt, für den nächsten Schanzenalltag.