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Artikel von: Sven Günther
14.09.2017

Killen Jobs das Braunkehlchen? GRÜNE reagieren

Das Braunkehlchen ist im Erzgebirge selten geworden. Foto: DIE GRÜNEN

Braunkehlchen kontra Arbeitsplätze? GRÜNE reagieren

Schneeberg/Zschorlau. Grüne Kritik an der Erschließung eines Gewerbegebietes auf dem Gelände der ehemaligen Jägerkaserne. Die Partei unkt: Das Braunkehlchen wird bedroht! https://www.wochenendspiegel.de/jaegerkaserne-killen-jobs-das-braunkehlchen/

Zeitgleich zum Bericht gingen kritische Fragen zur Thematik Umweltschutz/Arbeitsplätze in die erzgebirgische Parteizentrale.

1. Setzen die GRÜNEN tatsächlich Natur/Tierschutz über die Schaffung von Arbeitsplätzen?

2. In Oberwiesenthal wird der Ausbau der Liftanlagen von den GRÜNEN und Naturschützern mit dem Hinweis auf seltene Vögel blockiert, in Tschechien lacht man sich darüber tot! Ist das in einem geeinten Europa normal?

3. Blockieren die Grünen so nicht die Entwicklung des Tourismus und der Wirtschaft im Erzgebirge?

Jetzt liegen die Antworten von Uwe Kaettniß, dem Vorsitzenden des Kreisverbandes Erzgebirge Bündnis90/Die Grünen, vor.

Ihre Fragestellung, ob die Grünen Natur- und Tierschutz über die Schaffung von Arbeitsplätzen setzen, ist leider in keiner Weise Problemadäquat. Sie deutet vielmehr auf eine Sichtweise, wie sie im 19. und bis Mitte des 20.Jahrhundert gepflegt wurde, nämlich dass Ökonomie und Ökologie antagonistische Gegensätze bilden würden. Solch eine Sichtweise ist in entwickelten Gesellschaften wie der unseren lange obsolet. Ganz besonders auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht.

Aus grüner Perspektive sind bei notwendigen Entscheidungen über Eingriffe in den Naturhaushalt ökologische wie ökonomische Aspekte ganzheitlich zu betrachten und abzuwägen. Aus grüner Perspektive gibt es kein Gegensatzpaar “Natur versus Arbeitsplätze”, denn beides sind gleichberechtigte Erfolgsfaktoren für Wohlstand und Lebensqualität.

Über den betriebswirtschaftlichen Tageserfolg hinaus legen wir Grüne jedoch Wert auf die langfristige, nämlich generationenübergreifende Betrachtung von ökonomischen Entscheidungen. Verbunden ist das bei uns immer mit der Frage, ob diese Entscheidungen geeignet sind den langfristigen Bestand unserer Lebensgrundlagen –  der ökologischen wie der ökonomischen – zu sichern oder zu gefärden.

Die Entscheidung, von vor etwa 5 Jahren, die hier in Rede stehende Fläche, welche heute bestandskräftig als Gewerbegebiet Zschorlau II ausgewiesen ist, hat aus unserer Sicht genau diese ganzheitliche Betrachtung in der Langfristperspektive vermissen lassen.

Im Ergebnis ist heute zu konstatieren, dass es keinerlei belastbare ökonomische Gründe für die Ausweisung zum Gewerbegebiet gab und gibt, denn wie Sie selbst in der von Ihnen publizierten Luftaufnahme des Areales sehr schön illustrieren, hat es bislang keinerlei Schaffung auch nur eines einzigen Arbeitsplatzes gegeben, denn bis zum heutigen Tag hat sich kein Bedarf für eine Inanspruchnahme des Gewerbegebietes ergeben. Offenbar liegen nach 5 Jahren weder Bauanträge vor, noch zeichnen sich überhaupt arbeitsplatzrelevante Investitionen ab. Mithin ist keinerlei ökonomischer Nutzen eingetreten.

Fakt aber ist, dass die Ausweisung als Gewerbegebiet und nachfolgende Bewirtschaftung als Grünland dem ökologischen Wert dieser Fläche abträglich waren. Fakt ist, dass Tierarten – und wir sprechen hier nur von besonders geschützten Arten der Roten Liste Sachsen – sich in den Populationen dieses Lebensraumes negativ entwickelt haben.

Zu Ihrem zweiten Fragenkomplex ist folgendes anzumerken:

Weder die Grünen als Partei noch Natürschützer mit ihren Verbänden können den Ausbau von Liftanlagen in Oberwiesenthal blockieren, das gibt die Rechtslage gar nicht her. Uns ist weder der Planungstand für diese Anlagen bekannt, noch ist Bündnis90/Die Grünen in irgend einer Weise in die Planung samt zugehöriger Genehmigungsverfahren involviert. Zudem gibt es von unserer Seite nicht einmal eine Stellungnahme oder sonstige Äußerung zu naturschutzfachlichen Problemstellungen dieser Vorhaben. Ihrer insistierende Frage entbehrt es mithin jeder Grundlage.

Richtig allerdings ist, das wir Grünen in den Zeiten eines immer rasanter werdenden Klimawandels die Zukunftsfähigkeit eines sich auf Wintersport kaprizierenden Tourismus hinterfragen. Wir setzen schon aus ökonomischen Gründen auf ein diversifiziertes, unterschiedliche Alters- und Interessengruppen berücksichtigendes Ganzjahrestourismuskonzept. Aus diesem Grund lehnen wir eine Subventionierung reiner Wintersportanlagen privater Betreiber durch die öffentliche Hand ab.
Die Investitionen in Lift- oder auch andere Anlagen, wie die berühmte Länderschaukel, scheitern also nicht an herbeigeraunter grüner Blockade, sondern an der betriebswirtschaftlichen Unmöglichkeit unter Marktbedingungen einen ROI zu erwirtschaften.

Ob man sich in Tschechien totlacht wissen wir nicht. Wir hoffen aber das Beste für die Lacher, so es denn wirklich welche gibt. Was dies nun aber mit dem geeinten Europa zu tun haben sollen, vermag ich nicht recht nachzuvollziehen.

Zunächst einmal gelten für alle Länder nationale Gesetze, welche im Einklang mit dem EU-Recht stehen. Wir dürfen davon ausgehen, dass Tschechien genau so rechtsstaatlich in seinen Entscheidungen organisiert ist wie die Bundesrepublik Deutschland. Von daher vertrauen wir als Partei darauf, dass Entscheidungen im Nachbarland auf der Grundlage der Gesetze der Tschechischen Republik getroffen werden, so wie bei uns Entscheidungen auf der Grundlage unserer Gesetze fallen. Möglicherweise gibt es da Unterschiede in den Entscheidungsgrundlagen. Wir sehen uns aber nicht berufen diese souveränen demokratischen Rechte unserer Nachbarn zu kommentieren.

Uwe Kaettniß
Foto: Die GRÜNEN

Zusammenfassend möchte ich festhalten:

Wir Grünen blockieren nicht, denn wir sind nicht die Entscheidungsträger in all diesen, von Ihnen angesprochenen Problemlagen. Wir Grünen bringen politische Positionen in Diskurse und öffentliche Beteiligungsverfahren ein. Und wir entwickeln konzeptionelle  Ansätze für genau das, was Sie hier pauschal und indifferent in Frage stellen: eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unserer Region, die im Einklang mit den  Bedürfnissen der Menschen und der Natur steht.