Start Erzgebirge Leonhardt: Überzeugend laut!
Artikel von: Sven Günther
02.06.2017

Leonhardt: Überzeugend laut!

Helge Leonhardt, Präsident des FC Erzgebirge Aue. Foto: Birgit Hiemer

FCE-Präsident Leonhardt: Meister der lauten Töne

Von Sven Günther
Aue. Leise Töne sind seine Stärke nicht. FCE-Präsident Helge Leonhardt sagt seine Meinung nicht durch die Blume. Nein. Er setzt auf klare Statements, knallharte Aussagen und scheut sich nicht, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen! Im Interview mit www.wochenendspiegel.de macht er seine Einstellung klar:  Die Autoritäten im Leben sind entscheidend, wenn man Schlachten gewinnen will!
Wie sind Sie auf den Trainer Domenico Tedesco gekommen?
Helge Leonhardt:
„Wir hatten Handlungsbedarf und auch schon Gespräche mit zwei guten Kandidaten geführt. Die hatten sich auch schon vorgestellt. Dann empfahl mir ein Insider Domenico Tedesco. Da habe ich mich über ihn informiert und mir war klar, dass ich mit ihm reden muss.“

Das Gespräch muss überzeugend gewesen sein…
„Ich habe ihn hergeholt und zwei Stunden unter vier Augen mit ihm gesprochen. Nur über Fußball und soziale Kompetenzen. Nie über Geld. Nie. Das wurde erst viel später unkompliziert geklärt. Das Bauchgefühl war entscheidend. Ich habe sofort gemerkt: Das ist der Richtige! Mir war klar, dass er unbedingt nach Aue wollte und die Chemie zwischen uns hat gleich gestimmt.

Wie hat der Vorstand reagiert?
„Ich habe den Vorstand und das Trainerteam eingeladen und Tedesco hat eine Präsentation hingelegt, die nur mit einem Wort zu beschreiben ist: Weltklasse. Er hat sich nur auf unsere Mannschaft fokussiert, nicht wissenschaftliche Abhandlungen über den Fußball gehalten. Punkt für Punkt hat er die letzten Spiele analysiert und vorgetragen, was er verändern würde. Welche Spieler machen welche Fehler? Warum fallen viele Tore gegen Aue nach Standards? Danach musste ich keinen mehr überzeugen.“

Keine Einwände?
„Wie gesagt, das Bauchgefühl! Mir wäre es egal gewesen, ob er 31 oder 81 Jahre alt ist. Ich habe ihn dann der Mannschaft vorgestellt und er begann sofort mit der Vorbereitung auf das Spiel gegen Karlsruhe. Tedesco ist überhaupt nicht auf sich eingegangen, sondern konzentrierte sich sofort auf das Wesentliche. Was ist in dieser Woche zu tun? Spielanalyse! Total fokussiert. Und er hat die Spieler sofort eingefangen, weil er ihnen gezeigt hat, wie Fehler abgestellt werden können. Medial gezeigt! Dann hat er ihnen auf dem Platz erklärt, wie wir Partien gewinnen können, gleich die Dreier-Fünferkette eingeführt. Unglaublich, wie das Team sofort überzeugt war.

Und das, ohne eigene Co-Trainer mitzubringen, wie es oft üblich ist.
„Richtig. Er war von dem Co-Trainer-Team hier gleich begeistert, ich konnte auch offen mit ihm darüber reden, weil eben gleich die Chemie gestimmt hat. Obwohl auch die anderen Trainer, mit denen wir gesprochen hatten, überzeugend waren, hat Tedesco das Rennen gemacht. Auch, weil er gleich auf dem Plan hatte, nach einem möglichen Abstieg wieder aufzusteigen. Natürlich sind solche Entscheidungen immer 50:50. Aber ich war mir ganz sicher, den richtigen Mann zu haben. Er war auch von der Nachwuchsarbeit überzeugt, ist dabei bescheiden, zurückhaltend und sieht das Kollektiv im Vordergrund. Und das meint er ehrlich. Es ist ein Glücksfall, dass dieses Juwel vor uns kein anderer erkannt hat, obwohl genügend hoch bezahlte Sportfunktionäre in den Bundesligen rumrennen .“
Ein Juwel, dass für den FCE Gold wert sein kann…
„Schon ist. Er öffnet uns neue Möglichkeiten, kennt sich im U23- und U21-Bereich glänzend aus. Der FC Erzgebirge Aue bekommt jetzt Spieler, die nur seinetwegen zu uns kommen. John-Patrick Strauß zum Beispiel. Ein Schachzug, der uns einen neuen zusätzlichen Spielermarkt öffnet.“

Das gepaart mit der guten Struktur in Aue…
„… lässt uns hoffen, dass wir eine gute Mannschaft bekommen. Viele haben erkannt, in Europa und vor allem auch in Süd- und Osteuropa dass wir eine gute Adresse sind. Wir analysieren täglich 30 bis 40 Spieler, die uns angeboten werden. In die 2. Liga wollen sehr, sehr viele Sportler!“

Blockiert das nicht das eigene Nachwuchs-Leistungszentrum?
„Das ist ein langfristiges Projekt, an dem wir intensiv arbeiten. Wir werden die Qualität immer weiter steigern, was uns zu großem Vorteil gereichen wird. Deshalb sehen wir keinen Raum für eine U23-Mannschaft, konzentrieren uns voll auf den Bereich U19. Ich fände es aber gut, wenn alle Erstligisten eine Nachwuchsmannschaft hätten, die unter sich eine eigene Meisterschaft ausspielen. Wie früher in der DDR-Nachwuchsoberliga. Da gäbe es auch keine finanziellen Probleme, die sonst U23-Mannschaften verursachen.

Mit Dotchev war die Bindung zur Mannschaft  nicht mehr da?
„Pavel hat selbst erkannt, dass wir zum Klassenerhalt eine Art Ventil brauchen. Es ist ein Zeichen seiner Intelligenz, dass er das gesehen hat. Ich habe lange und intensiv vor seinem Rücktritt mit ihm gesprochen, sich mit ihm auf einen Konsens geeinigt. Wie Männer! Was ist das Beste für ihn? Was ist das Beste für den FCE? Er hat Größe und Charakter bewiesen! Das wird ihm der Vorstand ewig danken.
Beim Stadion ist alles im grünen Bereich?
„Ja. Die Arbeiter und Planer leisten erstklassige Arbeit. Am neuen Namen arbeiten wir, sprechen Unternehmen an, die wenigstens deutschlandweit aktiv sind. Unser Ziel ist bis Jahresende einen neuen Namensgeber zu finden. Wir rechnen mit 350.000 bis  500.000 Euro im Jahr. Das sind die gegenwärtigen Marktpreise. Denen bringt der Name wirklich etwas, weil er in vielen Medien publik wird. Europaweit!“
Wie lange begleitet der Präsident Helge Leonhardt diesen Prozess?
„Das weiß ich heute noch nicht! Das Wichtigste ist, dass man gesund ist und das körperlich und geistig leisten kann, was dieser Posten erfordert. Ich sehe mich als Vorstandsvorsitzender, weil Präsident so nach Repräsentant klingt. Ich hafte persönlich mit meinem Vorstand für diesen Verein und leiste das in einer extremen Intensität. Einen Bundesligaverein zu leiten, ist härter als eine Firma zu führen, da man zusätzlich auch immer öffentlichem und medialem Druck ausgesetzt ist, auch wenn man es nicht will. Es geht hauptsächlich um die wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität sowie kausal dazu eine wettbewerbsfähige Profi-Mannschaft zu haben. Daran werde ich letztendlich gemessen. An nichts anderem. Das trifft verlängert ebenso auf meinen Vorstand und die Angestellten zu. Dank erwarte ich dafür nicht. Aber Anstand und Respekt. Und viele, insbesondere auch viele, die weit weg von Aue wohnen, sagen, es ist Wahnsinn, was ihr da in Aue auf die Beine gestellt habt. Das geht nur mit einer harten Führung. Dafür stehe ich. Ein Gegenmittel dazu gibt es nicht.“