Start Chemnitz Schwere Vorwürfe gegen Messe Chemnitz
Artikel von: Redaktion
20.10.2016

Schwere Vorwürfe gegen Messe Chemnitz

Hier war die Welt noch in Ordnung: Zum 10-jährigen Geburtstag der „azubi- & studientage“ 2014 feiern Organisator Frans Louis Isrif (l.) und Veranstalter Michael Kynast gemeinsam. Inzwischen ist das Verhältnis zerrüttet und im übertragenen Sinne ein Streit um das schönste Stück vom Kuchen entbrannt. Montage: privat/Cindy Haase
Hier war die Welt noch in Ordnung: Zum 10-jährigen Geburtstag der „azubi- & studientage“ 2014 feiern Organisator Frans Louis Isrif (l.) und Veranstalter Michael Kynast gemeinsam. Inzwischen ist das Verhältnis zerrüttet und im übertragenen Sinne ein Streit um das schönste Stück vom Kuchen entbrannt. Montage: privat/Cindy Haase

Chemnitz. Hinter den Kulissen der Messe Chemnitz braut sich was zusammen. Möglicherweise steht dem Betreiber, der  C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH, eine Schadensersatzklage in sechs- oder siebenstelliger Höhe ins Haus. Streitpunkt ist die seit vielen Jahren in Chemnitz stattfindende Messe „azubi- & studientage“. Veranstalter dieser war immer die C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH, organisiert wurde sie von der mmm message messe & marketing GmbH aus Heidelberg. Doch im Veranstaltungskalender 2017 fehlen die  „azubi- & studientage Chemnitz“. Stattdessen soll es eine andere Bildungsmesse geben: „mach was! 2017“. Diese wird von der CVD Mediengruppe, zu der Freie Presse und BLICK gehören, organisiert.

„Leider hat unser Kooperationspartner mmm message messe & marketing GmbH den bestehenden Vertrag zwei Tage vor der letzten Messe aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt“, erklärt darauf auf WochenENDspiegel-Anfrage C³-Geschäftsführer Michael Kynast. Doch der bisherige Partner sieht das ganz anders.  Zwar bestätigt Geschäftsführer Frans Louis Isrif die erfolgte Kündigung, die Messe 2017 hätte aber trotzdem stattfinden müssen: „Wir haben nämlich nicht außerordentlich, sondern ordentlich zum Ablauf der vertraglich festgelegten Laufzeit Mitte 2018 gekündigt. Natürlich wollten wir die Messe sowohl in 2017 als auch 2018 planmäßig stattfinden lassen“, beteuert er. Die Kündigung sei nur prophylaktisch erfolgt. „Unser Ziel war es, als wichtigster Punkt, bessere organisatorische Abläufe zu schaffen, damit uns als Organisator der Messe eine wirtschaftlichere Arbeitsweise ermöglicht werden sollte“, so Isrif.

Nach der am 24. Februar 2016 erfolgten Kündigung und Bestätigung am 3. März durch die C³ gab es bis in den April mehrmals Korrespondenz zur weiteren Zusammenarbeit und zur Messe 2017. Doch am 13. Mai 2016 erhielt Isrif von C³-Geschäftsführer Michael Kynast unerwartet eine Mail, wonach die Zusammenarbeit nicht fortgesetzt werden könne. Da die Fronten verhärtet schienen, informierte die mmm message messe & marketing GmbH am 9. Juni alle Aussteller und zitierte dort auch Kynasts Mail: „Ich muss Ihnen heute leider mitteilen, dass wir unsere Zusammenarbeit nicht fortsetzen können. Wir hätten bei einer Fortsetzung der Messe erhebliche Probleme, denn uns wurde in den vergangenen Wochen ein neues Konzept für die Fachkräftegewinnung in der Region bekannt“, heißt es dort unter anderem.

Gerichte müssen entscheiden
Dieses Schreiben stößt im Haus der Messe Chemnitz auf wenig Freude. Die C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH stellt Erlass auf einstweilige Verfügung beim Landgericht Chemnitz, um dort eine Richtigstellung der Aussage zu erwirken. Die mündliche Verhandlung am 28. Juni und das Urteil am 7. Juli ist ernüchternd: Der Antrag wird kostenpflichtig zurück gewiesen. Daraufhin legt C³ Berufung beim Oberlandesgericht in Dresden ein. Der vorsitzende Richter legt dem Kläger aber in der mündliche Verhandlung am 13. September nahe, die Berufung zurück zu nehmen. „Unsere Stellungnahme sei inhaltlich nicht zu beanstanden gewesen“, erläutert Isrif. Wochen-ENDspiegel exklusiv vorliegende Dokumente bestätigen das.

In der Zwischenzeit wird hinter den Kulissen auf beiden Seiten eifrig gearbeitet. Die mmm message messe & marketing GmbH weicht mit den „azubi- & studientage“ nach Glauchau aus.  Isrif: „Aufgrund unseres Vertrages mit der Messe Chemnitz ist es beiden Vertragspartnern nicht erlaubt, vor oder nach einer Kündigung des Vertrages ganz oder in Teilen eigenständig oder über Vertragspartner eine derartige Messe in Chemnitz fortzuführen. Wir halten uns an diesen Vertrag.“

Bildungsmessen wie hier die „azubi & studientage chemnitz“ sind ein hartumkämpftes Geschäft. In Chemnitz wird dabei offenbar nicht immer mit sauberen Mitteln gefochten. Foto: bit/Archiv
Bildungsmessen wie hier die „azubi & studientage chemnitz“ sind ein hartumkämpftes Geschäft. In Chemnitz wird dabei offenbar nicht immer mit sauberen Mitteln gefochten.
Foto: bit/Archiv

Neue Partnerschaften
Das sieht man bei der Messe Chemnitz offenbar nicht so eng. Am 20. Juni schickt die Freie Presse Mails an Aussteller, wonach es Ende Januar 2017 in der Messe Chemnitz eine neue Bildungsmesse unter dem Titel „mach was!“ geben wird. Spätestens am 3.6. war eine Domain www.mach-was-sachsen.de von der Freien Presse registriert worden.
„Bereits vor einigen Jahren hat der Verlag sein Interesse bekundet, im Bereich Ausbildung & Beruf seine Kompetenzen stärker einzubringen“, äußert Michael Kynast auf WochenENDspiegel-Nachfrage.

Der Verdacht liegt nahe, dass beiden Partner die Kündigung der Heidelberger Organisatoren mehr als recht kam und das nun umgesetzte Konzept schon lange in der Schublade hatten. „Leider finden Sie in dem Bereich Bildungsmessen viele Trittbrettfahrer, die meinen, eine derartige Messe wie die azubi- & studientage kopieren und veranstalten zu können. Bei einigen steht auch ein anderes Interesse dahinter“, weiß Isrif. Der Verkauf von Anzeigen beispielsweise. Wie gegenüber WochenENDspiegel regelmäßige Aussteller der „azubi- & studientage“ bestätigen, beinhaltet das Angebot der Freien Presse an die Aussteller auch eine Werbepauschale in Höhe von 300 Euro. Bei angenommenen 100 Ausstellern immerhin 30.000 Euro. Kein schlechtes Geschäft.

Für die Messe Chemnitz könnte die Zusammenarbeit mit dem neuen Partner aber richtig teuer werden. mmm-Geschäftsführer Isrif ist der Auffassung, dass der Vertrag bis Mitte 2018 Bestand hat und damit natürlich laut Ausschlussklausel auch keine andere Bildungsmesse in Chemnitz stattfinden dürfe. Rechtsanwalt Ulrich Schmitz-DuMont, Partner der Anwaltskanzlei Schmitz-DuMont Wolff, Köln, bereitet aktuell für Isrif eine Klage wegen Vertragsbruches vor, die eine Schadensersatz-Summe in sechs- oder siebenstelliger Höhe vorsieht.

Im Aufsichtsrat der C³-Veranstaltungsagentur sieht man das offenbar alles nicht so eng. Kynast habe am 26. September zum bisherigen Verfahren berichtet. Der Aufsichtsrat sieht aber gegenwärtig keinen Handlungsbedarf, da bislang lediglich eine Entscheidung im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz ergangen war, so teilt am 28. September Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender Miko Runkel per E-Mail Isrif mit.

Mittlerweile wurde Kynast von ihm aber doch aufgefordert, sich außergerichtlich mit der mmm message messe & marketing GmbH zu einigen, so Isrif.  Bis Mittwochnachmittag sah Kynasts dazu keine Veranlassung. Eine nochmalige Überprüfung der Rechtslage habe nichts ergeben, was ihn von Isrifs Auffassung überzeugen könne. Ein möglicherweise teurer Rechtsstreit gegen die 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt Chemnitz wurde somit immer wahrscheinlicher. Am Nachmittag dann die Kehrtwende: Kynast schlägt Isrif ein Treffen vor, um sich doch außergerichtlich zu einigen. Ob diese Einigung erfolgt, ist bisher noch offen.

Jobmesse Chemnitz ebenfalls betroffen
Doch Isrif ist nicht der einzige, mit dem sich Kynast überworfen hat. Auch  Holger Kopplin, Inhaber und Geschäftsführer der HR Business aus Dresden und Veranstalter der „Jobmesse Chemnitz“, hat gerade mit Kynast gebrochen. Nachdem die „Jobmesse Chemnitz“ die letzten vier Jahre halbjährlich in der Messe Chemnitz stattfand, entschied sich Kopplin 2017 für das Stadion des CFC.  Nach Aussage von Kopplin wurde er selbst nicht einmal von Kynast über die Konkurrenzmesse „mach was! 2017“ informiert.

Dafür wurden aber alle seine Aussteller von den „mach was!“-Machern angeschrieben, um diese für die neue Bildungsmesse zu gewinnen. Die Daten können laut Kopplin eigentlich nur über die Messe Chemnitz zum neuen Veranstalter gelangt sein. Denn ausgerechnet enge Vertraute von Kopplin wurden von der Zustellung ausgenommen. Kenntnis erlangte er von dem Sachverhalt trotzden. Ebenfalls wurde Kopplin von Kynast nahe gelegt, das Thema „Ausbildung“ aus seinem Jobmesse Chemnitz-Portfolio zu nehmen, weil es einen exklusiven Vertrag mit der Freien Presse zur „mach was! 2017“ gebe. Den endgültigen Bruch gab aber Folgendes: „Kynast bat auch um die Klärung rückwirkender Verträge“, sagte Kopplin gegenüber WochenENDspiegel. Mittlerweile prüft er ebenfalls rechtliche Schritte.

Mit Altlasten zum neuen Posten
Einen seltsamen Beigeschmack hat in dem Zusammenhang auch die Tatsache, dass Michael Kynast am 26. September auf eigenen Wunsch einstimmig vom Aufsichtsrat zum 30. November von seinem Posten abberufen wurde. Am 5. Oktober wurde er als neuer Chef der Messe Erfurt präsentiert. Diesen Posten soll Kynast zum 1. Dezember antreten. Inwiefern sein neuer Arbeitgeber über die möglichen Altlasten, die Kynast mitbringt, bescheid weiß, ist bisher nicht bekannt.

Weitere Ungereimtheiten?
WochenENDspiegel liegen exklusive Dokumente vor, die annehmen lassen, dass es im Zusammenhang mit der Messe Chemnitz und Noch-Geschäftsführer Kynast weitere Ungereimtheiten gibt. Diese werden wir in den nächsten Tagen auswerten und zeitnah berichten.