Start Erzgebirge Streitpunkt Drückjagd! Tierschützer und Jäger diskutieren
Artikel von: Andre Kaiser
10.11.2016

Streitpunkt Drückjagd! Tierschützer und Jäger diskutieren

Abgeschossen. Aufgereiht. Ausgenommen. Wir sehen das Ergebnis der Drückjagd im Forstbezirk Neudorf von letzten Freitag (04.11.2016). 25 Tiere wurden erlegt. Hirsche, Rehe, Wildschweine. 80 Jäger, darunter zwölf Treiber, waren im Einsatz. Tausende diskutieren!

Erzgebirge. Heiße Diskussionen um die vom Staatsbetrieb Sachsenforst initiierten Drückjagden im Freistaat Sachsen. Jährlich werden dabei hunderte Tiere geschossen. Wichtig, sagen die Jäger. Unmoralisch, schimpfen die Tierschützer.

Foto: André Kaiser
Foto: André Kaiser

Ist es wirklich notwendig, dass das Wild in einer konzentrierten Aktion erlegt wird? Nein, sagen Tierschützer, prangern Drückjagden an. Ja, sagen Förster und die Verantwortlichen des Staatsbetriebes Sachsenforst. Nur mittels Jagd ließen sich die Schäden an Bäumen oder auf Feldern eindämmen. Der Neudorfer Forstbezirksleiter Matthias Weinrich: „Der Vorteil der Drückjagd liegt vor allem darin, dass die Tiere nur ein- bis zweimal im Jahr gestört werden. Will man die notwendige Strecke nur über Einzeljagden erreichen, gibt es eine Dauerbelastung für das Wild, da dies den ‚schleichenden‘ Ansitzjäger sehr wohl bemerkt und als Stress empfindet. Es sind auch keine Hetzjagden, wie oft kritisiert wird. Diese sind schon lange verboten. Unter einer Hetzjagd versteht man, dass das Wild zusammengetrieben wird, bis es nicht mehr weiter kann und dann abgeschossen wird. Bei einer Drückjagd wird das Wild sachte mit Hunden aus dem Dickicht gedrückt. Und wir achten genau darauf, was geschossen wird.“

 

Bei der Drückjagd im Forstbezirk Neudorf wurden letzten Freitag 25 Tiere geschossen. Foto: André Kaiser
Bei der Drückjagd im Forstbezirk Neudorf wurden letzten Freitag 25 Tiere geschossen. Foto: André Kaiser

Pro und Kontra

Teilweise würden die Jäger in doppelten Schützenreihen aufgestellt, was kriegsähnlichen Zuständen nahe kommen würde. „Und Krieg gegen unsere heimischen Wildtiere dürfen wir nicht führen!“, appellieren Angehörige der Jägerschaft des Erzgebirges an die Protagonisten. „Wir befürchten, dass so große Massen-Drückjagden nicht mehr im gesetzlichen Rahmen liegen. Sie könnten gegen eine Reihe von Gesetzen verstoßen, Jagdgesetz, Tierschutzgesetz, Fleischhygiene- und sogar das Waffengesetz“, warnen besorgte Jäger. Die Notwendigkeit der Methode erklärt dagegen Landesforstpräsident Prof. Dr. Hubert Braun: „Im sächsischen Staatswald sind Drückjagden ein entscheidendes Werkzeug zur effizienten Regulierung der Wildbestände und damit für den Erfolg unseres Waldumbaus, in den der Freistaat jährlich gut 15 Millionen Euro investiert.“

 

Schutz der Pflanzen

Sachsenforst begründet die Drückjagden von Ende Oktober bis Januar mit dem Schutz von landwirtschaftlichen Nutzflächen und gepflanzten Baumarten, deren Knospen ganz oben auf dem Speiseplan der Tiere stehen. Das Wild werde außerdem nicht gehetzt, sondern frühzeitig alarmiert und damit langsam in Bewegung gebracht. Braun: „So können die auf Hochsitzen an günstigen Stellen postierten Jäger das langsam anwechselnde Wild tierschutzgerecht erlegen. Der Vorteil dieser Jagd-Art ist, dass ein und dieselbe Fläche in der Regel nur ein- bis maximal zweimal jährlich beunruhigt wird, während der mehrmals in der Woche auf seinem Hochsitz ausharrende einzelne Jäger eine Dauerbeunruhigung beim wachsamen Wild auslösen kann.”

 

Würden Luchs und Wolf helfen?

Auch Matthias Weinrich, Forstbezirksleiter Neudorf,  schließt ein rein finanzielles Interesse der Drückjagd aus: „Sicher wird das erlegte Wild über den Sachsenforst vertrieben. Allerdings sind solche Jagden schon allein von der Vorbereitung her sehr aufwendig. Nur ein Beispiel: Wenn wir in einem guten Jahr 100.000 Euro mit der Jagd erwirtschaften, haben wir auf der anderen Seite fast 150.000 Euro Aufwand. Viel gravierender sind aber die hohen Schäden und die zu deren Minderung notwendigen Wildschutzkosten, die die Jagderlöse um ein Vielfaches übersteigen, wenn die Wildbestände unangepasst hoch sind.“
Und wenn Luchs und Wolf als natürliche Feinde wieder da wären? Weinrich: „Angenommen es wäre so, dass die Tiere in den nächsten Jahren auf natürliche Weise für ein gewisses Gleichgewicht im Wald sorgen, würde ich die Flinte sogar in den Schrank stellen. Allerdings sieht es im Moment nicht danach aus. Die belegten Zahlen der Luchse sind verschwindend gering und für den Wolf gibt es bisher noch gar keine Belege. Zudem scheint er sich Bestandes regulierend eher nur auf Muffelwild auszuwirken, wie man aus der Laußitz zu hören bekommt.“

Inzwischen wird die Drückjagd ein Politikum. Der Landtagsabgeordnete Carsten Hütter (AfD) aus Marienberg hat eine Kleine Anfrage dazu gestellt, will u.a. wissen: „Sind Fälle bekannt, wo bei Bewegungsjagden im Sachsenforst in den letzten Jahren Doppelreihen von Schützen zum Einsatz kamen, so dass dem Wild Fluchtmöglichkeiten verwehrt wurden?“