Start Erzgebirge Tedesco: Überzeugend leise!
Artikel von: Sven Günther
02.06.2017

Tedesco: Überzeugend leise!

FCE-Trainer Domenico Tedesco und Präsident Helge Leonhardt. Foto: FCE

Wie Domenico Tedesco die Veilchen rettete

Von Sven Günther
Aue. Klassenerhalt geschafft, in Düsseldorf gefeiert und in Aue wieder voll im Stress. Domenico Tedesco. 31 Jahre jung. Schlank, fast schmal. Man kann ihn sich leicht in italienischen Designer-Anzügen vorstellen. Kein Lautsprecher, sondern ein sehr, sehr überzeugender Flüsterer. Wenn er spricht, hört man zu! Sein Blick aus grünbraunen Augen überzeugt, fesselt. Der Veilchenretter wurde an der italienischen Küste des ionischen Meeres geboren. Jetzt ist er im Erzgebirge angekommen, die Familie ist da, eine Wohnung wird bald gefunden sein.
Bis zum Trainingsauftakt am 19. Juni hat er jetzt Zeit, am neuen Kader zu arbeiten – aber auch Gelegenheit, nach der anstrengenden Saison abzuschalten. Tedesco: „Wir haben in Düsseldorf die Klasse gehalten und es gab ein kleines Kabinenfest.“ Dann lächelt er, sagt: „Ich wurde mit Bier nass gespritzt und ich habe mir gemerkt, wer das war.“ Anschließend ging es Essen und gegen zwei Uhr zurück nach Aue. Dort klingelte der Wecker früh! Die neue Saison will geplant werden. Fest steht: Steve Breitkreuz und Louis Samson werden den FCE verlassen, der Vertrag mit Adam Susac wird nicht verlängert. Tedesco: „Wir haben uns an einen Tisch gesetzt, ein offenes Gespräch geführt und sind uns einig geworden. Er hat sich super, super professionell verhalten. Adam braucht einen Verein, wo er spielen kann.“ In Aue ist das nicht der Fall. „Breitkreuz und Samson werden für uns schwer zu ersetzen sein“, sagt Tedesco. „Sie waren tragende Säulen in diesem geilen Kollektiv.“
Geiles Kollektiv! Der Trainer spricht die Sprache der Spieler, der Fans, kommt gut an. Ein Positivdenker. Zu den Abgängen sagt er: „Es ist eine Bestätigung unserer guten Arbeit, wenn unsere Spieler dieses Kalibers von größeren Vereinen angefragt werden.“
Drei Neuverpflichtungen stehen fest: John-Patrick Strauß kommt von RB Leipzig II, Moise Ngwisani aus der U 19 des VfL Bochum und Michael Maria von Sonnenhof Großaspach. Tedesco: „Drei junge Talente, die sich aber schon etabliert haben. Sie sind uns sehr, sehr positiv aufgefallen.“
Für das Tor sind neben Martin Männel auch Daniel Haas (Vertrag bis 2018 verlängert) und Robert Jendrusch fix. Mario Seidel wird den FCE verlassen. Der Trainer: „Das Team funktioniert supergut, harmoniert perfekt mit dem Torhüter-Trainer Max Urwantschky.“
Zu den Wechselgerüchten über seine eigene Person äußert sich Tedesco nicht, statt dessen lobt er Aue, erklärt: „Ich fühle mich hier im Verein und im Trainerteam sehr wohl. Es gab für mich keine Entscheidung, die ich fällen musste.“
Jetzt sind zwei Wochen Zeit, durchzuschnaufen. Für den Trainer ist es wichtig, dass man gemeinsam mit der Familie entspannt, sich einige freie Tage gönnt. „Nur so können die Spieler ab dem 19. Juni ein frisches Trainer-Team erwarten. Auch wir müssen unsere Akkus aufladen“, sagt Tedesco. Nach der Pause geht es ins Trainingslager nach Österreich, wo erstklassige Bedingungen auf Aue warten. Spiele im Erzgebirge wird es auch in diesem Jahr geben, aber geplant sind nur drei bis vier dieser Partien.
Ansonsten steht für den Coach immer noch das Kennenlernen der Mannschaft auf der Tagesordnung. Er führt viele Einzelgespräche, für die es im Abstiegskampf kaum Zeit gab. Er lobt: „Auch die Spieler mit auslaufenden Verträgen haben alles dem sportlichen Erfolg untergeordnet, keiner hat nach seiner persönlichen Perspektive gefragt.“
Das Thema Neuverpflichtungen ist ein großes. Tedesco: „Natürlich müssen wir bei den Innenverteidigern aktiv werden. Ansonsten halten wir Augen und Ohren offen, weil wir natürlich keine Topspieler aus der ersten Liga bekommen werden. Das ist aber nicht schlimm, das wissen wir und müssen sehr innovativ sein.“
Sein größter Trumpf ist dabei die Plattform 2. Liga. „Es ist nicht selbstverständlich, dass junge Spieler Jahrgang 1996, 97 und 98 in der zweiten Liga spielen können. Diese Plattform haben wir. Auch aus diesem Grund war es nötig, die Klasse zu halten. Ansonsten ist es wichtig, die Jungs einzuladen, das Stadion, das Präsidium, das Trainerteam vorzustellen und ihnen unser Konzept nahezubringen.“
Ein Konzept, das keinen Sportdirektor vorsieht. In Aue baut man auf eine Sportdirektion, die mit Kompetenz bestückt ist. Trainer, Präsident, Teile des Vorstands. Sieben, acht Leute, die eng zusammenarbeiten. Weitere Personen würden da nicht benötigt. Finale Entscheidungen treffen Cheftrainer und Präsident.
Fakt ist, dass man mit einer A-Jugend in der 2. Liga nicht bestehen kann. Tedesco: „Wir brauchen deshalb eine gute Mischung. Die haben wir jetzt und möchten sie nicht großartig verändern. Hätte uns beispielsweise Tiffert verlassen, hätten wir einen gestandenen Spieler geholt.“
Liga 2 – Aue bleibt dabei. Der Trainer hatte nach dem Sieg gegen Kaiserslautern ein gutes Gefühl, wusste, dass der Klassenerhalt zum Greifen nah ist. „Wir haben von Anfang an daran geglaubt, dass wir hier was reißen können, eine Drei-Ziele-Pyramide erstellt“, erklärt der Coach. „1. Wir brauchten eine Aufbruchstimmung. Die Jungs mussten merken, dass was geht. Da war der Sieg gegen Karlsruhe wichtig. 2. Spiele gewinnen, Selbstvertrauen aufbauen, positiv denken. Es war richtig gut, wie die Jungs da mitgezogen haben. 3. Klassenerhalt.“
Und bei einem Abstieg? Tedesco: „Wenn wir mit wehenden Fahnen abgestiegen wären, wäre es nicht so schlimm gewesen. Auch in Liga 3. hätten wir den Fußball nicht eingestellt, sondern eine konkurrenzstarke Mannschaft aufgebaut und wären wieder aufgestiegen.“