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Artikel von: Sven Günther
16.01.2018

Veronika Bellmann: Wer nicht hören will…

Veronika Bellmann: “Wer in den Führungsetagen nicht hören will, der muss eben (früher oder später) den Druck der Basis fühlen…” Foto: Thomas Köhler, Photothek Berlin

Veronika Bellmann (CDU) greift Parteispitze an

Der CDU Stadtverband Freiberg hat seine heiß debattierten Thesen aus dem September überarbeitet und konkretisiert. Zentral bleibt die Forderung nach dem Rücktritt von Angela Merkel als Parteichefin der CDU. Jetzt legt die mittelsächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann nach, äußert sich auf www.wochenendspiegel.de auch zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche

Freiberger Thesen: Merkels Rücktritt erneut gefordert

Die mittelsächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann: “Die Freiberger Thesen in ihrer überarbeiteten Form unterstütze ich.
Insbesondere weil sie aus einem Ortsverband heraus, also von der Basis her den politischen Dialog im Nachgang der Bundestagswahl und in Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklungen seit Amtsantritt von Angela Merkel in Gang setzen können. Wer in den Führungsetagen nicht hören will, der muss eben (früher oder später) den Druck der Basis fühlen…..”

Zum Ergebnis der Sondierungsverhandlungen beantwortet sie die Fragen von www.wochenendspiegel.de

Wie schätzen Sie das Ergebnis der Gespräche ein?
Das Sondierungspapier hat keinen abschließenden Charakter, aber es gibt natürlich die Richtung vor. Das Ergebnis ist ein Kompromiss, der teilweise noch sehr allgemein gehalten ist. Mehr war offenbar  momentan nicht möglich. Nach ersten Diskussionen in der Landesgruppe sage ich dazu, es hätte schlimmer kommen können. Aber der Teufel steckt ja bekanntlich im Detail. Zu Konkretisierungen kommt es ja erst in Koalitionsverhandlungen, sofern die SPD in dieser Schicksalswoche sich dazu entscheidet. Ansonsten sind Neuwahlen immer noch nicht auszuschließen.  Auf jeden Fall müssen in  der Legislaturperiode weitere Entscheidungen für Zukunftsinvestitionen getroffen werden.

Für eine „deutlich konservative Handschrift“ hätte ich mir allerdings mehr erwartet, zum Beispiel  für eine Steuerreform im Sinne der Abschaffung der kalten Progression bzw. des sog. Mittelstandsbauches, die komplette Abschaffung des Soli, keine zusätzlichen Belastungen für den Mittelstand und unsre Leistungsträger usw. Insbesondere bei der Migration bin ich nicht zufrieden – 180.000 bis 220.000 plus 12.000 Familiennachzug machen jährlich einmal eine Großstadt wie Lübeck aus.

Für ca. 340.000 mag die Erstunterbringung und Versorgung noch zu meistern sein. Aber Wohnraum, Kitas, Schulen, Berufsausbildung  für Migranten aus fremden Kulturen – vor allem das Personal dafür – das ist mehr als nur eine personelle und finanzielle Herausforderung.  Der Maghreb als sichere Herkunftsstaaten, die Einreise-, Entscheidungs- und Abschiebezentren sind kleine Schritte in die richtige Richtung, aber ohne Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen werden sie weniger wirksam sein. Da denken Union und SPD an der Realität vorbei.
Ein einfacher Satz „Wir haben verstanden und kehren deshalb von den Ausnahmeregeln zur konsequenten Einhaltung von Recht und Gesetz zurück“, hätte mehr Wirkung gehabt. Wenn das so bleibt, wie bisher vereinbart, werde ich mich in dieser GroKo, falls sie kommt, wohl wieder  nur sehr bedingt politisch beheimatet fühlen…..und trotzdem oder gerade deshalb um das Beste für meinen Wahlkreis kämpfen.

Wie waren Sie selbst an den Gesprächen beteiligt?
In Beratungen der Landesgruppe der sächsischen Unionsabgeordneten und in der Kommission Ost hat sich schnell herausgestellt, wer welche politischen Themen als Zuarbeiten an unseren Landesgruppenvorsitzenden und sächsischen Verhandler Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière liefert. Daran habe ich mich natürlich beteiligt.

Gibt es Ergebnisse, die speziell für Ihren Wahlkreis eine Rolle spielen?
Alle Sondierungsergebnisse, sollten sie denn tatsächlich in einen Koalitionsvertrag gegossen und in praktische Politik umgesetzt werden, werden im Wahlkreis eine Rolle spielen, von der Kita bis zur Pflege, vom Soli bis zur Absenkung der Arbeitslosenversicherung. Wenn ich an den Wahlkampf denke, dann werden die beabsichtigten Regelungen zur inneren Sicherheit, Migration, Breitbandversorgung, Kommunalfinanzen; Mütterrente, vor allem aber die geplante Grundrente und bezahlbare Krankenversicherung für Selbstständige sicher besondere Beachtung finden.

Was sagen Sie zur Kritik aus Reihen der SPD bis hin zur Ablehnung aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt?
Außer dem Regieren mit absoluter Mehrheit besteht in einer Demokratie Politik in Koalitionen immer aus Kompromissen. Keiner kann da erwarten, mehr als 50 Prozent seiner Ideen umsetzen zu können. Das wissen auch Sozialdemokraten, vom einfachen Mitglied bis zum Bundesvorstand. Wenn ihnen das Land tatsächlich wichtiger wäre als die Partei und sie es mitgestalten wollen, dann ist die Ablehnung eines Eintrittes in Koalitionsverhandlungen, kaum verständlich.
Und dennoch, mancher in der Unionsführung zeigt mit dem Finger auf die Sozis und ihre Entscheidung durch Parteitage und Mitgliederentscheide alle Ebenen der Partei zu beteiligen. Das tue ich ausdrücklich an dieser Stelle nicht. Es mag ein gewisses Risiko in sich bergen und der Partei viel Geld kosten, aber Basisdemokratie, auch den einfachen Mitgliedern Entscheidungsverantwortung zuzutrauen, finde ich in diesen schwierigen zerrissenen Zeiten sehr in Ordnung.
Das war auch meine Forderung vom ersten Tage nach der Bundestagswahl an meine Parteiführung, weshalb ich die Freiberger Thesen auch unterstützte.