Start Chemnitz Handicap ist in Museen keine Handicap
Artikel von: Redaktion
21.02.2018

Handicap ist in Museen keine Handicap

Museumspädagogin Sandra Dannemann präsentiert gemeinsam mit ihrem Kollegen Dirk Sorge, der selbst sehbehindert ist, den Reliefführer für Blinde und Sehbehinderte des Industriemuseum Chemnitz. Foto: Cindy Haase

Chemnitz. Reingehen, schauen, staunen – was für die meisten Menschen beim Besuch eines Museums ganz normal ist, stellt sich für Personen mit körperlichem Handicap sehr leicht als unüberwindliche Hürde da. Immer mehr Einrichtungen bestreiten deswegen neue Wege. So auch das Industriemuseum Chemnitz.

Mit einem Reliefführer für Blinde und Sehbehinderte leistet die Einrichtung seit kurzem einen weiteren Beitrag zur Barrierefreiheit. „Wir haben durchaus blinde Besucher und bisher fehlte immer etwas, um ihnen die Exponate erlebbar zu machen“, erzählt Museumspädagogin Sandra Dannemann.

Detailansicht des Reliefführers. Foto: Cindy Haase

Das ändert der 48 Seiten umfassende Reliefführer, der in Braille- und Großschrift sowie zehn tastbaren Reliefs aus Kunststoff einen Eindruck von Größenverhältnissen und Strukturen wichtiger Objekte vermittelt. Dazu zählen zum Beispiel die imposante Dampfmaschine von 1896 oder eine Wagen-Spinnmaschine aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Bei der Entwicklung des Reliefführers stand Dannemann ihr Kollege Dirk Sorge zur Seite. Der Museumspädagoge hat selbst eine Sehbehinderung. „Den meisten Menschen hilft so eine kontrastreiche Darstellung“, nennt er Vorteile des an der Kasse kostenlos ausleihbaren Reliefführers. Zwei Exemplare sind verfügbar.

Wie es um die Behindertenfreundlichkeit anderer Chemnitzer Museen bestellt ist, haben wir einmal unter die Lupe genommen:

Kunstsammlungen
Die vier Museen der Kunstsammlungen Chemnitz sind grundsätzlich alle barrierefrei und bis auf das Schloßbergmuseum mit entsprechenden WCs ausgestattet. Ein Rollstuhlfahrer-WC befindet sich dort in einem Restaurant außerhalb des Museums. Im Henry van de Velde-Museum müssen sich Rollstuhlfahrer vorher telefonisch anmelden. Alle Museen verfügen über Fahrstühle, Rampen bzw. Rollstuhllifts. „Wir bieten im Museum am Theaterplatz ein Programm speziell für Menschen mit Sehbehinderung an und planen, dieses Programm auch auf die anderen Museen zu erweitern. Führungen für Menschen mit Hörbehinderung sind grundsätzlich auch möglich. Diese speziellen Programme müssen jedoch vorher angemeldet werden. Die Nachfrage ist vergleichsweise gering“, so die Kunsthistorikerin Almut Neumeister.

Die Chemnitzer Kunstsammlungen (links). Foto: Daniel Unger

Schloßbergmuseum
Das Schloßbergmuseum ist, bis auf eine Räumlichkeit und dem direkten fehlendem WC, soweit barrierfrei. Nach der Wende wurde bei der Sanierung auf die Barrierefreiheit des Musueum geachtet. Bedauerlicherweise fehlen die Beschriftungen für Sehbehinderte. Dieser Problematik umgeht das Museum mit Führungen für Seh- und Hörgeschädigte, die bei Interesse jederzeit gebucht werden können. Üblicherweise werden diese in kleinen Gruppen durchgeführt, um spezifisch auf die Besucher einzugehen. Den vorhandenen Sonderausstellungsraum können Personen mit Rollstuhl problemlos erreichen. Besonders für Sehbehinderte ist das Schloßbergmuseum ein Reiz, denn die verschiedenen Räumlichkeiten, sind in der akustischen Wahrnehmung immer verschieden.

Deutsches Spielemuseum
Das Spielemuseum ist barrierefrei betret- und befahrbar. Es hat einen Fahrstuhl, um in die Ausstellungsräume im ersten Obergeschoss zu gelangen. Ebenfalls verfügt es über eine barrierefreie Toilette. Mit Audioguides wird der Besuch für sehbehinderte Menschen ein Erlebnis. „Wir haben auch Spiele, die für sehbehinderte Menschen geeignet sind. Wir planen aktuell keine weiteren Maßnahmen. Wir haben in unregelmäßigen Abständen auch Gruppen von Personen mit geistigen Einschränkungen zu Gast, Barrierefreiheit bezieht sich also nicht nur auf körperliche Einschränkungen. Ebenfalls haben wir mehrere gehandicapte Mitarbeiter, die die Barrierefreiheit ebenfalls nutzen“, erklärt David Lippmann vom Deutschen Spielemuseum e.V.

Naturkundemuseum
Das Museum für Naturkunde kann von Seh-, Hör- und Körperbehinderten oder eingeschränkten Menschen besucht werden. Die Museumspädagogik bietet dazu Veranstaltungen an, die in Absprache speziell auf die Bedürfnisse und Wünsche der Besucher eingehen.

Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz (SMAC)
Das Museum ist gemessen an vielen anderen Einrichtungen in Chemnitz, Sachsen und Deutschland – in sehr hohem Maße barrierefrei. Sehbehinderte, Blinde, Nutzer der Deutschen Gebärdensprache, Nutzer von Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten, Nutzer der Leichten Sprache, körperlich eingeschränkte oder behinderte Menschen können das smac ohne fremde Hilfe und spontan besuchen. „Darüber hinaus wurde unser Personal professionell im Umgang mit eingeschränkten oder behinderten Menschen geschult“, erzählt Jutta Boehme des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz.

Neue Sächsische Galerie
Die Neue Sächsische Galerie ist für Menschen mit Körperbehinderungen oder -einschränkungen baulicherseits barrierefrei erreichbar und besuchbar. Für Hörbehinderte kann nach Voranmeldung eine Führung in Gebärdensprache angeboten werden. Die Werbepublikationen des Museums sind in Alltagssprache abgefasst.

Fahrzeugmuseum
Seitens eines Gutachtens eines Behindertenbeauftragten der Stadt Chemnitz, wurde das Museum für sächsische Fahrzeuge mit hoher Barrierefreiheit ausgelobt. Kooperation bieten mit verschiedenen Betreungseinrichtungen Spezialführungen für Hör- und Sehbehinderte sowie ältere Menschen an. ch/nn