Start Chemnitz 100 Jahre Radio in Chemnitz
Artikel von: Judith Hauße
01.02.2024

100 Jahre Radio in Chemnitz

Stephan Luther, Leiter des Universitätsarchivs erzählt über die Geschichte des Radiofunks in Chemnitz. Foto: TU Chemnitz

Über Vergangenheit und Zukunft des Radios

Das 100-jährige Jubiläum des Chemnitzer Radioclubs makiert nicht nur die Anfänge des Rundfunks in Deutschland, sondern wirft auch einen Schatten auf die Zukunft des Radios. Stephan Luther, Leiter des Universitätsarchivs in Chemnitz, hebt im Gespräch mit dem WochenENDspiegel die historische Bedeutung der Radioclubs hervor: „Über diese Clubs konnte man sozusagen selber Empfänger bauen, lizensieren und damit empfangen, wenn man eine sogenannte Audio-Lizenz erworben hatte. Und das ging nur über die Clubs.“

Die Euphorie für den drahtlosen Rundfunk war in den 1920er Jahren groß, wie Luther erzählt: „Die Begeisterung im Jahr 1923 erreichte beinahe hysterische Ausmaße – endlich die Möglichkeit, Rundfunk zu empfangen und sogar selbst zu senden, entfachte eine beträchtliche Euphorie.“ Auch wenn die Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland nun schon 100 Jahre her ist, betont Luther die anhaltende Relevanz der drahtlosen Kommunikation und Funkwellen: „Die Bedeutung ist heute nach wie vor, wenn nicht sogar noch größer als damals, weil ohne Funk würde heute vieles in der Infrastruktur gar nicht mehr funktionieren.“ Im Laufe des Gesprächs wird auch die Frage nach der Bedeutung traditioneller Medien, insbesondere des Radios, aufgegriffen.
Luther hebt hervor, dass soziale Medien bestimmte Bedürfnisse nicht befriedigen können. Er bezieht sich darauf, dass diese Plattformen entstanden sind, um Informationen in verkürzter Form zu verbreiten. Diese Informationen sind jedoch oft schwer zu verifizieren. In diesem Zusammenhang betont Luther die Rolle des Radios als Mittel für seriöse und nachvollziehbare Berichterstattung.

Hat das Radio eine Zukunft?

In Bezug auf die Zukunft des Radios in der Region Chemnitz sowie deutschlandweit erwartet Luther, dass Sender an Einfluss verlieren könnten. Er gibt zu bedenken: „Das regionale Radio, also der Ort, an dem ich tatsächlich Top-Informationen und Nachrichten über meine Region erhalte, könnte vielleicht irgendwann verschwinden, wenn es überhaupt verschwindet. Das hängt davon ab, wie schnell sich die Technik entwickelt, was jedoch schwer genau vorherzusagen ist.“

Die Erwartungen der jungen Hörer an das Radio werden ebenfalls thematisiert. Luther gibt einen persönlichen Einblick und sagt: „Ich denke, dass die jüngere Generation heutzutage nur noch wenig mit dem Radio verbindet. Sie nutzt hauptsächlich Streaming-Dienste und soziale Medien – das habe ich selbst auch bei meiner Tochter festgestellt.“
Auch wenn es schwer ist, die Zukunft des Radios präzise vorherzusagen, behält es für viele Menschen seine anhaltende Bedeutung und wird täglich genutzt. Unabhängig davon, ob alle Menschen es weiterhin verwenden oder nicht, verdient der Chemnitzer Radioclub Lob dafür, vor 100 Jahren den Grundstein für die heutige Radiolandschaft gelegt zu haben.

Feierstunde zum Jubiläum

Um an die Bedeutung der Königlich Sächsischen Gewerbeakademie Chemnitz für die Entwicklung des Rundfunks in Deutschland zu erinnern, laden das Universitätsarchiv Chemnitz sowie die Funkamateure des Ortsverbands Chemnitz-Süd des Deutschen Amateur Radio Clubs (DARC e. V.) die interessierte Öffentlichkeit am 1. Februar 2024 ab 17 Uhr (Einlass: 16 Uhr) zu einer Feierstunde in den Veranstaltungsraum „Ideenreich“ der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Chemnitz ein.

Hintergrund

Der 29. Oktober 1923 gilt als Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschlands. Bereits drei Monate später, am 29. Januar 1924, wurde unter maßgeblicher Leitung von Carl Wilhelm Bangert, Professor für Elektrotechnik, Physik und Fernmeldetechnik an der Staatlichen Akademie für Technik Chemnitz, der Chemnitzer Radioklub e. V. im Rahmen des „Deutschen Funk-Kartells“ gegründet. Damit wurde zahlreichen technisch Interessierten aus der Chemnitzer Region die Möglichkeit gegeben, unter Anleitung selbständig einen einfachen Röhren-Empfänger, ein sogenanntes Audion, herzustellen und die notwendige Genehmigung zum privaten Rundfunkempfang zu erhalten.