Start Zwickau „Wir leben in einem absoluten Ausnahmezustand“
Artikel von: Redaktion
28.01.2020

„Wir leben in einem absoluten Ausnahmezustand“

Prof. Norbert Lammert in der Aula des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums in Zwickau am Montagabend. Fotos: Alice Jagals

Zwickau. „Uns geht es so gut wie noch nie“, betonte Prof. Norbert  Lammert in der vollgefüllten Aula im Käthe-Kollwitz-Gymnasium am Montagabend. Ein Tag von historischer Bedeutung, der 27. Januar. Umso tiefgründiger war also auch die Intension seines Vortrages „Demokratie braucht Demokraten: Freiheit bedeutet Verantwortung“, der im Rahmen der Veranstaltung „Schule im Dialog“, gefördert durch die Konrad-Adenauer-Stiftung, einlud.

In seiner Zeitreise zwischen Weimarer Republik und der heutigen digitalen Gegenwart machte er deutlich: „Demokratie ist dann gefährdet, wenn Menschen beginnen, sie für selbstverständlich zu halten.“ Und somit sei diese auch nicht gegen das Wahlverhalten der Bevölkerung gerüstet. Die Demokratie stehe und falle mit den Demokraten. Die Weimarer Republik scheint seiner Meinung nach am fehlenden Engagement dieser gescheitert zu sein.

Er betonte auch die Bedeutsamkeit unseres Grundgesetzes, welches im vergangenen Jahr sein 70-jähriges Jubiläum feierte. Es ist eines der ältesten. Die Verfassung der Amerikaner ist immerhin zweieinhalb Jahrhunderte alt. Die Franzosen haben bereits ihre fünfte, die Briten haben bis heute keine Verfassung.

Der Besucher lauschten dem ehemaligen Bundestagspräsidenten.

„Wenn einer sagt, er wisse, was richtig ist, der hat die Demokratie nicht verstanden“, weist der ehemalige Bundestagspräsident hin. Demnach ist Demokratie immer ein Mehrheitswille. Und gerade die Digitalisierung mit all ihren Vor- und Nachteilen ändere unsere Gesellschaft gewaltig. Nehmen sich die einen ihre Informationen aus ihren Tageszeitungen, nutzen andere die zahlreichen Social Media Kanäle. Allein Facebook hat 1,3 Milliarden Nutzer. Diese senden rund 700 Millionen Beiträge pro Stunde. Meist liest der Mensch auch nur die Infos, die am ehesten zu seiner Meinung passen. Meinungsäußerungen fallen wesentlich einfacher, ausgeruht auf dem Recht der Meinungsfreiheit. „Und die deutschen Gerichte decken zu viele Äußerungen“, sagte er unter anderem bezugnehmend auf die Anfeindungen an Renate Künast. „Und wenn ‚Du alte perverse Drecksau‘ zur Meinungsfreiheit gehört, dann weiß ich auch nicht weiter.“

Gerade im Hinblick auf die Ereignisse während der Nazi-Diktatur und dem Datum am Montag, der den 75. Jahrestag nach der Auschwitz-Befreiung und damit die Beendigung der Nazi-Gräueltaten zumindest physisch besiegelt, appellierte er eindringlich: „Wir leben in einem absoluten Ausnahmezustand der deutschen Geschichte.“