Start Chemnitz Achtung, Gefahr! Wie groß Alltagsrisiken wirklich sind
Artikel von: Redaktion
11.09.2018

Achtung, Gefahr! Wie groß Alltagsrisiken wirklich sind

Nur ganz schnell, lohnt sich nicht, die Leiter zu holen: Unbedachte Aktionen wie diese gehören zu den häufigeren Unfallursachen im Haushalt. | Foto: Fotolia/complize | m.martins

Unfälle passieren, aber eben nur den anderen, denkst du? Eine solche Haltung kann sich als gefährlicher Trugschluss erweisen, denn unter den falschen Voraussetzungen hat nahezu jede Alltagssituation das Potenzial, schwerwiegende Konsequenzen mit sich zu bringen. Risikobereitschaft, ob bewusst oder unbewusst, ist nicht in jeder Lebenslage eine hilfreiche Eigenschaft.

Ein (fast) ganz normaler Morgen

Möglicherweise ist dir so was auch schon mal, in ähnlicher Weise, passiert: Der Wecker versagt bei seiner Aufgabe, der Morgen ist deswegen schon weiter fortgeschritten, als es an einem Klausurtag der Fall sein sollte. Also erledigst du deine morgendlichen Rituale in einem vielfach beschleunigten Schnelldurchlauf, machst mehrere Dinge gleichzeitig.

Duschen, anziehen, noch kurz einen Kaffee gemacht, dann im Eiltempo zum Auto, auf den Bus zu warten, ist nicht mehr drin. Unterwegs den noch viel zu heißen Kaffee runtergestürzt, die klausurrelevanten Unterlagen auf dem Beifahrersitz. An den unzähligen roten Ampeln kannst du ja noch schnell einen Blick riskieren, nur zur Sicherheit.

So was passiert immer nur anderen

So oder zumindest so ähnlich geht es vielen Menschen im Alltag. Eine unvorhergesehene Entwicklung bringt den Plan durcheinander und statt routinierter Abläufe gibt es blanke Panik. Die ist, ebenso wie Hektik, eine denkbar schlechte Begleiterin. Erst recht, wenn beide mit einem trügerischen Sicherheitsglauben zusammen unterwegs sind, der dich hinsichtlich der möglichen Risiken davon ausgehen lässt, dass dir schon nichts zustößt. Dieses Wahrnehmungsproblem – man kann es fast nicht anders nennen – ist übrigens nicht nur in hektischen Situationen akut, es zieht sich durch den gesamten Alltag.

Liest man die Ausführungen von Prof. Horst Müller-Peters vom Institut für Versicherungswesen zum Thema subjektive Risikoeinschätzung, wird wenigstens im Ansatz erkennbar, warum die vielen Gelegenheiten, bei denen du im oben beschriebenen Szenario akut verletzungsgefährdet gewesen wärst, so bedenkenlos hingenommen werden, während du Besuche beim Public Viewing zu den WM-Spielen der deutschen Nationalmannschaft wegen einer indifferenten, aber irgendwo doch spürbaren Angst vor einem Terroranschlag längst kategorisch ausgeschlossen hast.

Persönliches Empfinden gegen statistische Nachweisbarkeit, das ist eine Debatte, die in der jüngeren Vergangenheit vor allem in Fragen der Sicherheitspolitik die Gemüter erregt hat. Dabei liegt ihre Relevanz offensichtlich sehr viel näher, nämlich im unmittelbaren Alltagsgeschehen, dass sich zwischen Wohnung, Uni und Freizeit abspielt.

Fakt ist…

Es ist deswegen keineswegs ein Zufall, dass das Mantra all derer, die beruflich mit Unfällen und Verletzungen zu tun haben, nach wie vor lautet: Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Das mag für dich paradox klingen, immerhin ist das ja deine gewohnte Umgebung, in der du dich tagtäglich bewegst. Das Problem ist hier ganz ähnlich gelagert, wie das von Prof. Müller-Peters angeführte Beispiel beim Autofahren. Der Grad der Gewöhnung im Zusammenspiel mit der Zeitspanne, in der es zu keinem Unfall gekommen es, führt zu einer gewissen Unbekümmertheit gegenüber möglichen Gefahren.

Selbst in hektischen und stressigen Situationen spielen diese eine bestenfalls untergeordnete Rolle, dabei ist es vor allem dieser Stress, der zu Unfällen führt. Er geht einher mit dem Gefühl der Überforderung, lenkt schnell vom Wesentlichen ab und beeinträchtigt die Konzentration, die für unfallfreie Abläufe eigentlich notwendig wären. Auf der einen Seite fehlt dann die Koordination, um die Situation zu bewältigen und auf deren Seite der Überblick, um Gefahrenquellen zu erkennen. Aus diesen Gründen solltest du Stress durchaus ernst und nicht auf die leichte Schulter nehmen – und nach Lösungen gegen den Stress suchen.

Verhalten unter der Lupe

Was also kannst du tun, um möglichst gar nicht erst durch eigenes Verschulden in eine Gefahrensituation zu geraten? Ein erster wichtiger Schritt wäre es, dein Verhalten zu beobachten und zu hinterfragen. Auf diese Weise erkennst du wahrscheinlich schon recht schnell, in welchen Situationen im Alltag du selbst für ein unnötiges Risiko sorgst. Verantwortlich hierfür sind meistens folgende Faktoren:

  • Nachlässigkeit und Unordnung

Kreatives Chaos ist schön und gut, aber es sollte nicht eskalieren. Dass sich im Laufe des Semesters Unterlagen, Bücher und jede Menge anderes Zeug auf einem recht begrenzten Raum ansammeln, ist zwar eine weitestgehend normale Entwicklung. Aber alles, was du herumliegen oder unaufgeräumt lässt, ist ein möglicher Auslöser eines Stolper-, Rutsch- oder Sturzunfalls, den du hättest vermeiden können.

  • Macht der Gewohnheit

Habe ich schon immer so gemacht und das ist auch immer gut gegangen‘ fasst das oben angesprochene Problem der subjektiven Risikowahrnehmung noch einmal gut zusammen. Das Spektrum daraus resultierender Fehlverhalten reicht von unvorsichtigen Bewegungsabläufen (z.B. übersprungenen Treppenstufen etc.) bis hin zu vernachlässigten Sicherheitsmaßnahmen (z.B. im Umgang mit Strom in der Wohnung). Routine ist zwar wichtig, um die wiederkehrenden Verrichtungen des Tages ruhig zu erledigen. Allerdings sollte sie in vielen Fällen nicht zu Automatismen führen, die nicht mehr hinterfragt werden.

  • Ablenkung

Ohne Smartphone ist das moderne Leben kaum noch vorstellbar, das bedeutet aber nicht zwingend, bei jeder Gelegenheit neue Nachrichten lesen, schreiben oder versenden, den nächsten Musiktitel such oder einfach nur das Internet nach Informationen durchforsten zu müssen.

Ähnliche Zurückhaltung ist bei allen Tätigkeiten geboten, von denen du glaubst, sie noch schnell und im wahrsten Sinne im Vorbeigehen abhaken zu können. In deinen Taschen nach dringend benötigten Utensilien suchen oder einen letzten Blick auf die Seminarunterlagen werfen, bevor die Klausur startet, das alles kannst du in einem ruhigen Moment tun. Aber ganz sicher nicht, wenn du unterwegs bist und deine Aufmerksamkeit eigentlich anderen Dingen gelten sollte. Dem Verkehr zum Beispiel oder deiner Umwelt im Allgemeinen.

Ein bekannter Anblick, der dadurch nicht weniger gefährlich wird: Das Smartphone ist inzwischen ein ständiger Ablenkungsfaktor. | Foto: Fotolia/Monkey Business

Auf Stress als Hauptursache für Unfälle aller Art wurde ja bereits eingegangen. Er potenziert in gewisser Weise die übrigen Risikofaktoren, weil er zusätzlich zu allen anderen Symptomen (körperliche wie psychische, unter anderem Wut und Ärger), die im Alltagsgeschehen nicht hilfreich sind, auch die Informationsverarbeitung im Hirn beeinträchtigt. Ein Grund dafür, warum in Warnhinweise in Stresssituationen so gerne übersehen werden.

Achtsamkeit ist daher nichts, was für eine bessere Work-Life-Balance sorgt: Mehr Achtsamkeit – und zwar im Sinne von mehr Gründlichkeit, mehr Aufmerksamkeit – ist unerlässlich, um Alltagsgefahren zu minimieren. Damit wird es auch leichter, für dein persönliches Wohlergehen zu sorgen, für das Achtsamkeit heute zunehmend steht.

Für den Notfall

Selbstverständlich helfen vorbeugende Maßnahmen nicht, ein vollkommen unfallfreies Leben zu garantieren. Was zum einen daran liegt, dass Unfälle nicht immer selbstverschuldet sind und zum anderen, was wahrscheinlich wichtiger ist, an den vielen kleinen Unvorhersehbarkeiten, die zum Alltag dazugehören.

Das Problem sind letztendlich häufig auch nicht so sehr die Unfälle selbst, als die notwendigen Handgriffe und Vorgehensweisen, um einen größeren Schaden abzuwenden. Erste Hilfe kannst du in vielen Notfallsituationen leisten, etwa bei Biene- und Wespenstichen oder sogar bei einem Herzinfarkt. Voraussetzung für die schnelle Hilfe ist allerdings, dass du dich noch daran erinnerst, was alles zu den lebensrettenden Sofortmaßnahmen dazugehört.

Genau das ist allerdings der Haken: Erste Hilfe-Kurse sind zwar für Fahrschüler obligatorischer Teil ihrer Vorbereitung, um den Führerschein zu erlangen. Ist der Kurs allerdings einmal absolviert, ist die Bescheinigung aber ein Leben lang gültig. Unwahrscheinlich allerdings, dass das Wissen ohne Auffrischung genauso lange abrufbar ist.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hat deswegen bereits vor vier Jahren die Initiative „Zweite Erste Hilfe“ ins Leben gerufen, mit verloren gegangenes Wissen erneuert werden kann. Empfohlen wird das übrigens in regelmäßigen Abständen, wenigstens alle paar Jahre. Das hilft nicht nur bei Verkehrsunfällen, sondern ganz allgemein in jeder Unfallsituation – also auch im eigenen Haushalt, wo die Gefahr nach wie vor am größten ist.