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Artikel von: Sven Günther
14.07.2017

Bakterien als Bio-Bergleute

Dipl.-Ing. Ralf Schlüter bringt mit dem Kernbohrgerät Laugungsbohrlöcher in den Erzgang ein. Fotos: Detlev Müller

Bergakademie forscht an Bergbau-Bakterien

Freiberg. Jahrhundertelang war Bergbau ein Knochenjob. Ein Forschungsprojekt der Bergakademie will die harte Arbeit künftig delegieren – an Bakterien.

Ein gewaltiger Silberfund vor rund 850 Jahren machte Freiberg zur Bergbaustadt und die Meißner Markgrafen reich. Zwar ist der Silberschatz im Erzgebirge längst gehoben, doch der Bergbau spielt noch immer eine große Rolle in der Stadt. Nicht zuletzt, weil die TU Bergakademie hier sehr erfolgreich an der Zukunft der Rohstoffgewinnung forscht. Allerdings haben die Wissenschaftler heute „strategische Elemente“ wie Germanium oder Indium im Blick, weit knapper und deutlich begehrter als Silber. Der Clou: Statt Bergleuten mit Bohrhammer sollen künftig Bakterien die Arbeit verrichten.

Biochemie statt schwerer Technik

„Mit der traditionellen Rohstoffgewinnung im Bergbau hat unser Projekt nur noch wenig zu tun“, sagt Helmut Mischo. Der Professor für Rohstoffabbau und Spezialverfahren unter Tage leitet die Forschung zur Gewinnung von Indium durch „mikrobielle Laugung“. Dabei werden Bakterien in einer Lösung durch erzhaltiges Gestein gespült, die das begehrte Erz in sich aufnehmen und in einem späteren Prozessschritt wieder abgeben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es muss kaum noch Gestein bewegt oder an die Oberfläche befördert werden, wo taubes Gestein früher riesige Halden bildete. Dadurch sei die Energieeinsparung enorm, so Mischo. Außerdem sei die Technologie ein „rein biologisches Verfahren, denn diese Bakterien kommen unter Tage ganz natürlich vor“, erklärt Doktorand Ralf Schlüter. Mit seinen Kollegen identifiziert und vermehrt er die jeweils effizientesten Bakterienstämme und entwickelt Technologien zur Ernte des Erzes. „Dabei geht es um technische oder logistische Fragen, aber auch um die biochemischen Prozesse, mit denen das Erz von den Bakterien abgeschieden wird“, ergänzt Professor Mischo.

Sinnvoll sind solche neuartigen Verfahren vor allem für seltene Elemente wie Germanium oder eben Indium. Beide wurden einst in Freiberg entdeckt, und Indium zählt zu den seltensten Metallen überhaupt. Eingesetzt wird es etwa als durchsichtiger Leiter in Flachbildschirmen und Touchscreens – Bedarf weltweit steigend.

Öffentliche Forschung, privat finanziert

Professor Mischos Projekt im Forschungs- und Lehrbergwerk der TU Bergakademie Freiberg ist eines von 13 Teilprojekten am Biohydrometallurgischen Zentrum für strategische Elemente (BHMZ). Alle drehen sich um Verfahren, um Metalle zeitgemäß, effizient und umweltschonend zu fördern. Verlaufen die Forschungen in Freiberg weiterhin erfolgreich, könnten in nicht allzu ferner Zukunft seltene Metalle ohne schwere körperliche Arbeit und Umweltschäden gewonnen werden.

Denn bei allem Forscherdrang hat man in Freiberg immer auch die wirtschaftliche Nutzung im Blick. So war es der Wunsch von Dr. Erich Krüger, dessen Stiftung seit 2013 die ersten fünf Jahre des „Krüger-Forschungskollegs“ am BHMZ finanzierte. Helmut Mischo ist zuversichtlich, dass die Erkenntnisse der ersten Förderperiode genügend Anlass für eine weitere Förderung ab 2018 geben. „Im nächsten Schritt wird es für uns darum gehen, unsere Technologie in eine industriell nutzbare Anwendung zu überführen.“

Begutachtung einer Erz-Kernprobe mit Bergakademie-Rektor Prof. Dr. Klaus-Dieter Barbknecht und der Stiftungsvorsitzenden Dr. Erika Krüger