Start Mittelsachsen Bisher einzigartig in Deutschland: Arbeitgeber suchen gezielt Asylbewerber und Flüchtlinge
Artikel von: Redaktion
20.11.2015

Bisher einzigartig in Deutschland: Arbeitgeber suchen gezielt Asylbewerber und Flüchtlinge

Die Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping, der Geschäftsführer Operativ der Arbeitsagentur Freiberg, Jens Burow, die Geschäftsführerin des Jobcenters Mittelsachsen, Karin Ilgert, sowie Martin Gräser, Mitarbeiter des Referat Ausländer- und Vertriebenenbehörde des Landratsamtes Mittelsachsen, stellten sich den Fragen. Foto: Roman Pfüller
Die Sächsische Staatsministerin Petra Köpping, der Geschäftsführer der Arbeitsagentur Freiberg, Jens Burow, die Geschäftsführerin des Jobcenters Mittelsachsen, Karin Ilgert, sowie Martin Gräser, von der Ausländerbehörde des Landratsamtes Mittelsachsen stellten sich den Fragen. Foto: Roman Pfüller

Hainichen. Am 19. November 2015 trafen sich wohl erstmals in Deutschland Vertreter aus Landesregierung, der Arbeitsagentur, der Stadtverwaltung und die Arbeitgeber zu einer Diskussionsrunde zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt im Rathaus in Hainichen.
Bürgermeister Dieter Greysinger hatte geladen, um die bestehenden Fragen zu klären und Missverständnisse zwischen Behörden, Arbeitgebern und anderen beteiligten Institutionen auszuräumen. Die Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping, der Geschäftsführer Operativ der Arbeitsagentur Freiberg, Jens Burow, die Geschäftsführerin des Jobcenters Mittelsachsen, Karin Ilgert, sowie Martin Gräser, Mitarbeiter des Referat Ausländer- und Vertriebenenbehörde des Landratsamtes Mittelsachsen, stellten sich den Fragen und Anregungen der rund 50 Interessenten.
Laut Bürgermeister Dieter Greysinger befinden sich derzeit 218 Asylbewerber (zumeist aus Syrien) in Hainichen, von denen 19 bereits eine Aufenthaltserlaubnis haben. „Wir sollten die Chance beim Schopfe packen“, sagte Greysinger, „die Flüchtlinge hier bei uns zu integrieren und dadurch selbst davon partizipieren und den bestehenden Arbeitskräftemangel zu mildern.“

Rund 50 Interessenten - Arbeitgeber, Mitarbeiter verschiedener Einrichtungen, Bürger und Asylbewerber - waren zur Diskussionsrunde in Rathaus gekommen. Foto: Roman Pfüller
Rund 50 Interessenten – Arbeitgeber, Mitarbeiter verschiedener Einrichtungen, Bürger und Asylbewerber – waren zur Diskussionsrunde ins Rathaus gekommen. Foto: Roman Pfüller

„Ich freue mich sehr über die große Resonanz. Endlich haben wir mal die Situation, dass Leute fragen „Wo bleiben denn nun endlich die Flüchtlinge?“, statt dass sie sagen: „Wir wollen sie nicht.““, äußerte die Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping, begeistert.
Marin Gräser erklärte als Einstieg erst einmal konkret den Unterschied zwischen Aufenthaltserlaubnis und Duldung die rechtliche Einordnung bezüglich der Bedeutung für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Dokumente der potenziellen Arbeitnehmer auf deren Status hinsichtlich Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu prüfen“, betonte Gräser noch einmal, da man andernfalls Gefahr laufe, sich strafbar zu machen. „Das ist jedoch einfach, da beide Informationen auf einem einzigen Formular leicht ersichtlich sind“, ergänzte Martin Gräser. Selbst Bewerber mit ungeklärtem Aufenthaltsstaus dürfen sogenannte Arbeitsgelegenheiten wahrnehmen. Diese seien adäquat zu den sogenannten 1-Euro-Jobs und bedürfen keiner Arbeitsgenehmigung. Als Beispiel nannte Gräser dort die Reinigungsarbeiten innerhalb der Asylbewerberheime.
Herr Schmidt von der Firma Demmelhuber beklagte die bürokratischen Hürden in einer Zwischenfrage: „Aber Sie wollen schon, dass Flüchtlinge und Asylbewerber vermittelt werden?“
Petra Köpping stellte daraufhin in Aussicht, dass sich 2016 wohl etwas ändern soll: „Ab Februar 2016 sollen Neuerungen und Erleichterungen zur Integration der Flüchtlinge kommen. Wir diskutieren derzeit sehr intensiv darüber, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.“

Staatsministerin Petra Köpping übergibt dem sichtlich glücklichen Bürgermeister Dieter Greysinger den Positivbescheid für die Stelle eines "Koordinators". Foto: Roman Pfüller
Staatsministerin Petra Köpping übergibt dem sichtlich glücklichen Bürgermeister Dieter Greysinger den Positivbescheid für die Stelle eines “Koordinators”. Foto: Roman Pfüller

Die Staatsministerin für Gleichstellung und Integration überreichte gleich im Anschluss dem sichtlich glücklichen Bürgermeister die Bewilligung für die Personalstelle eines „Koordinators“, Petra Köpping übergab Dieter Greysinger den Bescheid für den vorzeitigen Maßnahmebeginn, der nun vorerst ein Jahr lang ein personelles Bindeglied zwischen Arbeitgebern und Institutionen sowie den Asylbewerbern gewährleistet. Dadurch sollen die Kommunikation und auch die Bürokratie zwischen den betreffenden Stellen erleichtert werden.
Ein weiterer Sprecher bemängelte die fehlenden oder nur sehr geringen Deutschkenntnisse der Asylbewerber und forderte Abhilfe seitens der Arbeitsagentur. Jens Burow von der Arbeitsagentur Mittelsachsen stellte daraufhin klar, dass laut der Gesetzeslage die Bildungsträger in der Pflicht sind und nicht die Arbeitsagentur oder das Jobcenter.
„Die wenigsten anerkannten Flüchtlinge wollen in Mittelsachsen bleiben“, erklärte Karin Ilgert vom Jobcenters Mittelsachsen. Daraufhin äußerte Bürgermeister Dieter Greysinger: „Es gibt definitiv Flüchtlinge und Asylbewerber, die beabsichtigen, hier in Hainichen zu bleiben. Und wir haben hier den großen Vorteil, dass wir bezahlbaren Wohnraum und das deutlich bekundete Interesse verschiedener Arbeitgeber haben.“
Auf die Frage, ob man nicht auch die Asylbewerber und Flüchtlinge gesetzlich stärker in die Pflicht nehmen solle, erklärte Petra Köpping: „In Berlin wird derzeit über eine Bezuschussung zum Mindestlohn debattiert. Auch das Fördern und Fordern, wie zum Beispiel bezüglich der Sprachkenntnisse und im Hinblick auf Verhaltensschulungen, wird zukünftig verstärkt schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen stattfinden.“

Die zahlreich erschienenen Interessenten hatten viele Fragen an die Vertreter von Landesregierung, Landratsamt, Arbeitsagentur und Jobcenter. Foto: Roman Pfüller
Die zahlreich erschienenen Interessenten hatten viele Fragen an die Vertreter von Landesregierung, Landratsamt, Arbeitsagentur und Jobcenter. Foto: Roman Pfüller

Es wurde deutlich, dass in der Bevölkerung und bei interessierten Arbeitgebern sehr viel Aufklärungsbedarf besteht. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen verständlich erklärt und – wie es allem Anschein nach auch geplant ist – entsprechend angepasst und vereinfacht werden. Der scheinbare bürokratische Aufwand und das Nichtwissen hinsichtlich der Zuständigkeiten stellen für viele Arbeitgeber wie auch für die Flüchtlinge und Asylbewerber eine enorme Hürde dar. Hier können und müssen verstärkt solche Personalstellen der „Koordinatoren“ geschaffen werden, da die Arbeitsagentur und das Jobcenter aufgrund der Infrastruktur der Einrichtungen (Netz- und Datenbankanbindungen) einfach nicht in der Lage sind, außer Haus zu arbeiten.
Wer Fragen hat, sollte sich vertrauensvoll auch einfach an die entsprechenden Stellen des Landratsamtes und der Arbeitsagentur wenden. Viele Antworten und Hinweise finden Interessenten auch schon auf der Webseite des offiziellen Asyl-Portals des Freistaates Sachsen unter: www.asylinfo.sachsen.de.

An der Wand des Sitzungssaals waren zahlreiche Lebensläufe von arbeitswilligen Flüchtlingen und Asylbewerbern angebracht, sodass sich interessierte Arbeitgeber schon einmal informieren konnten. Foto: Roman Pfüller
An der Wand des Sitzungssaals waren zahlreiche Lebensläufe von arbeitswilligen Flüchtlingen und Asylbewerbern angebracht, sodass sich interessierte Arbeitgeber schon einmal informieren konnten. Foto: Roman Pfüller

„Fünf Jahre – drei Jahre für eine Ausbildung plus zwei Jahre Berufsleben – das sind fünf Jahre Planungssicherheit nach einer Aufenthaltserteilung“, so Petra Köpping. „Mehr Perspektive hat man doch auch bei einheimischen Azubis oder Angestellten nicht. – Nicht so viel Angst! Einfach mal anfangen und machen“, gab die Sächsische Staatsministerin den Anwesenden mit auf den Weg.
„Dankeschön für den warmen Empfang hier. Danke für Ihre Initiative und Ihre Hilfsbereitschaft. Und vielen herzlichen Dank vor allem für die Freundlichkeit und Offenheit, die die Leute hier aus Hainichen uns gegenüber zeigen“, bedankte sich Rhami, einer der anwesenden syrischen Flüchtlinge, im Namen aller seiner Freunde und Bekannten aus der Einrichtung in Hainichen.