Start Chemnitz Buchlust statt Virus-Frust
Artikel von: Judith Hauße
23.04.2020

Buchlust statt Virus-Frust

Ob analog oder digital – Das Lesen von Büchern eröffnet auch weiterhin Bildungsperspektiven. Fotos (2): pexels.com

E-Book oder lieber doch das handelsübliche Buch? Wie jedes Jahr stellt sich genau diese eine Frage rund um den UNESCO-Welttag des Buches, der traditionell am 23. April zelebriert wird. 2020 steht das Kopf an Kopf-Rennen zwischen digital und gedruckt allerdings unter einem etwas anderen Stern. Denn egal ob E-Book oder konventionelles Buch – beide Varianten sind in der aktuellen Situation eine beliebte Alternative:

Kino zu, Restaurants geschlossen und auf die geliebte Shoppingtour durch die Ladenzeile muss derzeit noch verzichtet werden. Genug Zeit also, um sich wieder mal einem Buch zu widmen. Zwar haben die Buchhandlungen und Bibliotheken ebenfalls geschlossen, doch auf Lesevergnügen muss dort dennoch nicht verzichtet werden.

Vor allem digitale Angebote machen sich in der Corona-Krise weitaus beliebt. Diese Erfahrung machen zurzeit Angela Malz, Direktorin der Universitätsbibliothek der TU Chemnitz sowie Elke Beer, Direktorin der Stadtbibliothek Chemnitz. Beide sagen aber auch, das handelsübliche Buch werde trotzdem von vielen vermisst. E-Book oder physisch greifbares Buch? In Zeiten wie diesen, macht der Streit mal eine Pause.

Zwar stieg der Umsatz mit E-Books laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergangenes Jahr mit rund 3,6 Millionen KäuferInnen um 0,6 Prozent leicht an. Andererseits seien aber auf dem Publikumsbuchmarkt nur 32,4 Millionen E-Books verkauft worden, 1,5 Prozent weniger als 2018. Und auch die Ausgaben pro Kopf sanken um 1,2 Prozent auf 56,32 Euro. In der Corona-Krise macht sich dennoch für viele Biblioteken die Erweiterung auf einen verstärkt modernen und vielfältigen Medienbestand bezahlt.

So auch in der Stadtbibliothek in Chemnitz. Allein in den März-Wochen haben sich mehr als 500 Chemnitzerinnen und Chemnitzer neu angemeldet, um die digitalen Angebote zu nutzen. Insgesamt wurden bisher mehr als 12.000 E-Medien entliehen, wie die Direktorin Elke Beer erzählt. „Wir versuchen gerade jetzt ein breites Angebot an E-Medien vorzuhalten. Aus diesem Grund haben wir im Monat März rund 1.200 neue E-Medien erworben“„ so Beer.

Dass E-Books aber nun die Gunst der Stunde nutzen, um das handelsübliche Buch zu verdrängen, daran glaubt Beer jedoch nicht. „Vielleicht hat das E-Book durch die Krise mehr Interessenten gefunden, die diese Form nun mit nutzen können und werden. Die meisten Nutzer werden aber auch weiterhin dem physischen Buch zugetan sein“, so Elke Beer, die vor allem das analoge Buch im Bereich der Leseförderung immer noch vorn sieht. „Viele Familien sehnen sich nach neuen Büchern für ihre Kinderzimmer. Es steht auch im Vordergrund, dass das Kind über den visuellen Anreiz des Buches zum Entdecken eingeladen wird. Ein ausgeschaltetes Tablet lädt da nicht so ein.“

Auch Angela Malz, Direktorin der Universitätsbibliothek der TU Chemnitz konnte in den vergangenen Wochen eine stark wachsende Nachfrage nach digitalen Medien beobachten, weswegen in der Universitätsbibliothek ebenfalls auf einen wachsenden Bestand an E-Medien gesetzt werde, wie Malz erklärt. Etwa 80 Prozent des Etats investieren wir in elektronische Angebote“, sagt sie, weiß aber ebenso wie Elke Beer, das physisch greifbare Buch werde dennoch vermisst. „Viele warten schon sehnsüchtig darauf, dass die Bibliothek wieder öffnen darf“, erklärt sie.

Besonders aber wird laut Malz der große Umzug in das Gebäude der neuen Universitätsbibliothek – die alte „Aktienspinnerei“ erwartet. Zuerst die Möbel, dann das 38 Kilometer Bibliotheks- und Archivgut. Und passend zum bevorstehenden Welttag des Buches laufen die Vorbereitungen für die finale Phase auf Hochtouren, wie Malz erklärt. „Im Moment gibt es noch Restbauarbeiten. Parallel dazu hat die Möblierung begonnen und ab Juni beginnt der gigantische Umzug der Bücher. Am 1.10. wollen wir die Bibliothek öffnen.“

Der Umzug in das neue Gebäude der Universitätsbibliothek der TU Chemnitz am Omnibusbahnhof geht in die finale Phase über: Inzwischen werden die ersten Regale angeliefert und aufgestellt. Foto: TU Chemnitz/M.Fejes

Das Buch hat schließlich auch in Corona-Zeiten seine Bedeutung nicht verloren. „Bücher können Freunde sein, über Einsamkeit hinweg trösten und helfen Probleme zu relativieren“, erklärt Elke Beer, die ebenso wie Angela Malz persönlich zum analogen Buch tendiert und den Austausch vermisst. „Zwar versuchen wir im Chemnitzer Bibliothekspodcast „BibCast“ mit Vorlesevideos über unseren Youtube-Kanal Ersatz für die Vorlesestunden in der Bibliothek zu schaffen, doch gerade die Interaktion und das gemeinsame Erleben mit Nutzern kommt zu kurz und ein ausschließlich digitales Leben macht unsere Gesellschaft ärmer und kälter.“ Gleichzeitig gibt sie aber auch zu bedenken: „Ob analog oder digital ist wohl vor allem eine Geschmackssache jedes einzelnen.“

Die Frage: „Wer war als erstes auf der Welt – das E-Book oder das gedruckte Buch?“ macht klar Letzteres für sich aus. Doch wie Elke Beer und Angela Malz es täglich in ihren Bibliotheken erfahren, haben beide Varianten nachwievor ihre Vor- und Nachteile. Wichtig ist und bleibt wohl, dass die Menschen sich auch in Krisenzeiten und darüber hinaus weiterhin auf Bücher egal welcher Art verlassen können. Klar ersetzt das eine das andere nicht. Doch während die Menschen aktuell auf Abstand gehen, rücken E-Books und konventionelle Bücher vielleicht wieder ein Stück zusammen.