Start Erzgebirge Bürokratie blockiert den Umweltschutz!
Artikel von: Sven Günther
06.11.2019

Bürokratie blockiert den Umweltschutz!

Marlies Müller ist eine der Mitarbeiterinnen von C.H.Müller in Heinsdorfergrund. Hier tagte zuletzt der vti. Foto: Nicole Schwalbe

vti tagt bei C.H.Müller

Heinsdorfergrund. „Der Branche steht die Bürokratie im Weg. Es gibt so viele Gesetze und Verordnungen, die bei der Verwertung und Wiederverwertung (Recycling) einzuhalten sind, dass wir in der Textil- und Bekleidungsbranche nicht einmal in der Lage sind, Altkleider zu recyceln, weil wir nicht nachweisen können, welche Chemikalien in Kleidungsstücken aus anderen Ländern bei der Herstellung verwendet wurden“, so Dr. Jenz Otto, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (vti). „Recycling ist umfangreich und die Forschung ist dran, sich auch um eine Verwertbarkeit von kaschierter, also verklebter Ware, zu kümmern“, sagte Bernd Gulich, Abteilungsleiter Vliesstoffe und Recycling des Sächsischen Textil Forschungsinstitutes (stfi).
Die Firma C.H. Müller produziert zu 90 Prozent unzerstörbare Stoffe für die Auskleidung von Autos, die natürlich den Anforderungen der Automobilbranche standhalten müssen. Aber wohin mit Abfällen, die allen Klima- und Haltbarkeitstests trotzen?
„Wir produzieren pro Woche mehrere Tonnen Abfall durch den Zuschnitt von kaschierten Verbundstoffen. Diese müssen entsorgt werden, weil man sie nicht wiederverwertet kann“, wirft Thomas Porst, Seniorchef der Firma C.H. Müller, beim 10. Branchentag der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, der in seinem Unternehmen stattfand, ein.
Das Thema wird besonders heiß diskutiert, da der ortsansässige Entsorger, die Glitzner Entsorgung GmbH, bereits zwei Großbrände zu verzeichnen hatte, den letzten in diesem Jahr. Das Textilunternehmen der Familie Porst wurde 1864 von Carl Heinrich Müller, ältester Sohn eines armen Webers, als Handweberei gegründet. Dieser überließ das wachsende Unternehmen seinen Söhnen, deren Schwiegersöhne allerdings in den Zwanziger Jahren aufgaben und das Unternehmen an den damaligen Teilhaber Hans Porst überschrieben. Die Firma C.H. Müller überstand zwei Weltkriege, die Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb (VEB) und schließlich die Rückübereignung im Jahre 1990. Von insgesamt etwa 300.000 Beschäftigten in der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie sind ganze 16.000 Mitarbeiter übrig geblieben.
Die heutigen Inhaber der Firma C.H. Müller, Thomas und Philipp Porst, haben derweilen nicht nur mit Fachkräftemangel zu kämpfen, sie sehen sich auch einer immer stärker werdenden Debatte zur Umweltpolitik ausgesetzt. „Leider ist es uns nicht einmal möglich, bereits recycelte Ware für die Herstellung unserer kaschierten Ware für die Automobilindustrie zu verwenden“, bedauert Porst. Zumal die Zulieferung von Materialien international durch ein externes Lieferantenmanagement vorgeschrieben wird, wie Annett Brückner, Bereichsleiterin im Produktcontrolling erklärte.
Die Branche hat allerdings nicht nur mit Umweltproblemen zu kämpfen, sondern spürt auch die Konjunkturflaute durch globale Zoll- und Handelskonflikte beziehungsweise durch Einbrüche in der Automobilindustrie. Neuer Hoffnungsträger ist der durch die E-Mobilität angeschobene Strukturwandel durch die Produktion von Elektroautos.sch