Start Chemnitzer verfallen nicht in Terror-Angst
Artikel von: Redaktion
14.10.2016

Chemnitzer verfallen nicht in Terror-Angst

Trotz massiver Polizeieinsätze wie hier im Yorkgebiet zeigen sich viele Chemnitzer erstaunlich sachlich und gefasst. Wir haben uns umgehört. Foto: Daniel Unger
Trotz massiver Polizeieinsätze wie hier im Yorkgebiet zeigen sich viele Chemnitzer erstaunlich sachlich und gefasst. Wir haben uns umgehört. Foto: Daniel Unger

Chemnitz. Trotz Antiterror-Einsatz und dem späteren Selbstmord des gesuchten al-Bakr verfallen die Chemnitzer nicht in Panik. Ihre Spuren haben die Ereignisse allerdings schon hinterlassen: „Man denkt immer der Terror ist so weit weg und plötzlich betrifft es einen selbst“, sagt eine Anwohnerin der Clausewitzstraße am Montag immer noch sichtlich erschüttert. Einen Tag vorher hatte ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei das Haus gestürmt hat. Ein lautes Geräusch schreckte sie auf. Als sie nachschauen wollte, hatte sie plötzlich die Wohnungseingangstür in der Hand. Diese war durch die Explosion heraus gefallen.

Einen Tag früher erging es Ingrid und Harro Saupe im Heckert-Gebiet ähnlich. Ihr Wohnhaus auf der Usti nad Labem wurde ebenfalls gestürmt, weil die Polizei hier den später in Leipzig gefassten Terrorverdächtigen al-Bakr vermutete, „Wir wohnen zwei Etagen darunter, aber wir kannten ihn nicht“, erzählen sie WochenENDspiegel. Weil das Landeskriminalamt noch Spuren sichern und zudem die durch die Sprengung verursachten Schäden beheben musste, konnten Saupes ein paar Tage nicht in ihre Wohnung. Erst am Dienstagmorgen kehrten sie zurück. Auch dem Ehepaar Saupe sitzt der Schreck noch in den Knochen, doch von Panik kann keine Rede sein. „Wir fühlen uns trotzdem in Chemnitz noch sicher, es passiert schließlich so viel auf der Welt“, sagen sie ziemlich gefasst.

Damit scheinen sie das allgemeine Gefühl vieler Menschen in der Stadt widerzuspiegeln. Von Massenpanik und Angst keine Spur. Das hatte sich auch am Montagabend zur Demo der Bürgerbewegung PRO CHEMNITZ gezeigt, der mit gerade mal 500 Menschen nur unwesentlich mehr als zu sonstigen Veranstaltungen der Bewegung folgten (mehr dazu unter https://www.regionalspiegel-sachsen.de/nur-500-menschen-kommen-zu-demo-gegen-terror/).

Blieb also ganz harmlos und ohne Auswirkungen in Chemnitz? Ganz so ist es auch nicht. „Mit Sicherheit hat das hier nichts mehr zutun. Wir fühlen uns sehr unsicher, nachdem die Ereignisse passiert sind“, sagen drei Damen an der Clausewitzstraße gegenüber WochenENDspiegel. Für ein Foto seien sie nicht bereit. „Wir haben Angst zusammen geschlagen zu werden.“ Einige andere äußerten sich hingehen auch öffentlich:

harro-saupe-und-ingrid-saupe_heckertIngrid und Harro Saupe, Ehepaar und Bewohner des betroffenen Hauses in der Usti nad Labem Str. 97:
Wir sind nicht groß erschüttert, aber dennoch möchten wir es nicht nochmal erleben. Wir fühlen uns trotzdem in Chemnitz noch sicher, es passiert schließlich so viel auf der Welt. Man hofft  zwar immer, dass es nicht zu uns kommt und jetzt war es so und man kann es nicht ändern. Wir akzeptieren die Situation. Die betroffene Wohnung befindet sich zwei Etagen über uns aber wir bleiben auf jedenfall hier wohnen.

 

 

c-landrock-buergerinCindy Landrock ,Bürgerin der Stadt Chemnitz:
Sicherlich nimmt man jetzt das Thema Terror realer wahr, weil es jetzt in unmittelbarer Nähe passiert ist. Angst aber in dem Sinne hab ich nicht, einfach aus dem Grund, weil es überall passieren kann. Ich fühle mich sicher und bin was dieses Thema betrifft sehr entspannt, denn wenn es danach geht, könnte man sich nirgendswo auf der Welt mehr sicher fühlen. Trotzdem war es für mich ein großer Schock, als ich davon in den Medien erfahren habe und hoffe, dass man das so schnell nicht wieder erlebt.

 

fr-sonnenbe_clausewitzstrFrau Sonntag, Anwohnerin des betroffenen Hauses auf der Clausewitzstraße 1:
Man denkt immer der Terror ist so weit weg und plötzlich betrifft es einen selbst. Ich bin Mieterin der nebenliegenden Wohnung, die am Sonntag gestürmt wurde. Ich habe den Einsatz der Polizei gar nicht  richtig mitbekommen, wir wurden nicht informiert. Ich hörte ein Gepolter im Haus. In dem Moment, als ich im Haus nachsehen wollte, was für ein Geräusch das war, hatte ich auf einmal die Wohnungseingangstür in der Hand. Sie fiel aufgrund der Explosion heraus.

 

 

saiedSaied Mehnert, Bürger von Chemnitz:
Ich habe keine Angst. Ich habe mich bis jetzt hier in Chemnitz sicher gefühlt und fühle ich mich weiterhin sicher.
Man muss hier  keine Schwäche zeigen. Ich hoffe bloß, dass Rechtsradikale es nicht zu ihren Gunsten nutzen. Man sollte nicht vergessen, das es sich hier um  einen Einzeltäter handelt. Wir zusammen – also Deutsche und nicht deutsche Bürger – müssen gegen Terroristen vorgehen. Man muss sich aber trotzdem gegenseitig akzeptieren und tolerieren.