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Artikel von: Redaktion
28.10.2015

Chemnitztalviadukt: Knackpunkt Denkmalschutz

Erhalt oder Neubau - die Diskussionen um das Chemnitztalviadukt reißen nicht ab. Viele möchten die Brücke über die Annaberger als Wahrzeichen erhalten. Foto: Montage/bit/ Krebs und Kiefer GmbH
Erhalt oder Neubau – die Diskussionen um das Chemnitztalviadukt reißen nicht ab. Viele möchten die Brücke über die Annaberger als Wahrzeichen erhalten. Foto: Montage/bit/ Krebs und Kiefer GmbH

Chemnitz. Am kommenden Dienstag, 18 Uhr, will die Bahn im Zentralen TU-Hörsaalgebäude an der Reichenhainer Straße noch einmal über die Baumaßnahmen am so genannten Chemnitzer Bahnbogen informieren.

Vorgestellt werden der aktuelle Planungsstand sowie die Ergebnisse aus der Öffentlichen Sitzung des Planungs-, Bau – und Umweltausschusses am 23.Juni, wie es auf WochenENDspiegel-Nachfrage hieß.

Gesprächspartner seien „Vertreter des Vorhabenträgers sowie beteiligte Gutachter und Fachexperten“. Unter anderem würden Ingo Buhlke, Leiter Großprojekte Südost der DB Netz AG, und Lutz Buchmann, Projektleiter bei der DB Netz AG, teilnehmen.

Dem Vernehmen nach soll danach das längst überfällige Planfeststellungsverfahren für den Chemnitzer Bahnbogen beantragt werden. In die 2,8 Kilometer will die DB AG 95 Millionen Euro investieren.

War im Februar 2014 noch von einer Fertigstellung 2020 die Rede, wurde zuletzt 2022 gehandelt. Knackpunkt ist das Chemnitztalviadukt, eine genietete Stahlfachwerkkonstruktion mit hohem Denkmal- und Seltenheitswert, die durch einen Neubau ersetzt werden sollte.

„Die Stadt ist in die Infoveranstaltung nicht involviert“, sagt der Chemnitzer Tiefbauamtsleiter Bernd Gregorzyk.

Auch der Cottbusser Professor für Bautechnikgeschichte Werner Lorenz, der mehrfach Alternativlösungen zum Abriss des Viadukts anregte und einer früheren Expertenrunde angehörte, ist aktuell nicht einbezogen.

„Ich nehme an, die Bahn präsentiert ein Gutachten. Was immer dabei herauskommt – es wird spannend“, sagt Lorenz.

Gutachten in Bezug auf das Viadukt sind ein sensibles Thema. Um die Jahrtausendwende wurde der damals knapp 100 Jahre alten Brücke keine lange Lebensdauer mehr attestiert, deshalb schrieben Bahn und Stadt einen Wettbewerb für einen Neubau aus.

Nach dem 2003 gekürten Siegerentwurf eines Darmstädter Büros sollte eine neue Stahlbogenbrücke gebaut werden. Später wurden die Infrastrukturinvestitionen des Bundes gekürzt und das Vorhaben lag auf Eis.

Etwa 2008 verkündete die Bahn, laut einer neuen Studie könne das Viadukt weiter genutzt werden.
Nach dem Umbau des Bahnknotens Chemnitz rückte vor zwei Jahren der letzte unsanierte Abschnitt der Sachsen-Franken-Magistrale zwischen Hauptbahnhof und Kappel wieder in den Blickpunkt.

Dabei war der Neubau der Brücke schon fast beschlossene Sache, doch in der Stadt regte sich heftiger Widerstand bis hin zu Petitionen und der Gründung einer Bürgerinitiative für den Erhalt des stadtbildprägenden Bauwerks. Wieder ließ der Bauherr Gutachten anfertigen.

Dass daran ein Stahlbauprofessor beteiligt war, der auch Geschäftsführer der Darmstädter Ingenieurgesellschaft ist, hatte nicht nur für den Viadukt e.V. einen faden Beigeschmack.

Seit 1902 sorgt das Chemnitztalviadukt für einen fließenden Eisenbahnverkehr in und durch Chemnitz. Nun wird diskutiert, ob die alte Stahlkonstruktion durch eine neue ersetzt werden soll. Foto: Archiv
Seit 1902 sorgt das Chemnitztalviadukt für einen fließenden Eisenbahnverkehr in und durch Chemnitz. Nun wird diskutiert, ob die alte Stahlkonstruktion durch eine neue ersetzt werden soll. Foto: Archiv

Das Fazit gegenüber dem Planungsausschuss und damit letzter öffentlich bekannter Stand: Der mit 12,3 Millionen Euro veranschlagte Neubau ist eine mit dem Stadtbild verträgliche Lösung und birgt relativ wenig Risiken.

Eine dem Denkmalschutz gerecht werdende Sanierung ist ebenfalls möglich, soll aber 20,2 Millionen Euro kosten. Besagter Professor Lorenz, der u. a. günstige Lösungen für die Sanierung einer Berliner U-Bahn-Hochstrecke erarbeitete, hielt die Baukosten für zu niedrig und die Sanierungskosten für zu hoch angesetzt. Er regte deshalb ein weiteres, unabhängiges Gutachten an, das die Denkmalaspekte berücksichtigen soll.

Die DB AG ist als Eigentümerin zum Erhalt von Denkmalen verpflichtet. Gleichzeitig beruft sie sich darauf, mit den ihr zur Verfügung gestellten Bundesmitteln sparsam umgehen zu müssen.

WochenENDspiegel hat die drei Chemnitzer Bundestagsabgeordneten gefragt: Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie finanziell mit darüber befinden müssten, ob die DB AG als eine faktische Tochter des Bundes das denkmalgeschützte Chemnitztalviadukt neu bauen oder sanieren soll?

Frank Heinrich (CDU):

Wenn das Kostenverhältnis tatsächlich so ist, muss ich zur günstigeren Lösung tendieren. Das ist mein Auftrag. Da dass das Viadukt eng mit Chemnitzer Industriegeschichte und Identität verbunden ist, tendiere ich dazu, dass unter Berücksichtigung von Kosten und Bewertung anderer Vorhaben das Chemnitzer Projekt finanziert wird. Wenn Sanierung und Neubau annähernd gleich viel kosten oder sich nur gering unterscheiden, bin ich eindeutig für Erhalt.

Michael Leutert (Die Linke):

Ich verfolge die Debatte seit Beginn. Meine Priorität liegt auf dem Erhalt des historischen Viadukts, solange die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Ich stehe in der Frage auch in Austausch mit unserer Stadtratsfraktion.

Detlef Müller (SPD):

Ich habe mich bereits als Stadtrat  und Fraktionsvorsitzender deutlich geäußert, dass das Viadukt erhalten bleiben muss. Auf Ihre Frage bezogen, würde ich mich dafür einsetzen, dass sich der Bund über Denkmalpflegemittel an der Sanierung beteiligt. Die Angaben zu den Kosten ändern sich allerdings laufend.

Von Gisela Bauer