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Artikel von: Redaktion
05.11.2015

Chemnitztalviadukt wankt schon

Rund 150 Interessenten besuchten die Informationsveranstaltung der Deutschen Bahn im Hörsaalgebäude der TU Chemnitz. Foto: bit
Rund 150 Interessenten besuchten die Informationsveranstaltung der Deutschen Bahn im Hörsaalgebäude der TU Chemnitz. Foto: bit

Die dritte Infoveranstaltung zum Chemnitzer Bahnbogen am Dienstag brachte nichts Neues. Die DB Netz AG geht mit der Absicht zum Neubau des Chemnitztalviadukts (s. WochenENDspiegel vom 30. Oktober) in das Planfeststellungsverfahren. Es soll noch dieses Jahr beim Eisenbahnbundesamt beantragt werden.

Die Bahn weiß schon jetzt, dass ihr während der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Öffentlichkeit heftiger Gegenwind ins Gesicht blasen wird, denn sehr viele Menschen wollen den Neubau nicht.

Für sie ist die mehr als 100 Jahre alte Brücke über Annaberger Straße, Chemnitzfluss und Beckerstraße ein Zeugnis der Industrialisierung, identitätsstiftender Teil des Stadtbilds und hervorragendes Denkmal der Ingenieurskunst von überregionaler Bedeutung.

Ingo Buhlke, Leiter Großprojekte Südost der DB Netz AG, sagt zwar: “Wir nehmen den Gegenwind ernst.”

Gleichwohl sähe sich sein Unternehmen gewappnet, den Weg so zu beschreiten. Im Vorfeld seien alle Möglichkeiten geprüft und analysiert worden und hätten zu dieser Entscheidung geführt.

Dem dritten Bürgerforum zum Bauvorhaben vorangegangen war eine neuerliche Bewertung von Neubau- und Sanierungsvariante des Viadukts durch zwei Ingenieurbüros, nachdem der Dissens zu Kosten und Leistungsumfang beider Varianten in der vorherigen Expertenrunde nicht aufgelöst werden konnte. Die Büro-Vertreter bestätigten am Dienstag im Wesentlichen die bisherigen Erkenntnisse:

Die Sanierung der Brücke ist technisch möglich und die in der Vorplanung ermittelte Kostenschätzung um die 20 Millionen Euro realistisch. Eine Spreizung von 20 bis 30 Prozent sei durch den tatsächlichen Bauablauf möglich.

Die Neubau-Technologie ist ebenfalls in Ordnung, die bisher mit 12,3 Millionen Euro angesetzten Kosten verteuerten sich durch Mehraufwand bei Stahlbeton um etwa eine halbe Million Euro.

Wie Buhlke und der Projektleiter für die Sachsen-Franken-Magistrale, Lutz Buchmann, mehrfach betonten, seien die Baukosten nicht der Grund für die Neubau-Entscheidung gewesen. Diesen blieben sie den zahlreich erschienenen Befürwortern der alten Brücke letztlich schuldig, argumentierten  u. a. mit dem Unterhaltungsaufwand für die Zukunft, der bei einem Neubau deutlich geringer sei.

Der Denkmalstatus spielte offenbar keine Rolle. Michael Streetz vom Landesamt für Denkmalpflege verwies darauf, dass seine Behörde bereits nach dem Gestaltungswettbewerb von 2002/03 signalisiert hatte, dem Siegerentwurf aufgrund des Denkmalwertes der alten Brücke nicht zuzustimmen, aqber nie in die Planungen einbezogen worden sei.

FDP-Stadtrat Dieter Füsslein rückte zudem die Bahn-Darstellung zurecht, dass der Stadtrat die jüngsten Gutachten in Auftrag gegeben habe.

„Der Planungsausschuss empfahl im Juni die Erhaltung der Brücke“, sagte Füsslein.

Der Cottbusser Bautechnikgeschichte-Professor Werner Lorenz hält seine Argumente für eine kostengünstigere Sanierung und zum verpflichtenden Erhalt von Denkmalen von der Bahn nach wie vor für nicht berücksichtigt.

„Schreiben Sie an Ihren Ministerpräsidenten“, rät er den Chemnitzern jetzt zur politischen Einflussnahme.

Landtagsabgeordneter Peter Wilhelm Patt (CDU) will zunächst den Konsens mit der Oberbürgermeisterin erreichen und dann den Vorstoß bei der Landesregierung wagen.

Immerhin räumt auch Ingo Buhlke ein: „Der öffentliche Beteiligungsprozess geht jetzt erst richtig los.“

ela