Start Vogtland Corona: Massenentlassungen im Handwerk?
Artikel von: Sven Günther
08.04.2020

Corona: Massenentlassungen im Handwerk?

Die Handwerkskammern schlagen Alarm! Der Branche, die 300.000 Menschen beschäftigt, droht nach Ostern eine Flut von Insolvenzen. Jetzt soll der Freistaat helfen.

Drohen im Handwerk Massenentlassungen?

Region. Wenn es sie nicht gäbe, wäre Schicht im Schacht! Rund 300.000 Menschen sind in Sachsen in 56.650 Handwerkbetrieben beschäftig: Bäcker, Fleischer, Maler, Maurer. Die Corona-Krise trifft auch diese Branche hat.

Die Präsidenten der sächsischen Handwerkskammern schrieben jetzt einen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer und Wirtschaftminister Martin Dulig. Inhalt: “Wir brauchen dringend Hilfe”

„Die aktuelle Lage von tausenden Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten ist weiterhin außerordentlich kritisch“, so die Handwerkskammern. Demnach drohe sich die Lage für zahlreiche Unternehmen „nach Ostern massiv zu verschärfen. Es drohen Massenentlassungen und Insolvenzen.“ Außer im Freistaat Sachsen habe sich fast überall die Erkenntnis durchgesetzt, „dass die durch staatlich angeordnete Maßnahmen verursachten Kosten nicht den Unternehmern allein angelastet und durch Kredite finanziert werden können.“

Im Brief an die sächsische Landesregierung heißt es weiter:

“Die Mehrzahl der anderen Bundesländer hat von Beginn der Krise an auf die Bereitstellung von Liquiditätszuschüssen für die Unternehmen gesetzt. Die Unzufriedenheit und die Unruhe in den betroffenen sächsischen Handwerksunternehmen steigen hingegen massiv an. Insbeson-dere Betriebe in unmittelbarer Nähe zu Brandenburg, Thüringen, Sachsen-An-halt und Bayern sehen sich benachteiligt. Außer in Sachsen hat sich überall die Erkenntnis durchgesetzt, dass die durch staatlich angeordnete Maßnah-men verursachten Kosten nicht den Unternehmern allein angelastet und durch Kredite finanziert werden können.

Mit Blick auf die in dieser Woche anstehende Sitzung des Sächsischen Land-tages fordert das sächsische Handwerk von der Staatsregierung die Schaffung eines adäquaten Zuschussprogrammes, das vergleichbar zu den Regelungen in den benachbarten Bundesländern ist. Begünstigt werden müssen nicht alle, sondern die Betriebe, die auf Grund der Allgemeinverfügung schlie-ßen mussten oder massiven Einschränkungen in ihrer Tätigkeit unterliegen.

Es besteht die Gefahr, dass diese Unternehmen bei weiterem Hinauszögern einer Unterstützung diese Unternehmen in eine irreparable Liquiditätsklemme geraten

Eine Forderung, die aktuelle Umfragen belegen.

Die Umfrage wurde vom 23. bis zum 25. März 2020 durchgeführt. Insgesamt haben sich 204 Betriebe aus dem Kammerbezirk Chemnitz an der Befragung beteiligt.

Der erste Einblick in die Lage zeigt, dass annähernd neun von zehn der befragten Betriebe (87 Prozent) von Umsatzrückgängen betroffen sind. Über alle Handwerke im Kammerbezirk Chemnitz sind die Umsätze der Betriebe dabei um durchschnittlich 60 Prozent zurückgegangen.

In den einzelnen Handwerksbranchen ist das Bild etwas differenzierter: Am häufigsten von Umsatzeinbrüchen betroffen sind die Gesundheits- und die personenbezogenen Dienstleistungshandwerke. Die Umsatzrückgänge im Gesundheitshandwerk betragen 76 Prozent, im personenbezogenen Dienstleistungshandwerk sogar mehr als 90 Prozent. Aber auch die Kfz-Betriebe sind mangels Handel und Zurückhaltung der Kunden im Werkstattbereich stark betroffen.

Der Auftragsbestand der Betriebe hat sich stark verringert – im Gesamthandwerk liegt die Quote der stornierten Aufträge aktuell bei 48 Prozent, insgesamt berichten 62 Prozent der Betriebe von Stornierungen.

Aktuell sind 34 Prozent der Betriebe im Kammerbezirk Chemnitz von einem coronabedingten Personalausfall betroffen, womit im Gesamthandwerk durchschnittlich jeder dritte Mitarbeiter ausfällt. Aktuell sind von fehlendem Material bzw. Vorprodukten 28 Prozent der Betriebe betroffen.

Von den behördlich angeordneten Betriebsschließungen sind vor allem die Gewerke mit Ladenlokal betroffen. Im Gesamthandwerk erreicht der Anteil dieser Betriebe bereits 28 Prozent und dürfte weiter zunehmen. Besonders Besonders betroffen sind die personenbezogenen Dienstleister im Handwerk, wie beispielsweise Friseure und Kosmetiker, die aufgrund der Öffnungsverbote allumfänglich geschlossen bleiben müssen.

Handwerkskammer-Präsident Frank Wagner zu den Zahlen und der ersten Bestandsaufnahme: „Die Ergebnisse der Umfrage und die vielen persönlichen Beratungen von Firmen in der letzten Woche lassen eines immer klarer werden: Wir brauchen in Sachsen nicht nur Darlehensprogramme sondern für Betriebe mit mehr als zehn und unter 250 Mitarbeitern auch finanzielle Zuschüsse!

Um die Liquidität der betroffenen Unternehmen noch weiter zu erhöhen fordern wir darüber hinaus die Ausweitung der Antragsberechtigten für das sächsische Soforthilfe-Darlehen, die Anpassung des Kurzarbeitergelds mit Blick auf die Auszubildenden, die sofortige Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge und die Aussetzung der Steuervorauszahlungen für die nächsten zwölf Wochen für alle Betriebe.

Zudem möchten wir anregen, die offenkundige Unabkömmlichkeit vieler Gewerke auch anhand der Einstufung in die Kategorie der Systemrelevanz sichtbar zu machen, wenn diese zwingend für die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur (KRITIS) benötigt werden.“

Den Brief an Ministerpräsident und Wirtschaftsminister finden Sie hier.

Offener Brief