Start Erzgebirge Da kommen Sie nie drauf
Artikel von: Sven Günther
17.03.2023

Da kommen Sie nie drauf

Judith Damm an ihrem Arbeitsplatz, an dem sie den Tagen mehr Leben schenkt.
Judith Damm an ihrem Arbeitsplatz, an dem sie den Tagen mehr Leben schenkt. Foto: Sven Günther

Neue Palliativstation im Erzgebirgsklinikum

Von Sven Günther
Annaberg-Buchholz. Judith Damm sitzt vor der Kamera und lächelt. Rote Haare, perfektes Make-up, die Unterarme tätowiert. Sie trägt einen goldenen Ring in der Nase, mehrere davon in den Ohren. Wir sehen eine junge, lebenslustige Frau an ihrem Arbeitsplatz.
Wenn man das Foto genau betrachtet, bemerkt man eine lichtdurchflutetes Zimmer, helle Farben und Blumen auf dem Tisch. Es gibt Sessel, ein Sofa und auch das sympathische Lächeln von Judith Damm passt ins Ambiente. Und doch sitzt sie in einem Raum, in dem mehr Tränen fließen als gelacht wird.

Judith
Damm ist die Psychologin (Master of Scienes) der Palliativ-Station im Erzgebirgsklinikum

„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Cicely Saunders

Neue Palliativstation

Es ist ein Paradigmenwechsel. Werden Patienten in Krankenhäusern im Normalfall geheilt, werden sie auf einer Palliativstation begleitet.
340 dieser Stationen, die von der englischen Ärztin Cicely Saunders ins Leben gerufen worden, gibt es in Deutschland.

Seit Oktober befindet sich eine davon im Erzgebirgsklinikum. Nachdem sich die Abläufe eingespielt haben, wurde die Palliativstation vor wenigen Tagen mit einer kleinen Veranstaltung offiziell eröffnet. Man vernahm hoffnungmachende Worte, sah lächelnde Gesichter und hörte Lieder, die von Luise Egermann gefühlvoll gespielt wurden. Sekt, Saft und Häppchen wurden gereicht. Passt das an einen Ort, an dem die Traurigkeit zu Hause ist.

„Ja“, sagt Judith Damm überzeugt. Die junge Frau ist die Psychologin (Master of Scienes) der Palliativ-Station, neben Ärzten und Krankenschwestern für die sechs Patienten da. Sie erklärt: „Wir sagen hier Ja zum Leben, auch wenn wir oft Menschen behandeln, für die es keinen Ausweg mehr gibt. Es ist unsere Aufgabe, die Symptome zu lindern, Ängste zu nehmen und die Zeit für die Menschen möglichst wertvoll zu gestalten.“

Den Tagen mehr Leben schenken

Schon seit 2017 gibt es im Erzgebirgsklinikum, vorangetrieben von Dr. Edmunte Brantz, den Gedanken, eine Palliativstation zu eröffnen. „Damals hatten wir Platz für einen Patienten“, erinnert sich Chefarzt Dr. Ronny Frey.
„Im gesamten Jahr 2017 haben wir 22 Patienten palliativ begleitet und schnell festgestellt, dass die Kapazitäten auf einer normalen Station für eine so intensive Betreuung nicht vorhanden sind.“ Die konkreten Planungen für die Station begannen 2020, in den Jahren 2021 und 2022 wurde gebaut, im Herbst eröffnet.

Initiative der Mitarbeiter

Marcel Koch, Geschäftsführer der Krankenhaus-Gesundheitsholding Erzgebirge: „Es war in erster Linie das Interesse unserer Mitarbeiter, ihr Wunsch, eine solche Station im Haus zu haben, das für die Realisierung ursächlich war. Jetzt können wir den betroffenen Patienten die Würde geben, die sie verdient haben, können den Angehörigen Raum bieten, nah bei Ihren Liebsten zu sein.“

Oberärztin Dr. Undine Fuchs ergänzt: „Die Palliativstation ist kein Hospiz. Es geht darum, die Patienten zu verstehen, offen über Prognosen zu sprechen und sie so zu stabilisieren, dass eine sinnvolle Therapie möglich ist. Wir sagen JA zum Leben und lehnen deshalb Sterbehilfe auch kategorisch ab.“

JA zum Leben

So sieht es auch Judith Damm, die während der Corona-Pandemie von der Psychiatrie auf die Palliativ-Station wechselte. „Natürlich gibt es auch Fälle, die einen emotional belastet, die man gedanklich mit heim nimmt“, sagt sie und schaut sich in einem der lichtdurchfluteten Patientenzimmer um. „Aber wir tun alles dafür, dass wir uns so ausführlich wie nur möglich um jeden Erkrankten kümmern können, uns genug Zeit für Behandlung und Gespräche nehmen.“

Das Team der Palliativstation im Erzgebirgsklinikum, Haus Annaberg-Buchholz
Das Team der Palliativstation im Erzgebirgsklinikum, Haus Annaberg-Buchholz. Foto: Dirk Rückschloß

Ein Beruf als Berufung

Sogar die Zimmer selbst wurden von den Mitarbeitern farblich gestaltet und freundlich eingerichtet. Judith Damm: „Da steckt viel Herzblut von uns allen drin.“ Die Psychologin absolviert jetzt – wie ihre Kollegen auch – eine Zusatzausbildung zur Palliativbegleiterin.
Denn auf der neuen Station im Erzgebirgsklinikum gilt die Maxime: Den Tagen mehr Leben schenken.

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