Start Zwickau Damals und heute: Kinderheim feiert 70-jähriges Bestehen
Artikel von: Redaktion
13.09.2019

Damals und heute: Kinderheim feiert 70-jähriges Bestehen

Joachim Dikmayer ist in diesen Tagen in sein jugendliches Zuhause nach Crimmitschau gekommen und teilte mit der heutigen Einrichtungsleiterin Sonja Dietrich Erinnerungen an seine Zeit. In diesen Tagen wird zudem der Gartenbereich erneuert, auf der er auch auls Kind auf dem Foto zu sehen ist. Foto: Alice Jagals, Privat-Archiv J. Dikmayer

Crimmitschau. Rund 1.600 Kinder wurden in den vergangenen 70 Jahren im Kinder- und Jugendheim der Kinderarche in Crimmitschau betreut. Eines von ihnen war Joachim Dikmayer. Der heute 62-Jährige lebte von 1969 bis 1976 im Kinderheim an der Westbergstraße und erinnert sich noch heute gern an diese Zeit zurück. Selbst seinen Kindern hat der längst in Berlin lebende seinen Jugendort gezeigt. Und so ist es für ihn eine Freude, anlässlich des 70-jährigen Bestehens, der Einladung der heutigen Erzieher zu folgen und aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Joachim Dikmayer gemeinsam mit Einrichtungsleiterin Sonja Dietrich.. Foto: Alice Jagals

Eine wahre Geschichte
Joachim Dikmayer war 13 Jahre als er von seinem Heimatort Johanngeorgenstadt nach Crimmitschau gebracht wurde. Seine Mutter verstarb an Krebs und er und seine Geschwister wurden aufgeteilt. „In der Zeit war es ziemlich durcheinander. Daher war es dann ein ganz anderes, aber schönes Gefühl, wieder mit Regeln und einem geordneten Tagesablauf aufzuwachsen“, sagt er. Der leibliche Vater kam nur ab und zu vorbeigeschaut, „aber die Erzieher erkannten, dass er mich nur aus Geldgründen zu sich holen wollte.“

Alltag im Kinderheim
So wurden zu dieser Zeit über 100 Kinder von 25 Erziehern betreut. Darunter war

Das Kinderheim in den 1970er Jahren. Foto: Privatarchiv J. Dikmayer

sogar ein Mann und das war zur damaligen Zeit eher selten. Zum Vergleich: Heute leben 39 Kinder mit 30 Erziehern zusammen. „Früher war freitags immer baden angesagt“, erinnert sich Dikmayer. Das musste bei so vielen Kindern natürlich schnell gehen. Jedes Kind hatte ein Fach mit seinen zusammengerollten und mit Namen versehenen Waschutensilien. Gegessen und gelernt wurden ebenfalls gemeinschaftlich. Geschlafen wurde damals noch in Gemeinschaftsräumen mit jeweils 10 bis 15 Kindern. Später hatte er ein eigenes Zimmer „und da drin habe ich vor allem gelernt”, erinnert er sich. Schließlich schaffte es der einst mittelmäßige Schüler noch bis zum Abitur und absolvierte eine Schlosser-Ausbildung im Ernst-Grube-Werk. Und der Junge hat auch gespart, gespart für ein Fahrrad. Kaum hatte er ein altes abgekauft, wurde gemeinsam mit dem Erzieher daran herumgeschraubt. Und so war Joachim Dikmayer ab 1972 im Straßenrennsport integriert. Doch nicht nur dort: Er organisierte auch Veranstaltungen im Jugendclub in Rudelswalde.

Verschiedene Hintergründe
„Es gibt ganz verschiedene Gründe, weshalb die Kinder zu uns kommen“, sagt Leiterin Sonja Dietrich. „Daher ist es ganz fatal, wenn Erwachsene den Kindern ‚mit dem Heim‘ drohen, wenn sie etwas ausgeheckt haben“, sagt sie. So können Eltern nicht immer für ihre Kinder sorgen, weil sie eigene Probleme haben oder weil ihnen eine schwere Krankheit ein normales Leben für eine gewisse Zeit nicht ermöglicht. Selten tritt der Fall ein, dass Kinder als Waisen in ein Heim kommen. „Und wichtig ist uns immer auch eine Rückführung ins Elternhaus.“ Doch die gelingt nicht immer.

Wie alles begann
Das Kinderheim wurde 1949 unter dem Namen „Edgar André“ gegründet, weil es viele elternlose Kriegskinder gab und eine Notunterkunft nicht mehr ausreichte. Zu Beginn zogen etwa 30 Vorschulkinder in das Haus in die Straße der Jugend 10, der heutigen Lindenstraße.

Joachim Dikmayer mit seinem zusammengesprten und zusammengebauten Diamant-Fahrrad. Foto: privat

70 Jahre – Es wird gefeiert
Das Jubiläum wird in diesen Tagen mehrfach gefeiert. Den Auftakt bildete der kürzlich statt gefundene Archelauf, bei dem 980 Euro zusammen kamen. Am gestrigen Donnerstag gab es ein Kinderfest und am heutigen Freitag wartet ein Nachbarschaftstreffen ab 17 Uhr auf die Anwohner.

Den krönenden Abschluss bilden ein Kaffeetrinken mit ehemaligen Mitarbeitern (25. September) und ein Treffen mit ehemaligen Bewohnern (28. September).

Für das Ehemaligen-Treffen wurden gerade einmal 120 Leute angeschrieben, „mehr Adressen haben wir nicht mehr“, sagt Sonja Dietrich, die seit 1992 die Geschicke in Crimmitschau leitet. „Wir hoffen also, dass viele noch untereinander vernetzt sind und sich viele hier wieder einfinden. Das wird ganz sicher klasse.“

Joachim Dikmayer: Und dann?
Nach seinem Auszug aus der Kinder- und Jugendheim  studierte Dikmayer Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und Sozialarbeiter an der Kant-Akademie und Fachhochschule Potsdam. Seit 1990 arbeitet der heute 62-Jährige beim Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf, zunächst in der Sozialverwaltung, ab 1996 im Jugendamt. Seit 1992 betreibt er in Berlin-Mitte eine Galerie für zeitgenössische Kunst.