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Artikel von: Sven Günther
31.07.2017

Das fordern die Handwerker von der Politik

Seit November 2016 Präsident der Handwerkskammer Chemnitz: Diplom-Ingenieur für Ingenieurbau Frank Wagner. Foto: Foto Studio West/HWK

Frank Wagner, der Präsident der Handwerkskammer Chemnitz, gab der Deutschen Handwerks Zeitung ein Interview, das www.wochenendspiegel.de veröffentlicht.

Frank Wagner ist Diplom-Ingenieur für Ingenieurbau und führt ein Bauunternehmen in Wechselburg. Der am 25. März 1959 in Penig geborene Handwerker ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist seit 2006 ordentliches Vollversammlungsmitglied und Vorstandsmitglied. Seit 2011 war er Vizepräsident der Arbeitgeberseite der Handwerkskammer Chemnitz.
Von 1997 an bis heute wirkt er als Innungsobermeister bzw. Vorstandsmitglied in der Bauinnung Mittweida. Frank Wagner ist vereidigter und öffentlich bestellter Sachverständiger für das Maurer- und Betonbauerhandwerk und engagiert sich im Gemeinderat der Gemeinde Wechselburg.

DHZ: Herr Wagner, mit welchem Gefühl gehen Sie in den Sommer?
Frank Wagner: Nicht mit einem Gefühl, sondern mit einer Gewissheit: Nämlich, dass es dem Handwerk gutgeht. Nicht in jeder Gemeinde und nicht in jedem Gewerk. Aber das Handwerk hat größtenteils Auftragsbücher, die so voll sind wie lange nicht. Die gestiegene Binnennachfrage und niedrige Zinsen, aber auch hervorragend aufgestellte Betriebe sind der Grund dafür.

DHZ: Also alles gut?
Wagner: Wir wären als Handwerksorganisation schlecht beraten, wenn wir nicht auch die negativen Punkte benennen würden: Der Bürokratieabbau ist in der vergangenen Legislaturperiode nicht vorangekommen, Stichwort Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge
und Dokumentationspflichten.
Auf europäischer Ebene haben wir zwar bei der Dienstleistungsrichtlinie Teilerfolge errungen, aber wir müssen sehr aufmerksam bleiben, ob die EU-Kommission nicht doch mal wieder Hand an die Meisterpflicht legt.

DHZ: Im Herbst sind Bundestagswahlen. Mit welchen Forderungen geht das Handwerk an den Start?
Wagner: Über den Zentralverband des Deutschen Handwerks und den Sächsischen Handwerkstag arbeiten wir unter anderem für diese Punkte:
Wir wollen eine Rentenversicherungspflicht für alle selbständigen Handwerker – mit Wahlfreiheit zwischen privater und staatlicher Vorsorge.
Wir wollen eine differenzierte Diskussion der Luftreinhaltepolitik. Wenn die Autoindustrie schummelt, können nicht die Handwerker mit ihren Nutzfahrzeugen bestraft werden.
Bei der Infrastruktur fordern wir insbesondere eine bessere überregionale Bahnanbindung von Chemnitz.
Wir fordern den Ausbau des schnellen Internets.
Und wir wollen, dass die öffentliche Hand bei Baumaßnahmen wieder stärker als Bauherr auftritt. Für uns geht es auch darum, dass Lose bei Großprojekten so zugeschnitten werden, dass sich Handwerksunternehmen an den Ausschreibungen beteiligen können.

DHZ: Zurzeit sind Sommerferien in Sachsen. Was raten Sie Schülerinnen und Schülern?
Wagner: Für Ratschläge an die Schüler bin ich nicht zuständig. Aber dafür, immer wieder die Einladung ins Handwerk auszusprechen. Wir
sind mit unseren mehr als 130 Ausbildungsberufen so vielschichtig wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich. Leider hat sich noch nicht
überall herumgesprochen, dass leistungsstarke Lehrlinge ihre Ausbildungszeit verkürzen und sich schon während der Ausbildung weiterbilden können, mit unseren Quali-Plus-Angeboten oder beispielsweise zum Technischen Betriebswirt.

DHZ: Das Handwerk buhlt um Gymnasiasten. Warum?
Wagner: Wir brauchen die robusten Praktiker, aber wir brauchen auch den Nachwuchs mit der Eins in Mathe und Physik, einfach weil die Anforderungen an das Handwerk steigen. Das geht mit der Spezialisierung im Kfz-, SHK- und Elektronikbereich los und hört bei digitalen Fertigungsprozessen bei Zahntechnikern oder selbst bei Tischlern nicht auf.
Deshalb brauchen wir Gymnasiasten. Unser Zentralverband hat unter anderem mit dem sächsischen Kultusministerium das BerufsAbitur verabredet. Das heißt, die jungen Leute können Berufsausbildung und Abitur zeitgleich absolvieren.

DHZ: Viele Abiturienten streben eine akademische Laufbahn mit einsprechendem Abschluss an. Was kann das Handwerk dem entgegensetzen?
Wagner: Der Meister ist heute dem Bachelor gleichzusetzen. Wer ins Management eines Unternehmens will, kann parallel zur Ausbildung
den Technischen Betriebswirt machen, sich später bis hin zu einem Studium qualifizieren.
Der Vorteil: Man verdient gleich Geld, hat einen Beruf erlernt und kommt nicht in die prekäre Lage, nach dem Studium ohne Job dazustehen. Unsere Unternehmen brauchen dringend fähige Fachkräfte und unterstützen ihre Mitarbeiter auf ihrem Karriereweg.
Wir tun unser Möglichstes, das BerufsAbitur, die Karrierewege für Gymnasiasten und die Chancen für Studienaussteiger bekannt zu machen. Wir bauen auf die Betriebe, für diese Angebote mit uns gemeinsam die Werbetrommel zu rühren.