Start Chemnitz Dem Esche auf der Spur
Artikel von: Judith Hauße
08.07.2022

Dem Esche auf der Spur

Edeltraud Höfer (oben links) und Veronika Leonhardt (unten links) laden am 17. Juli zu einem Esche-Tag mit Führungen zu Fuß oder mit dem Rad ein. Fotos/Plakat: Judith Hauße (2)|Verein der Gästeführer Chemnitz e.V. (1)
Von Judith Hauße
Großer Chemnitzer Esche-Tag zeigt beeindruckendes Familien-Netzwerk

Wo genoss Herbert Eugen Esche, Sohn des bekannten Chemnitzer Strumpffabrikanten Otto Moritz Eugen Esche, zu Lebzeiten seinen Kaffee in der Stadt? Die Antwort auf die Frage ist nur ein Teil dessen, wo wir noch heute Spuren des bekannten Unternehmersohns in der Stadt finden. Denn die Chemnitzer Gästeführerinnen Edeltraud Höfer und Veronika Leonhardt stießen auf ein beeindruckendes Netzwerk, das die gesamte Familie des Unternehmers im Chemnitz des 18. Jahrhunderts aufgebaut hat.

„Wir waren selbst erstaunt, wie viele Spuren und Verbindungen uns erst durch die Recherche bewusst geworden sind“, erinnert sich Veronika Leonhardt, die danach kurzerhand gemeinsam mit ihrer Kollegin aus dem Chemnitzer Gästeführerverein die Entscheidung fasste, der Unternehmerfamilie einen ganzen Tag zu widmen. Deshalb laden sie am Sonntag, den 17. Juli – ein Tag vor dem 60. Todestag von Herbert Esche – zu spannenden Führungen ein. „Ein ganzer Tag im Zeichen der Familie Esche – das hat es in dieser Art bislang noch nicht als Stadtführung gegeben“, sagt Leonhardt.

Insgesamt 30 Stationen konnten die Frauen bislang ausfindig machen. Sie zeigen die tiefe Verwurzelung der Familie Esche in Chemnitz und Umgebung. „Und das ist sicherlich nur ein Bruchteil dessen, was wir über die Jahre gesammelt haben“, ist sich Edeltraud Höfer sicher. Schließlich sei sie erst kürzlich im Stadtarchiv auf weitere Dokumente der insgesamt 19 Esche-Stiftungen gestoßen, wie sie erzählt.

Die Familie Esche ist eine der ältesten regionalen Unternehmerfamilien, die sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Auf den Spuren der für die Industrie so bedeutsamen Familie der Region entdeckten die Gästeführerinnen Edeltraud Höfer und Veronika Leonhardt ein beeindruckendes Netzwerk, das sich über die gesamte Stadt erstreckt. Beide haben sich für ihre Führungen prägnante Orte herausgesucht. Gestartet wird der Tag aber gemeinsam um 10 Uhr am Naturkinderhaus Esche-Stift am Zeisigwald. „Das einst durch die Stiftung von Otto Moritz Eugen Esche, dem Vater des Bauherrn der Villa Esche gegründete Gebäudeensemble drohte zu verfallen. Vor zwei Jahren wurde es unter Beachtung ökonomischer und ökologischer Aspekte zu einer Kindertageseinrichtung revitalisiert“, erklärt Edeltraud Höfer.

Auch WochenENDspiegel berichtete damals von der Sanierung des denkmalgeschützten Häuserkomplexes. Am Esche-Tag wird die jetzige Kita-Leiterin Katrin Frieden einen einstündigen Vortrag zur Geschichte der Eugen-Esche-Stiftung halten und erzählt auch über die Sanierung des Gebäudes durch die FASA-AG sowie zur aktuellen Nutzung der Einrichtung.

Veronika Leonhardt an der Friedrich-Fröbel-Schule.

Daran angeknüpft lädt Veronika Leonhardt ab 13 Uhr zu einer dreistündigen Fahrrad-Tour entlang an 20 der insgesamt 30 wichtigsten Stationen der Esche-Familie. Zuvor gibt die lizensierte Gästeführerin Gelegenheit, einen Blick in die Villa Esche zu werfen. Hier werde es sich allerdings nicht um die übliche Führung durch die Villa handeln, wie sie verrät, bei der vorrangig die Aspekte Gesamtkunstwerk van de Veldes, denkmalgerechte Sanierung und Nutzung durch den neuen Eigentümer, die GGGmbH, beleuchtet werden.

„Bei uns steht vielmehr die Familie Esche im Fokus“, sagt sie. Bei den gebuchten Gruppenführungen und den öffentlichen Führungen durch das Haus ist sie zumeist nur randläufig Thema.“ Hauptaugenmerk am Sonntag (17. Juli) ist die Kabinettausstellung mit Gegenständen und Dokumenten, die die Familie Esche dem Haus als Dauerleihgaben überlassen hat. Denn den Frauen war es wichtig, sich dem Wirken der gesamten Familie Esche zu widmen, „nicht nur das Schaffen der Familie Herbert Esches“, wie Leonhardt betont. Das Besondere: Die Kabinettausstellungen sind für Besucher des van de Velde-Museums sonst nicht zugängig, sondern nur bei geführten Rundgängen. Auf ihrer Tour wolle sie beispielsweise auch etwas zur Tradition der Brautsuppengesellschaft – 1685 in Chemnitz gegründet – erzählen. „Hier wirkten bedeutende Unternehmer, wie eben auch Esche. Zudem diente die Gesellschaft zu gemeinützigen Zwecken“, so Leonardt.

Eine weitere Station ihrer Fahrradtour wird unter anderem auch die ehemalige Höhere Mädchenbildungsanstalt (HÖMBA) an der Reichstraße sein – die heutige Friedrich-Fröbel-Schule. „Der Tod seiner 15-jährigen Tochter (1906-1920) bewog Fritz Eugen Esche dazu, die „Barbara-E.-Stiftung“ zu gründen, mit der er die beste Leistung in den naturwissenschaftlichen Fächern an der HÖMBA Chemnitz förderte.“

Edeltraud Höfer vor der ehemaligen Strumpfwarenfabrik von Moritz Samuel Esche, von der nur noch ein Gebäude (kleines Bild) existiert. Der Rest (großes Bild) wurde im zweiten Weltkrieg von Bomben zerstört.Fotos/Ansicht: Judith Hauße (2) Sammlung Jürgen Eichhorn, AG Sonnenberg/Geschichtsverein Chemnitz (1)

Vereins-Kollegin Edeltraud Höfer startet ihre Führung durch die Villa Esche eine Stunde später gegen 14 Uhr (Die Fahrradtour von Veronika Leonardt schließt sich an die Besichtigung der Villa Esche an), gefolgt von einem 2 ½-stündigen Stadtrundgang zu Fuß. Hier begeben sich die Teilnehmer auf den Weg, der dem täglichen Arbeitsweg des Bauherren Herbert Esche gleicht. Zahlreiche Geschichten rund um das Wirken der bedeutenden Chemnitzer Unternehmerfamilie als auch die eine oder andere Geschichte aus dem Familien-Nähkästchen lassen sich hier erzählen, wie die 66-Jährige weiß. „So wissen viele gar nicht, dass der Strumpffabrikant Fritz Eugen Esche 1908 ein Clubhaus für den Lawn-Tennis-Club in der Nähe des Kreisverkehrs Stollberger Straße, Goethestraße 9 errichten ließ – entworfen vom Architekten Henry van de Velde.“

Zu viel von den einzelnen Stationen wollen die beiden Frauen allerdings noch nicht verraten. „Die Teilnehmer sollen sich von den vielen Spuren in Chemnitz und Umgebung, die auf das Wirken dieses bedeutenden Textilunternehmens verweisen, überraschen lassen.“ Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl wird für die Führungen um Anmeldung per Mail an gebeten.