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Artikel von: Sven Günther
26.03.2021

Der Bäcker kennt seinen Müller…

Wolfram Günther ist seit 2019 Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft. Foto: SMUL

 

Welche Vorteile hat Regionalität, Herr Minister?

Von Sven Günther
Sachsen. Warum sollten wir auf regionale Produkte setzen? Wie viele Menschen leben von der Herstellung von Lebensmitteln? Muss es immer Bio sein? Der WochenENDspiegel sprach mit Sachsen Landwirtschaftsminister Wolfram Günther.

WOCHENENDSPIEGEL:
Sie sind gelernter Bankkaufmann, haben Rechtswissenschaften, Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Philosophie studiert. Seit 2004 waren Sie als Rechtsanwalt tätig. Nehmen Ihnen die Bauern ab, wenn sie über Kartoffeln und Schweinehaltung sprechen?

WOLFRAM GÜNTHER:
Davon gehe ich aus. Als Rechtsanwalt habe ich in meiner Kanzlei über Jahre hinweg unter anderem auch Landwirte vertreten. Die Entwicklung ländlicher Räume habe ich in verschiedenen Ehrenämtern begleitet.
Das Thema Landwirtschaft beschäftigt mich also seit vielen Jahren, seit 2014 auch als fachlich zuständiger Landtagsabgeordneter und später als Fraktionsvorsitzender. Und viele Akteurinnen und Akteure kenne ich seit Jahren.

WOCHENENDSPIEGEL:
Überall wird gepredigt, man solle regionale Produkte bevorzugen. Erklären Sie unseren Lesern bitte, welche Vorteile Regionalität hat.

WOLFRAM GÜNTHER:
Wenn Produkte in der Region hergestellt, weiterverarbeitet und verkauft werden, dann bleibt bedeutend mehr Geld in der Region, als wenn ein tiefgefrorener Teigling aus China im Discounter aufgebacken wird.
Im Frühjahrs-Lockdown haben wir gesehen, dass internationale Lieferketten gewackelt haben, dass bestimmte Produkte nicht mehr bei uns im Regal lagen. Regionale Erzeugung ist also auch ein Beitrag zu mehr Krisenfestigkeit. Zudem ist ein saisonaler Apfel aus Dürrweitzschen klimafreundlicher als ein Apfel aus Neuseeland, der eine Weltreise hinter sich hat.
Und Regionalität stärkt natürlich das Vertrauen zwischen Erzeuger, Verarbeiter und Verbraucher: Der Bäcker kennt seinen Müller, die Leute aus dem Dorf kennen ihren Fleischer. Das sichert am Ende auch Arbeitsplätze und Perspektiven in den ländlichen Räumen.

WOCHENENDSPIEGEL:
Können Sie uns durch die Zahlen der sächsischen Landwirtschaft und Lebensmittel-Produktion führen? Wie viele Menschen verdienen ihre Brötchen in der Branche? Wie viel Geld wird umgesetzt?

WOLFRAM GÜNTHER:
Brötchen sind ein gutes Stichwort, denn von den mehr als 1600 Betrieben im Lebensmittelhandwerk sind mehr als 1000 Bäcker- und Konditoren. Zur sächsischen Ernährungswirtschaft zählen insgesamt über 1800 Unternehmen mit mehr als 43.000 Beschäftigten. Das ist schon eine Hausnummer. Der mit Abstand größte Teil des Umsatzes wird in der Milchverarbeitung erwirtschaftet, gefolgt von Back- und Teigwarenherstellung, Fleischverarbeitung und Bierherstellung.
In den 6.500 landwirtschaftlichen Betrieben in Sachsen arbeiten rund 30.000 Arbeitskräfte, die annähernd die Hälfte der Landesfläche bewirtschaften. Eine gute Entwicklung: Die Zahl der Öko-Betriebe nimmt stetig zu, mittlerweile werden in Sachsen rund 70.000 Hektar ökologisch bewirtschaftet.

WOCHENENDSPIEGEL:
Welche regionalen Produkte kommen bei Minister Günther auf den Tisch?

WOLFRAM GÜNTHER:
Ich habe mit vielen anderen engagierten Menschen vor Jahren den Regionalmarkt in Rochlitz aufgebaut, weil ich ganz in der Nähe wohne. Damals hieß es: Das wird nie was, Rochlitz ist viel zu klein. Inzwischen ist der Markt ein richtiger Renner. Dort gibt es monatlich regionale Produkte, von der Kartoffel bis zum feinen Senf und Sommer viele verschiedene Tomatensorten.
Wir kaufen ein, was es dort gibt, am liebsten saisonal. Und definitiv eine gute Adresse, um Lebensmittel aus der eigenen Umgebung zu finden, ist unser Portal www.regionales.sachsen.de.

Landwirtschaftsminister Wolfram Günther. Foto: Tom Schulze

WOCHENENDSPIEGEL:
Haben sie ein sächsisches Lieblingsprodukt und können Sie es kochen?

WOLFRAM GÜNTHER:
Ich esse gerne und koche zu selten. Ich kann es aber ganz passabel. Finde ich zumindest. Früher wollte ich mal Koch werden.
Zu meinen Lieblingsgerichten gehören Quarkkeulchen, ganz klassisch. Die bereite ich auch selbst zu, wenn es die Zeit erlaubt.

WOCHENENDSPIEGEL:
Essen Sie Fleisch?

Ja. Und da achten wir zu Hause sehr darauf, dass es aus Wald und Flur oder tiergerechter Haltung kommt und dass wir den Fleischer kennen. Ich halte es mit dem Leitspruch „weniger, dafür besser“. Das umzusetzen ist nicht ganz einfach, denn wir haben in Sachsen nur wenige Schlachtstätten.
Deutschlandweit beherrschen wenige Riesenbetriebe den Markt. Tierschutz, Umwelt- und Klimafolgen oder faire Arbeitsbedingungen spielen für sie eine sehr untergeordnete Rolle. Deshalb machen wir uns gemeinsam mit dem sächsischen Bauernverband, Fleischerinnungen und anderen dafür stark, dass es mehr regionale Schlachtkapazitäten in Sachsen gibt. Nicht gerade etwas, das man von einem Grünen erwartet.
Für mich geht es hier um Einkommensperspektiven für Landwirtschaft, Verarbeiter und Lebensmittelhandwerk genauso wie um kurze Wege, also um Tierschutz und Klimaschutz.

WOCHENENDSPIEGEL:
Muss es immer Bio sein?

WOLFRAM GÜNTHER:
Der Schlüssel liegt in der Verbindung aus regional und echten Qualitätskriterien, wie produziert wird. Da kann man über Verschiedenes diskutieren. Bio beinhaltet klare und anerkannte Kriterien. Trotzdem ist es eine Abwägung, ob einem Bio-Apfel aus Neuseeland ein konventioneller Apfel aus Mittelsachsen vorzuziehen ist.
Mein Ansatz lautet, nicht zuerst den Prozentsatz der Bio-Anbauflächen zu erhöhen, sondern die Nachfrage nach Regio, Bio und möglichst Regio-Bio zu stärken. Dafür haben wir ein eigenes Referat im Ministerium aufgebaut. Wir wollen, dass Betriebskantinen, Schulspeisung, die Küchen von Hotels und Krankenhäusern, also die Außer-Haus-Verpflegung, verstärkt Regio- und Regio-Bio-Produkte verarbeiten.
Bio und Regio-Bio haben den großen Vorteil, dass die Erzeugerinnen und Erzeuger verlässlichere, stabilere Preise kalkulieren können, dass sie unabhängiger von den schwankenden Preisen auf dem Weltmarkt werden. Ein echtes Beispiel: ein Krankenhaus in einer Obstbaugegend hier in der Nähe, im Speisesaal liegen Ende August Pflaumen aus Spanien. Das geht doch anders.