Start Erzgebirge Der EHV Aue und das rätselhafte M
Artikel von: Sven Günther
27.11.2019

Der EHV Aue und das rätselhafte M

Kevin Roch warf bei der 32:33 Heimniederlage im März fünf Tore. Foto: Manja Gehlert

EHV Aue: Ein Leckerbissen, Essen kommt!

Von Sven Günther
Lößnitz. Diesen Leckerbissen dürfen sich Handball-Feinschmecker nicht entgehen lassen. Am Freitag (29. November) erwartet der EHV Aue 19 Uhr den Tabellenführer der 2. Bundesliga TUSEM Essen in der Erzgebirgshalle.
Die besondere Würze: Essen verlor zuletzt sein erstes Heimspiel gegen TuS N-Lübbecke mit 21:23, der EHV holte dagegen auswärts beim VfL Lübeck-Schwartau einen unmöglichen Punkt.

Mit den Gästen kommt ein Verein ins Erzgebirge, der geschichtsträchtig ist.

Hört man TUSEM, schiebt sich einem sofort Jochen “Scholle” Fraatz vor das geistige Auge. Der Linksaußen, der den Dreher als einer der ersten Handballer meisterlich beherrschte, warf 2660 Tore in der Bundesliga. Rang drei hinter dem Koreaner Yoon Kyung-shin (2908) und dem Dänen Lars Christiansen (2875).

Fraatz ist aber nicht die einzige Legende, die rot-weiß-trikotiert Geschichte schrieb. Zu nennen sind der wurfgewaltige halbrechte Russe Alexander “Sascha” Tutschkin, der krakenarmige Kreisläufer Dimitri Torgowanow und der riesenhafte Mark Dragunski auf gleicher Position. Unvergessen sind auch der im August verstorbene Torhüter Stefan Hecker und Keeper Chrischa Hannawald, dessen Markenzeichen Mundschutz und die kurzen Torwarthosen waren.

In Essen spielten der spätere THW-Kiel-Erfolgs-Trainer Alfred Gislason und der Finne Mikael Källmann (Deutschlands Handballer des Jahres 1992). Martin Schwalb, Patrick Wiencek oder Oleg Velyky sind weitere Namen, die die große Vergangenheit des TUSEM belegen.,

[sam id=”17″ codes=”true”]

Der TUSEM. Der Turn- und Sportverein Essen. Aber M? Wofür steht das verflixte M? Die Antwort gibt ein Schwenk in die Geschichte: M deutet auf den Stadtteil Margarethenhöhe hin, in dem der Club 1926 gegründet wurde. Die Industrielle Margarethe Krupp stiftete den Stadtteil anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter Bertha. Er gilt als eine der ersten deutschen Gartenstädte!

Essen, Krupp, Gartenstadt, Fraatz, Tutschkin & Co. Der TUSEM bringt viel Geschichte und sportliche Klasse mit ins Erzgebirge. Sogar ein Stück Erstliga-Handball in spe wird zu erleben sein. Trainer Jaron Siewert wechselt nach der Saison als Cheftrainer zu den Füchsen nach Berlin. Mit Essen hat er das Thema Aufstieg nicht auf dem Plan, sagte dem WochenENDspiegel: “Mit einem möglichen Aufstieg beschäftigen wir uns in der Mannschaft absolut gar nicht! Wir wollen in jedem Spiel unsere bestmögliche Leistung bringen und am Ende sehen wir, wo wir stehen. Die Tabellensituation ist eine Momentaufnahme, welche sehr vergänglich sein kann.”

Trainer Jaron Siewert wechselt nach der Saison zu den Füchsen Berlin. Foto: TUSEM ESSEN

Auch die Konstellation, dass TUSEM aufsteigen würde und er, Siewert, zu den Füchsen wechselt, ist nicht in seinen Gedanken. Der Trainer: “Zum einen ist der Weg bis zum Ende der Saison noch sehr lange und wir sind gut beraten, wenn wir nur bis zu unserem Spiel in Aue denken. Zum anderen ist die kommende Saison mit den Füchsen noch in ferner Zukunft und mein voller Fokus liegt auf unseren aktuellen Aufgaben.”

Die beiden letzten Spiel des EHV gegen TUSEM waren jeweils knapp. Beide Male siegten die Westdeutschen mit 33:32, kündigen auch jetzt ein offensives Feuerwerk an. “Unser Ziel ist es, über 30 Tore zu werfen und wieder zu unserem Spielstil zurückzufinden”, verrät Siewert: “Natürlich würden wir gern Aue mit einer guten Abwehrleistung bei weniger Toren halten, jedoch gilt es für uns in erster Linie ein Tor mehr als der Gegner zu werfen. Ich gehe von einem körperbetonten und emotionalen Spiel aus. Aue hat sicherlich Rückenwind aus Lübeck mitgenommen und wir müssen wieder auf unseren Stärken schauen.”

Er weiß aber auch, dass der EHV daheim eine Macht ist. Siewert: “Aue hat seit dem Derbysieg gegen Elbflorenz richtig gut in die Saison gefunden und zuletzt wieder die alte Heimstärke gezeigt. Sie haben eine gute Kooperation zwischen Rückraum und Kreis und lassen dabei den Ball schnell laufen. Wie schon gesagt, wollen wir unseren Spielstil aus Tempo und cleveren Abwehrspiel wieder hinbekommen. Wenn uns das gelingt, dann spielen wir um die zwei Punkte mit.”

Zwei Punkte, die der EHV im Erzgebirge behalten möchte. Trainer Stephan Swat: “Nachdem Essen das erste Heimspiel verloren hat, kommen die mit Wut im Bauch zu uns, wollen eine Gegenreaktion zeigen. Das kündigen sie ja auch auf ihrer Homepage an.” Schaut der Übungsleiter auf seine eigene Mannschaft, sorgt er sich und sagt: “Wir hatten in dieser Woche einige angeschlagene oder erkrankte Spieler, konnten nicht richtig Sechs gegen Sechs trainieren. Ich hoffe aber, bis zum Freitag sind alle wieder fit. Denn es wird eine Mörderaufgabe gegen Essen. Die Qualität der Mannschaft ist unbestritten hoch.”

Swat warnt vor dem schnellen TUSEM-Spiel, weist auf die starke 2. Welle, die gute schnelle Mitte und das dynamische 1:1-Spiel des Tabellenführers hin. “Dazu kommt eine körperbetonte und bewegliche Abwehr”, weiß der Trainer und sagt: “Es gilt konzentriert zu spielen, Fehlwürfe und -abspiele zu vermeiden.”

Wenn dann auch noch die Abwehr wie gegen den VfL Lübeck-Schwartau gut steht und beide Torhüter einen guten Tag haben, dann dürfen sich die Handball-Feinschmecker im Erzgebirge wirklich über einen köstlichen Leckerbissen freuen.