Start Erzgebirge Der EHV Aue und der gewiefte Kroate
Artikel von: Sven Günther
29.10.2019

Der EHV Aue und der gewiefte Kroate

Coach mit Kult-Status: Sead Hasanefendic trainiert den ThSV Eisnach, stieg mit dem Klub aus der 3. Liga auf. Foto: ThSV Eisennach

“Los, halt ihn fest!”

Von Sven Günther
Lößnitz. Liest man über Sead Hasanefendic, den Trainer des Handball-Zweitligisten ThSV Eisenach, fällt einem Erich Rutemöller ein. Der ist Teil der Fußball-Annalen, weil er am 7. Mai 1991 den legendären Satz: “Mach et, Otze” sprach, der dem Kölner Stürmer Frank Ordenewitz grünes Licht dafür gab, sich im Pokalhalbfinale gegen Duisburg eine Gelb-Rote Karte abzuholen. Die Sperre hätte er damals in der Bundesliga absitzen können, wäre im Finale gegen Bremen dabei gewesen.
Hätte und wäre, weil der schnauzbärtige Übungsleiter Rutemöller den durchtrieben Trick im TV ausplauderte. Sperre für Ordenewitz und Geldstrafe für den Trainer folgten.
Und Hasanefendic? Der war weniger mitteilsam aber ähnlich ausgebufft. Der gewiefte Kroate stand am 4. März 1982 beim Weltmeisterschaftsspiel Deutschland gegen die Schweiz als Trainer der Eidgenossen an der Seite und sah, dass beim Stand von 22:22 wenige Sekunden vor Schluss das Spielgerät zu Erhardt “Sepp” Wunderlich gelangte. Damals kannte die Gleichung Ball + Wunderlich + Sprungwurf meist nur ein Resultat: Tor.
Das wusste auch Hasenefendic, knuffte seinen Spieler Peter Jehle an und sprach in dessen Ohr: “Los, halt ihn fest.” Der mit dieser Order versehene Akteur gehorchte, bremste den wuchtigen Wunderlich. Schluss. Aus. Vorbei. Deutschland war um das Spiel um die Bronzemedaille gebracht und erst am nächsten Tag bemerkte Journalist Wolf Günthner, dass der ausgekochte Trainer den braven Spieler Jehle hätte gar nicht ins Spiel bringen dürfen, weil die Schweiz eine Zwei-Minute-Strafe verbüßen musste. Zu spät für einen Protest!
Bis heute teilt sich die Schar der Handball-Liebhaber in die, die über die Story schmunzeln und jene, die immer noch wütend die Zornesfaust ballen. Geht es allein um die Trainerleistung des Sead Hasanefendic sind sich alle einig und flüstern ehrfürchtig: “Der Hasanefendic, das ist einer der ganz Großen!”
Mit dem VfL Gummersbach holte der Coach mit dem markanten Oberlippenbart drei Europapokale, trainierte die tunesische Nationalmannschaft bis auf den vierten Platz bei der WM, siegte beim Afrikameister-Cup, was ihm den Ehrennamen Said Hassan Afendic einbrachte. Er wurde französischer Meister und Pokalsieger mit US Créteil und HB Vénissieux, slowenischer Meister und Pokalsieger mit RK Celje.
Und jetzt kommt er am Samstag 17 Uhr zum Derby mit dem ThSV Eisenach in die Lößnitzer Erzgebirgshalle. Was er dort erwartet, verrät er im Interview mit dem WochenENDspiegel.

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Wie schätzen Sie die aktuelle Tabellensituation des ThSV und des EHV ein?

Wir haben als Aufsteiger 13:5 Punkte und belegen den 4. Tabellenplatz. Eine sehr schöne Momentaufnahme! Aller Anfang war mit dieser neu formierten, ganz jungen und zweitbundesligaunerfahrenen Mannschaft schwer.
In den Auswärtsspielen in Dresden und Dormagen lieferten wir jeweils eine gute, aber dann eine deutlich schwächere Halbzeit ab und reisten mit Niederlagen gen Eisenach. Wir zahlten in der neuen Umgebung Lehrgeld. Nach und nach, mit intensiven Trainingseinheiten, haben wir uns gefunden, in der Abwehr und im Angriff. Wir boten immer besseren Handball und punkteten fleißig. Wir sehen uns auf einem guten Weg, stehen in der Verteidigung kompakt, finden im Angriff gute Lösungen.

Der EHV Aue ist eine etablierte Zweitliga-Mannschaft, die von ihren arteigenen Tugenden, mit robustem Handball und der Heimstärke, profitiert. Zuletzt gelangen zwei Siege, was aktuell für gute Stimmung sorgen dürfte. Bis dahin wird man wohl nicht so zufrieden gewesen sein.
Jetzt scheint der EHV Aue in ruhigem Fahrwasser. Er wird wohl recht zufrieden in die Punktspielpause gegangen sein und freut sich – wie wir natürlich auch – auf das Derby. Ein echtes Traditionsderby! Wir alle wissen, die Meisterschaft ist noch lang, schnell können sich Wechsel auf den Tabellenpositionen ergeben.

Was erwarten Sie vom Derby?

Wir reisen mit Selbstvertrauen, auf Einladung des EHV Aue mit einem Bus einstiger Eisenacher Handball-Legenden und einer riesigen Fankarawane ins Erzgebirge. Wir werden gemeinsam ein Handballfest feiern!

Welche Stärken/Schwächen haben Sie beim EHV Aue ausgemacht?

Natürlich bin ich, wie über die anderen Teams der Liga, auch über den EHV Aue informiert, habe mir Teile des einen oder anderen Spieles angeschaut.
Der EHV Aue wird durch Männer-Handball geprägt, nichts für weiche Kerle, kann in heimischer Halle auf eine stimmgewaltige Kulisse bauen. Im Team stehen gut ausgebildete Spieler, die ihre handballerischen Stärken mit ganz viel Kampfgeist noch aufwerten.
Speziell im Rückraum ist der EHV Aue gut besetzt. Genannt seien Adrian Kammlodt, der beste Feldtorschütze der Liga, und Gabriel de Santis. Zum Torhüterteam gehört mit Routinier Radek Musil ein in Eisenach bestens bekannter und geschätzter Mann. Er bringt seine reichlichen Erfahrungen in das Kollektiv ein.