Start Der EHV und das Märchen vom kleinen Muck
Artikel von: Sven Günther
27.02.2024

Der EHV und das Märchen vom kleinen Muck

Eine typische Szene. Jan Blecha vom EHV AUe scheitert an Dormagens Torhüter Christian Simonsen. Foto: Manja Gehlert
Eine typische Szene. Jan Blecha vom EHV AUe scheitert an Dormagens Torhüter Christian Simonsen. Foto: Manja Gehlert

Hat die Uhr beim EHV schon “KLACK” gemacht?

Lößnitz. Wahrscheinlich kennt jeder in der DDR Geborene (bestimmt auch Vertreter späterer Generationen und viele Fans des EHV Aue) den DEFA-Film vom kleinen Muck. Er entstand 1953 in der DDR unter der Regie von Wolfgang Staudte. Der Film beginnt damit, dass eine Gruppe gemeiner Gören den buckligen Töpfergesellen Muck hänselnd durch die Straßen treibt, er sie in seine Werkstatt lockt, wo er sie einsperrt.
Auf einem hohen Regal sitzend droht er, sie erst gehen zu lassen, bis sie seine Geschichte gehört und die Werkstatt-Uhr „Klack“ gemacht hat. Dann beginnt er von seinen Abenteuern auf der Suche nach dem Kaufmann, der das Glück verkauft, zu erzählen, bei denen er das goldfindende Stöckchen, die Schnell-Lauf-Pantoffel und die Eselsohren wachsen lassenden Feigen entdeckt.

EHV knickt kurz vor der Pause ein

Die Uhr hatte für den EHV Aue im Spiel gegen Bayer Dormagen am Ende der ersten Halbzeit „Klack“ gemacht. Dabei ging es gut los. Nachdem Paraschiv mit einem brachialen Hüftwurf und Sveinbjörn Petursson mit einer Parade gegen den freien Kreisläufer Alexander Senden für einen guten Auftakt sorgten, handelte man sich in den letzten Minuten einen Drei-Tore-Rückstand (15:18) ein. Drei Genickschläge, von denen sich die Mannschaft in der zweiten Halbzeit nicht erholte, immer weiter in Rückstand geriet und am Ende mit 24:33 als geprügelter Verlierer vom Parkett schlich.

Bessere Taktik gegen EHV

Wenn man das Spiel ohne Emotionen betrachtet, konnte man sehen, wie wichtig die Taktik in der 2. HBL ist. EHV-Trainer Olafur Stefansson vertraute wieder seiner schnellen Abwehr, ließ Francisco Pereira ganz offensiv agieren, Dieudonne Mubenzem und Jan Blecha auf halb immer wieder attackieren und vertraute auf Marko Vignjevic in der Zentrale.
Eine Variante, die gegen den wurfgewaltigen, körperlich robusten Angriff der Eulen Ludwigshafen perfekt funktioniert hatte. Gegen die beweglichen Dormagener klappte das nicht. Weil Trainer Matthias Flor mit dieser Taktik gerechnet und seinem Team eingeimpft hatte, die Angriffe bis zur Zeitspielgrenze auszuspielen. So schafften es die Gäste immer wieder durch lange Kreuzungen die Defensive zu verwirren, und standen so oft frei vor den EHV-Keepern.
Warum Olafur Stefansson es nicht mit einer massiven und körperlichen robusten 6:0-Formation (Jerebie, Slachta, Sajenev) wenigstens versuchete, bleibt offen.

Fehlerhafter Angriff des EHV

Im Angriff funktionierte beim EHV bis auf einige Anspiele auf Mika Sajenev und Einzelleistungen von Sebastian Paraschiv (8 Tore) nichts. Der Kapitän bekam ein Extralob von Rüdiger Jurke für seine Leistung und seinen Einsatz, weil er dem Trainer gezeigt hat, wie wichtig er für das Team sein kann.
Ansonsten war das Nichts! Versenkte der neue Japaner Iszmoto gegen die Eulen die Bälle noch spektakulär, wirkten seine Abschlüsse gegen Dormagen fast albern. Jan Blecha auf Linksaußen scheiterte ein- ums andere Mal am Keeper, Marko Vignjevic (5) setzte nicht genügend Akzente und die rechte Seite konnte nicht verwerfen, weil Mubenzem und Pereira gar nicht erst in Abschlusshandlungen kamen. Die aggressive 6:0-Defensive der Dormagener zog den EHV-Angreifern den Zahn.
Der sporadisch eingesetzte Elisas Gansau, immerhin einst Auer Rekordtorschütze, wirkte übermotiviert, warf aus schwierigen Positionen, sodass seine Bälle Beute der Keeper wurden.

Schwache EHV-Torhüter

Die EHV-Keeper Sveinbjörn Petursson und Pascal Bochmann bekamen kaum eine Hand an den Ball. Natürlich kann es eine überragende Torhüterleistung nur geben, wenn die Abwehr die Werfer in Nöte bringt. Aber der eine oder andere freien Ball sollte doch pariert werden können, um Euphorie bei Mitspielern und Fans auszulösen. Bei Dormagen dagegen glänzte Christian Simonsen mit zwölf Paraden und einer Quote von 40 Prozent, was am Ende mit spielentscheidend war.

Bleierniss in der Halle

Generell lag bei diesem wichtigen Spiel beim EHV über der Halle eine Art Bleierniss. Alles war irgendwie gelähmt, ohne die notwendige Aggressivität auf der Platte und bei den Fans. Als wolle man lieber in die Frühlingssonne blinzeln, statt sich einen Abstiegskampf-Krieg zu liefern. Der Funke konnte nie vom Pakett auf die Tribüne überspringen, weil die Spieler nicht brannten.

Ratlos: EHV-Trainer Olafur Stefansson konnte sich nicht erklären, warum sein Team so fehlerhaft spielte. Foto: Manja Gehlert

Klare Worte beim EHV

Genug Gründe, um in der Pressekonferenz des EHV selten klare Worte zu wählen. Olafur Stefansson: „Es war eine Katastrophe. Ich zweifle auch an mir, aber auch jeder Spieler sollte an sich zweifeln. Einige haben gespielt, als wäre ihnen alles scheißegal. Ich bin bereit, mit dem Team durch Dick und Dünn zu gehen. Aber die Spieler müssen mir auch ein Zeichen geben, dass sie das wollen. Im Moment sehe ich nicht, woran es liegt, dass die Mannschaft nicht funktioniert. Vielleicht bin ich zu schlecht als Coach, wenn ich es nicht erkenne. Aber ich weiß, dass das Potenzial da ist. Sonst könnte ich gleich Tschüss sagen. Ich wäre so fair zu sagen, ich schaffe es nicht, holt einen anderen.“
Darauf reagiert Rüdiger Jurke: „Danke für deine ehrlichen Worte. Ich würde mich freuen, wenn auch von den Spielern mehr Selbstreflexion kommen würde. Aber wir scheißen uns in solchen wichtigen Spielen vor Angst in die Hosen. Es sollte sich jeder fragen, warum er den Sport macht und warum 1.700 Zuschauer in die Halle kommen. Es ist bitter enttäuschend, was hier ablief. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder die Spieler heulen rum oder sie zeigen uns allen, den Fans und dem Trainer, was in ihnen steckt. So ein Spiel ist ja nur im Suff zu ertragen.

Und wenn sie nicht gestorben ist…

Zurück vom EHV zu Wilhem Hauffs kleinem Muck in der DEFA Version. Dort hatte die Uhr „Klack“ gemacht, ehe die Geschichte zu Ende war. Doch ein listiger Lauser nutzte einen unachtsamen Moment Mucks, um die Uhr erneut zu starten. Und so konnten die Kinder die Story bis zum Ende hören und den kleinen Muck groß bejubeln. Und die Moral von der Geschicht? So lange die Klassenerhaltshoffnung beim EHV nicht gestorben ist, dann lebt sie auch weiter.