Start Erzgebirge Der EHV und der Hamm(er)-Punkt
Artikel von: Sven Günther
28.09.2021

Der EHV und der Hamm(er)-Punkt

So sahen die Fans auf www.sportdeutschland.tv die Szene: Adrian Kammlodt zieht zwei Verteidiger auf sich, legt den Ball zu Aki Egilsnes. Franz Schauer am Kreis und Maximilian Lux außen binden weitere Verteidiger.

Aki hat’s gemacht

Von Sven Günther
Lößnitz. Der Plan vor dem Schreiben dieses Artikels war es, anfangs genau über die Szene zu berichten, die sich im Zweitliga-Spiel des EHV Aue beim ASV Hamm abspielt, während die erste Prognose der Bundestagswahl im TV gezeigt wird. Es war anzunehmen, dass der eine oder andere Handball-Zuseher (www.sportdeutschland.tv) doch einen flugsen Blick vom Sport- auf das Politik-Spektakel wirft. “Der EHV und die kaum gesehene Szene” hätte die Überschrift heißen sollen…
Doch die Aktion, die sich exakt 18 Uhr auf dem Parkett in Hamm abspielte, verkommt zur Randnotiz. In der 37. Spielminute verwandelt Fabian Huesemann nach einem Zwei-Minuten-Foul von Kevin Roch einen Siebenmeter zum 17:16, im Gegenzug gleicht Maximilian Lux aus. Abgehakt.
Die eigentliche Geschichte das Spiels schreiben andere Akteure. Beim Stand von 24:23 für Hamm führen die Gastgeber elf Sekunden vor Ende den Ball, die Schiedsrichter zeigen an, dass sie nach drei Pässen Zeitspiel pfeifen werden. Jan von Boenigk, der bis zu diesem Zeitpunkt bereits sieben Tore bei zehn Würfen erzielt hat, bekommt den Ball auf Halblinks, zieht nach innen – und begeht einen Schrittfehler.
Blitzschnell zückt EHV-Trainer Kirsten Weber die Grüne Karte: Auszeit. Sieben Sekunden sind noch auf der Uhr. Der Auer Coach versammelt die Seinen um sich, schiebt auf der Magnettafel die Steine und erklärt die Idee des letzten Spielzuges.
Auf www.sportdeutschland.tv mutmaßen die Kommentatoren derweil, dass der EHV mit sieben Feldspielern agieren, Lux oder Kammlodt in Wurfposition bringen wird. Falsch! Zwar nimmt Kirsten Weber Keeper Sveinbjörn “Bubi” Petursson aus der Partie, bringt Franz Schauer als zusätzlichen Mann – aber den Wurf nimmt sich einer, der bislang schlecht agierte: Aki Egilsnes! Der bekam einen Angriff zuvor ein Stürmerfoul abgepfiffen, hatte auch schon drei technische Fehler auf dem Konto. Und gerade der sollte werfen?
JA. Genau der. Denn als ein Hammer Verteidiger sich um den zusätzlichen Kreisläufer Schauer kümmern muss, ein zweiter Lux auf Außen abschirmt und zwei sich in Richtung des ballführenden Adrian Kammlodt orientieren, legt dieser auf den halbrechten EHV-Neuzugang ab, der völlig frei zum Kreis durchlaufen und sicher verwandeln kann. Sein erstens Saisontor bringt den Erzgebirgen einen Hamm(er)-Punkt gegen eine Mannschaft ein, die aufsteigen will.

Kirsten Weber: “Der letzte Spielzug war nicht so angelegt, dass Aki abschließt. Aber Adrian hat die Situation hervorragend gelesen und den Ball laufen lassen. So konnten wir einen Punkt holen. Wichtig war, dass wir im Deckungsverbund im 6:0 und 5:1 Zugriff bekommen haben.”

Manager Rüdiger Jurke: “Eine tolle Leistung der Jungs. Wir lagen schon mit drei Toren hinten, haben uns sensationell rangekämpft und dann macht Aki das letzte Tor. Er hat bis dahin wirklich sehr nervös gespielt. Aber wenn er dann den entscheidenden Treffer macht, ist alles gut.”

Schmerzlich vermisst wurde der leicht knieverletzte Bengt Bornhorn, der vor allem als sicherer Siebenmeter-Werfer fehlte. Drei Strafwürfe konnten nicht verwandelt werden. Dafür hatte Kammlodt mit sieben Toren bei sieben Würfen eine makellose Bilanz, trafen Ribeiro (5) und Halfdansson (4) am häufigsten und zeigte Erik Töpfer eine starke Leistung. “Wer hätte gedacht, dass wir bei diesem schweren Auftaktprogramm 3:3 Punkte holen”, resümiert Jurke. “Das ist wirklich überragend. Glückwunsch an die Jungs.”

Leichter werden die Aufgaben nicht. Am Samstag ist Erstliga-Absteiger Ludwigshafen 17 Uhr in Lößnitz zu Gast, dann freut sich der EHV im Pokal am 6. Oktober 19 Uhr auf den THW Kiel und reist dann zur HSG Nordhorn-Lingen, ebenfalls eine Absteiger aus Liga 1.

Kirsten Weber: “Ich denke im Moment nur an die Eulen aus Ludwigshafen, habe von der Mannschaft schon einige Spiele auf Video gesehen und weiß, dass da sehr viel Qualität vor allem aus dem Rückraum auf uns zukommt. Allerdings haben sie die ersten beiden Spiele verloren, scheinen sich als Mannschaft noch nicht richtig gefunden zu haben. Ich hoffe, wir können das am Samstag nutzen.”

Dazu kommt, dass der Erstligaabsteiger erst am Mittwoch gegen Großwallstadt spielt, nur eine kurze Regenerationsphase und nach 0:4 Punkten schon Druck hat. Auf der Homepage des Vereins wird Kapitän Gunnar Dietrich zitiert: “Jetzt zurückzublicken und zu hadern, bringt nichts mehr. Klar sind wir enttäuscht über das verlorene Spiel in Dessau, klar sind wir enttäuscht über die Niederlage gegen Hüttenberg. Da war keiner zufrieden! Aber das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Der Blick muss und darf jetzt nur nach vorne gehen.”

Hier jubelt der Manager…