Start Erzgebirge Der EHV und Goethes Irrtum
Artikel von: Sven Günther
16.11.2021

Der EHV und Goethes Irrtum

Treffer. Bengt Bornhorn warf gegen Ferndorf elf Tore, scheiterte nur in der ersten Minute vom Siebenmeterpunkt. Foto: Manja Gehlert.

Sie haben was verpasst!

Von Sven Günther

Lößnitz. G O E T H E. Wenn es um Intelligenz, Weisheit und Wissen geht, kommt keiner am Dichterfürsten vorbei. Ein Satz aus seinen “Maximen und Reflexionen, Aphorismen und Aufzeichnungen” heißt: “Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande.”
Eingedenk dessen war schon die erste Aktion der EHV-Spieler in der Zweitliga-Handballpartie gegen den Tabellenletzten aus Ferndorf ein Signal, das auf Ungemach hindeuten konnte: Der sonst so sichere Siebenmeter-Werfer Bengt Bornhorn scheiterte an TuS-Keeper Tim-Dominik Hottgenroth von der Strafwurflinie…

Ohne den fußverletzten Adrian Kammlodt wurde es beim EHV nicht besser in den ersten 30 Minuten, die gegen Ende völlig ins Negative kippten. Beim Stand von 13:13 klatschte Arnar-Birkir Halfdansson drei Bälle gegen die Latte, in der Defensive fanden die Erzgebirge keinerlei Zugriff und Sveinbjörn “Bubi” Pétursson im Tor sah auch keinen Stich. Die Folge: 13:17 Pausenstand.
Auf www.sportdeutschland.tv schimpfte Coach Stephan Swat, ärgerte sich darüber, dass die Seinen nur “Berührungs- aber keinen Vollkontakt-Sport” trieben. Manager Rüdiger Jurke diktierte den Journalisten ins Notizheft, dass es ihn “ankotze”, wie wenig Einsatz die Mannschaft zeige. Scharfe Worte, die berechtigt waren. 17 Gegentore gegen Ferndorf in einer Halbzeit sind eindeutig zu viel. Selbst die Nachricht, dass Pascal Bochman in die U-20-Nationalmannschaft berufen wurde, konnte sie nicht milder stimmen, auch wenn sie sich mit dem jungen Torwart freuten.

Den Anfang versemmelt und gegen Ende eingebrochen. Hält man es mit Johann Wolfgang, hätte man es nickend kommentiert. Ist eben so…

Ein Irrtum. Goethe muss man zugutehalten, dass er die Unwägbarkeiten eines Handballspieles nicht kennen konnte. Als Geburtstag des Handballs gilt der 29. Oktober 1917, als der Berliner Oberturnwart Max Heiser (1879–1921) festlegte, dass das 1915 von ihm für Frauen entworfene Spiel „Torball“ zukünftig „Handball“ heißen solle, und er ebenfalls feste Regeln bestimmte – schreibt Wikipedia.

Um ernsthaft zu bleiben: Trainer Kirsten Weber fand in der Kabine laute, aber munter machende Worte, die die Einstellung der Mannschaft umdrehte. So entwickelte sich eine zweite Halbzeit, die an Spannung und Dramatik schwer zu übertreffen war.

Handball tut weh! Hier stoppen Petr Slachta und Arnar-Birkir Halfdansson den Ferndorfer Lukas Siegler. Allerdings: Es hätte Siebenmeter geben müssen. Slachta steht im Kreis. Foto: Manja Gehlert.

Jeder, der nicht in der Halle war, darf sich ärgern: Er hat etwa verpasst, dass keine andere Samstagnachmittag-Beschäftigung auch nur annähernd bietet. Diese Chance sollte man nicht ein zweites Mal auslassen…

Da sah man im Angriff wunderbare Anspiele auf Kreisläufer Bengt Bornhorn, der elf Tore warf und sich keinen einzigen Fehler mehr erlaubte. Goncalo Ribeiro und Sebastian Paraschiv führte klug Regie, setzten sich im 1:1 durch und warfen sechs (Ribeiro) respektive vier Tore. Beide mit einer Quote von 100 Prozent.
In der Defensive stürzten sich die EHV-Spieler auf die Gegner, blieben auch aggressiv, als Kevin Roch im Mittelblock schon in der 35. Minute die Rote Karte sah (3×2 Minuten) und im Tor konnte Petursson einige wichtige Bälle halten.

Sehenswert und wichtig das Tor von Ribeiro in der 35. Minute, als Roch gerade Rot bekommen hatte, die Schiedsrichterinnen Tanja Kuttler und Maike Merz Zeitspiel signalisierten und nur noch eine Aktion möglich war – der Wurf. Der saß und der EHV verkürzte zum 17:18. Es folgten ein gehaltener Siebenmeter von Petursson, der Ausgleich durch Paraschiv und in der 57. Minute ein Treffer von Halfdarnsson, erzielt per Rückhand-Wurf aus sechs Metern über den Kopf des Keepers. “Das war ein Tor des Monats” jubelte Jockel Meinhardt am TV-Monitor und sein Sohn und Ex-EHV-Kapitän Erik stimmte als Co-Kommentator mit ein.

Das Spiel gipfelte in einer Aktion, die den ganzen Spielverlauf in sich vereint. Ribeiro spielt Pascal Ebert auf Linksaußen frei, der scheiterte mit seinem Wurf. Doch der Abpraller landet wieder beim Portugiesen, der den 30:29 Siegtreffer erzielt. Zwei Blöcke der Abwehr sicherten dem EHV die beiden so wichtigen Punkte.

Jetzt geht es mit zwei Auswärtsspielen weiter. Schon am Feiertag (17. November) muss der EHV beim Überraschungsdritten in Hüttenberg bestehen, am Sonntag stehen die Erzgebirger dann in Gummersbach auf dem Parkett.