Start Chemnitz „Die Subkultur ist hier sehr stark ausgeprägt“
Artikel von: Judith Hauße
23.02.2024

„Die Subkultur ist hier sehr stark ausgeprägt“

Tolga Cerci nimmt schon einmal Platz in der neuen Co-Working-Ecke im Bürgerzentrum an der Sonnenstraße 35 unter dem Trägerverein Nachhall e.V. Foto: Judith Hauße

Tolga Cerci spricht über sein erstes Jahr als Stadtteilmanager und was es seit neuestem im Bürgerzentrum gibt

Sonnenberg. Manchmal ist das Leben wie eine Sitcom, in der die unterschiedlichsten Menschen plötzlich durch die Haustür hereinkommen und eine gute Zeit miteinander verbringen. Sowas wünscht sich Tolga Cerci für das Bürgerzentrum auf dem Sonnenberg. Er ist seit gut einem Jahr der neue Stadtteilmanager. Der Vergleich mit einer Fernsehsendung kommt bei ihm jedoch nicht von ungefähr. Über hundert Videoproduktionen und zehn Jahre Berufserfahrung als Videograf zeichnen die letzten Jahre des gebürtigen Detmolders (Ostwestfalen). Seine offene und kreative Art haben ihn bereits mehrere Stationen im Leben verschafft. Während seines Informatikstudiums engagierte er sich in der Hochschulpolitik und arbeitete als studentische Hilfskraft für den Dokumentarfilmer Andreas Voigt. Später betreute er das Online-Team der ProSieben-Castingshow „The Voice of Germany“ oder drehte für den Vater der Loveparade, Dr. Motte, ein Musikvideo. „Man lernt immer neue Leute kennen“, erzählt er über diese Zeit. „Doch finanziell“, so sagt er, „war man immer knapp dabei. Und das wollte ich dann irgendwann nicht mehr.“ Er fasste deshalb seinen Plan B, abseits von Berlin eine Festanstellung zu suchen, ins Auge. Das war 2013.

Plan B abseits von Berlin

Seitdem lebt und arbeitet er in Chemnitz. Sein Weg führte ihn aber eher zufällig in die Stadt. „Da fährt man einmal kurz von der Autobahn runter“, witzelt er. „Nein, aber tatsächlich war ich gerade auf dem Weg nach München, als ich auf der Route gesehen habe, dass es an Chemnitz vorbeigeht.“ Die Worte seines Vaters kamen ihm hier wieder in Erinnerung. „Als Kind war ich nach der Wende gemeinsam mit meinen Eltern hier. Für sie war Chemnitz damals die hässlichste Stadt Deutschlands.“ So entschied er sich für einen erneuten Besuch – und blieb. „Chemnitz ist wie ein in Vergessenheit geratener ungeschliffener Diamant“, meint er. Das sei aber gerade das, was er an dieser Stadt besonders mag. „Es gibt immer etwas zu tun.“ In Hinblick auf das Kulturhauptstadtjahr sagt er deshalb: „Die Bürger sollten den Fokus nicht zu sehr auf das legen, was sie an Chemnitz schlecht finden, sondern auf bereits Gutes, das hier entstanden ist und dieses Schritt für Schritt ausbauen.“ Was er besonders schätzt, ist die Chemnitzer Subkultur. „Das hast du in anderen Städten, wie Paderborn, wo ich eine Zeit lang gearbeitet habe, nicht.“ Auch wenn hier alles etwas „kleiner und dörflicher“ sei, wie er sagt, „sobald jemand etwas startet, ist er bereits eine Szene für sich. Man spürt diesen Machergeist einfach überall.“

Von Detmold auf den Sonneberg

In Chemnitz lebt er nach seiner Zeit in Detmold, seiner Heimatstadt, bereits die längste Zeit. Den Sonnenberg kennt er inzwischen gut, hat hier eine Wohnung. Für den Stadtteil gründete er vor einigen Jahren sogar einen eigenen Youtube-Kanal, bei dem er unter dem Titel „Sonnenberg zu Fuß“ die verschiedensten Orte mit der Kamera aufsucht und sie in seinen Videos vorstellte. Nach seinem ersten Jahr als Stadtteilmanager zieht er ein positives Fazit, vieles konnte beibehalten oder zum Teil weiterausgebaut werden. „Wir sind inzwischen einzeln und auch als Team sehr gut organisiert, was eine wichtige Grundvoraussetzung ist, um sich weiterentwickeln zu können.“ Tolga Cerci weiß aufgrund seiner Zeit als Freiberufler, wie wichtig es ist, an sich selbst und seinen Fähigkeiten zu arbeiten. „Wenn wir das vorleben, was wir von anderen erwarten, können wir als Team stark werden.“ Sein Wunsch für die Arbeit: „Ich möchte gern unsere Ziele als Stadtmanagement mit den einzelnen Biografien der Menschen verbinden, sodass jeder Schritt, den wir als Team gehen, einer ist, den wir auch für unsere persönliche Entwicklung gehen.“ Was macht das Bürgerzentrum auf dem Sonnenberg eigentlich? Viele nehmen es als solches falsch wahr. „Das ist doch das, wo der Stadtteilmanager sein Büro hat“ oder „Da habe ich mir die Kulturkutsche Charlie ausgeliehen“ – „Ist es aber eben nicht nur“, betont der Stadtteilmanager.

Foto: Judith Hauße

Der Sonnenberg bietet vielfältige Angebote

„Bei meinem Besuch in Goslar bin ich auf das „MachMit!Haus“ gestoßen. Quasi ein Ort, an dem die verschiedensten Akteure der Stadt unterstützt werden können. Das ist auch etwas, das ich mir für die Bürger auf dem Sonnenberg wünsche. Eine Anlaufstelle, wo unterschiedliche Ressourcen genutzt werden können – für Menschen, die sich proaktiv engagieren.“ Tolga Cerci startete aus dieser Idee heraus eine Umfrage, um herauszufinden, wie das Bürgerzentrum bei den Menschen überhaupt wahrgenommen wird. „Andere kommen zu uns, um sich einen Pass machen zu lassen. Für so etwas ist aber die Bürgerservicestelle zuständig“, erklärt er. Die Umfrage habe noch einmal diese Falschwahrnehmung bestätigt, meint Cerci. „Dabei haben wir hier so viele coole Angebote.“ Eines davon ist etwa der neue CoWorking-Bereich. Dieser bietet Platz für vier Personen. In den abschließbaren Spinden können die persönlichen Sachen verschlossen werden. Außerdem stehen ein Kopierer sowie Kaffee und Tee auf Spendenbasis zur Verfügung. Ein Seminarraum kann ebenfalls gebucht werden mit einer Kapazität von 30 Personen. Geplant ist ein Online-Buchungssystem, in dem die Nutzer ihren Platz buchen können. Die kostenlose Plattform soll den Austausch und das Miteinander im Bürgerzentrum beleben. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass kein Anspruch auf einen dauerhaften Arbeitsplatz besteht, um eine breite Nutzung zu ermöglichen.