Start Chemnitz Energiepläne gehen am Tafelwerk vorbei
Artikel von: Judith Hauße
24.05.2023

Energiepläne gehen am Tafelwerk vorbei

Normierte Energielimits seien laut IHK nicht zielführend. Im Zweifel würde Produktion zu Gunsten politischer Ziele zurückgefahren. Fotos: pexels.com

IHK: Stimmungsaufschwung in der Wirtschaft bleibt verhalten

Mischt man steigende Zinsen, Inflation und hohe Energiekosten mit zu viel Bürokratie, hat das bei der Bevölkerung nur eines zur Folge: Verunsicherung. Dieser Meinung ist auch die Industrie- und Handelskammer Chemnitz. Sie sagt, ein Stimmungshoch sei nach Corona derzeit nicht zu erwarten. „Trotz aufhellender Zahlen gibt es keinen Aufschwung. Die Wirtschaft kommt nur sehr langsam in Gang“, sagt Martin Witschaß, IHK Geschäftsführer Standortpolitik am Mittwoch zum aktuellen Konjunkturbericht aus dem Kammerbezirk Chemnitz.

Größtes Problem bleibt die Kostenexplosion

Steigende Arbeitskosten würden die Unternehmen derzeit zusehends belasten. Risikofaktor Nummer eins: die hohen Energiepreise. Witschaß dazu: „Die Preisbremsen haben dazu beigetragen, Kosten zu senken und die Unsicherheit zu reduzieren. Allerdings zahlen viele Unternehmen durch die hohen Antrags- und Bewilligungshürden nach wie vor hohe Preise für Gas, Strom oder Fernwärme.“

Das Energieeffizientsgesetz der Bundesregierung und damit die gesetzliche Festlegung eines absoluten Endenergielimits sei hier der absolut falsche Weg, wie Witschaß betont. „Die Einsparziele sind unrealistisch und werden dazu führen, dass die Firmen notfalls die Produktion deshalb zurückfahren müssen oder erst gar nicht mehr produzieren.“ Michael Wiegner, Geschäftsführer der Sächsischen Walzengravur GmbH aus Frankenberg weiß: „Die Pläne gehen am Tafelwerk vorbei. Schon aus physikalischer Gesetzmäßigkeit heraus. Die besagt, dass ich für eine bestimmte Menge an Chrom oder Stahl so und so viel Energie benötige. Fahre ich das Energielevel herunter, bedeutet das für mich als Unternehmer, dass ich höchstwahrscheinlich auch nur die Hälfte produzieren kann.“

Deutschland hinkt in der Wettbewerbsfähigkeit hinterher

Als ein weiteres erhebliches Problem sieht der Firmenchef die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. „Das Land stellt sich immer wieder selbst Hürden in den Weg. Deutschland ist zu langsam!“

Das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorgelegte Konzept für einen Industriestrompreis setze zwar hier einen wichtigen Impuls. In seiner aktuellen Ausgestaltung würde aber nur ein sehr eng definierter Kreis von Industriebetrieben profitieren – in der Region Chemnitz wären es ca. 50 Unternehmen. „Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit beim Strompreis auch in Zukunft garantieren zu können, bedarf es Lösungen, die dem Preisauftrieb effektiv Einhalt gebieten und in der Breite der Wirtschaft wirken“, so Martin Witschaß.

Eine zunehmend große Rolle würde hierbei auch die regionale Erzeugung erneuerbarer Energien spielen. Bereits heute ist sie laut IHK für 10 Prozent der Unternehmen ein wichtiger Standortfaktor.
Abträglich für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland sind hingegen die konkrete Festlegung auf absolute Endenergielimits für die Wirtschaft und die Offenlegungspflichten für konkrete betriebliche Planungen zur Energieeffizienz, wie im Energieeffizienzgesetz gefordert.

Zusätzlich bleibt der Mangel an Arbeitskräften für jedes zweite Unternehmen ein Geschäftsrisiko. Hier setzen viele Unternehmen auf vereinfachte Regelungen für die Zuwanderung von Arbeitskräften. „Es braucht schnelle, transparente und unbürokratische Verwaltungsprozesse – gerade in Hinblick auf die neue Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche, die Punkte wie Qualifikation, Sprachkenntnisse, Alter etc. berücksichtigt.“