Start Chemnitz "Er hatte eine Botschaft und er war die Botschaft"
Artikel von: Judith Hauße
31.01.2023

“Er hatte eine Botschaft und er war die Botschaft”

Kerstin Claus, Tochter des am 3. November 2020 verstorbenen Justin Sonder, gefällt die Idee eines Denkmals in Form einer Bank. Foto: Judith Hauße

Ein Denkmal für den Auschwitz-Überlebenden Justin Sonder

„Der 30. Januar 1933 war für viele jüdische Menschen in Deutschland der Anfang vom Ende. Begonnen haben Demütigung, Hass und Verfolgung. Aus Nachbarn wurden Feinde“ – Christoph Heuber, Vizepräsident vom Internationalen Auschwitz-Komitee erinnerte anlässlich des 90. Jahrestages der nationalsozialistischen Machtergreifung am gestrigen Montag (30. Jannuar 2023) an die damaligen Gräueltaten der NS-Zeit.

Die Betroffenen, die diese Zeit überlebten, kehrten Deutschland nach ihrer Befreiung den Rücken. „Nicht so Justin Sonder“, sagt Heuber. „Im Gegensatz zu anderen, die ich mitunter auch kennenlernen durfte, ging der in Chemnitz Geborene zurück in seine Heimat.“

Hier wollte er den Nazis nicht das letzte Wort überlassen, wie Heuber sagt.

Hier zählte er in über 500 Veranstaltungen mit tausenden Schülern von seinen grauenhaften Erlebnissen im Konzentrationslager, wurde so zur Identifikationsfigur für viele junge Menschen.

Hier sollen sie sich an ihn erinnern.

Von der Idee einer Bank zeigte sich auch seine Familie begeistert. „Hier wird er nicht auf einen Sockel gestellt, sondern sitzt in seiner Bescheidenheit, so wie er auch war, bescheiden“, so die Reaktion seiner Tochter Kerstin Claus. „Es hätte unseren Vater gefallen.“

Deshalb soll zu Ehren Sonders, der am 3. November 2020 im Alter von 95 Jahren verstorben ist, ein Denkmal setzen will. Die Pläne dazu stehen noch ganz am Anfang. Erste Ideen für die Umsetzung gibt es aber bereits schon. Sie wurden in einem Termin mit Oberbürgermeister Sven Schulze und Kerstin Claus, Sonders Tochter und dem Internationalen Auschwitz-Komitee am Montag (30. Januar) vorgestellt. Entstehen soll eine Bank, auf der eine Skulptur von Justin Sonder sitzt. „Jeder kann sich neben ihn setzen und gedanklich mit Sonder ins Gespräch kommen“, erklärt Christoph Heuber die Pläne des Komitees, die für Sonders Persönlichkeit nicht treffender hätten sein können. Seine Gesprächsfähigkeit sowie die Rolle des guten Zuhörers hätten Justin Sonder immer ausgezeichnet. „Er hatte eine Botschaft und er war die Botschaft“, so Heuber.

Internationales Auschwitz-Komitee eröffnet Spendenkonto

Wo das Denkmal einmal stehen und aus was es hergestellt werden soll, ist bislang noch unklar. Aktuell sei laut Heuber eine Rostocker Künstlerin mit einem Entwurf beschäftigt. Finanziert wird es durch Spenden. Einen Ort für das Ehrenmal überlege man derzeit noch. „Das soll gemeinsam mit den Menschen der Stadt entschieden werden“, sagte Pressesprecher Matthias Nowak auf Nachfrage von WochenENDspiegel. Zur Auswahl stünden auf alle Fälle Orte, die mit Justin Sonder und seinem Leben in der Stadt Chemnitz in Verbindung stehen. Oberbürgermeister Sven Schulze sieht das Denkmal als wichtiges Zeichen, um nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch nach vorn in die Zukunft blicken zu können. „Seine Freundlichkeit und Klarheit mit der sich Justin Sonder für die Erinnerung an die Ermorderten und Verfolgten des Holocaust und der Nazi-Diktatur eingesetzt hat, waren markant für ihn“, so Schulze.

Vorbilder für ein Denkmal in Form einer Bank sehe man immer häufiger in der Öffentlichkeit, wie Christoph Heuber sagt. „Erinnert wird so beispielsweise auch an Nicholas Winton, selbst jüdischer Abstammung, der Kinder vor dem Holocaust nach England rettete.“

Zu Justin Sonder haben vor allem junge Menschen aufgeschaut. „Auch sie sollen im Rahmen des Projektes Teil des Entstehungsprozesses werden.“

Das Spendenkonto ist seit heute unter www.auschwitz.info zu finden.

Zur Person Justin Sonder

Justin Sonder wurde 1925 in Chemnitz geboren. Am 27. Februar 1943 wurde Justin Sonder verhaftet und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Dort überlebte er unvorstellbare Zustände, Hunger, Schläge, Zwangsarbeit und insgesamt 17 Selektionen. In mehreren Todesmärschen gelangte Justin Sonder schließlich im April 1945 ins fränkische Wetterfeld, wo er am 23. April 1945 durch die amerikanische Armee befreit wurde. Am 19. Juni 1945 kehrte er gemeinsam mit seinem Vater in seine Heimatstadt zurück.