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Artikel von: Andre Kaiser
17.05.2023

Erfolgreiche Inklusion

Phillip mit seiner Patin Susann Wetzel an seinem neuen Arbeitsplatz in der Arbeitsagentur. Foto: André Kaiser
Phillip mit seiner Patin Susann Wetzel an seinem neuen Arbeitsplatz in der Arbeitsagentur. Foto: André Kaiser

Annaberg-Buchholz. Er ist freundlich, aufgeschlossen, wortgewandt und hat immer ein aufmunterndes Lächeln auf den Lippen. Phillip Sonntag, bis dato in der Werkstatt der Lebenshilfe Annaberg e.V. tätig, bezog kürzlich seinen neuen Arbeitsplatz im Service Center der Annaberger Arbeitsagentur, sehr zur Freude von Sven Schulze. Der Leiter der Behörde: „Mit der Eingliederung von Phillip ist uns gemeinsam mit unseren Partnern wirklich etwas Großes gelungen. Mit ihm haben wir einen intelligenten jungen Mann gewonnen“.

In seinem neuen Job erledigt er nun typische Bürotätigkeiten, bearbeitet Drucksachen und E-Mails. Arbeiten, die für uns selbstverständlich erscheinen, für ihn jedoch vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären. Denn Phillip ist schwerbehindert, leidet an einer spastischen Lähmung. Zudem war er in der Vergangenheit sehr unsicher und verklemmt.

Was dabei keiner ahnte: Seine ängstliche, resignierende Haltung resultierte vor allem aus einer Begegnung ausgerechnet mit einer Berufsberaterin, die ihm im zarten Alter von 16 Jahren wenig Hoffnung bezüglich seiner beruflichen Laufbahn machte. Ein Schlüsselerlebnis, welches ihm bis heute im Gedächtnis geblieben ist. „Sie sagte mir damals, dass es schade sei, dass ich mit solch einem guten Notenschnitt von 2,1 nichts anfangen könne. Auch wenn ich eine Ausbildung machen und erfolgreich abschließen würde, hätte ich danach dennoch keine Chance auf einen Job“, so der heute 28-Jährige, der daraufhin in ein tiefes emotionales Loch fiel. „Das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, war für mich einfach nur deprimierend. Glücklicherweise baute mich die Lebenshilfe wieder auf“.

Worte, die Steffen Helbig nur bestätigen kann. Der Werkstattleiter der Lebenshilfe Annaberg: „Phillip war damals ein junger Mann mit vielen Selbstzweifeln. Er hatte unter anderem Angst, vor anderen zu sprechen und war sehr verschlossen. Es hat lange gedauert, bis er bei uns angekommen ist“.

Mit zunächst kleinen Aufgaben, die ihm übertragen wurden, konnte Phillip bei der Lebenshilfe nun nach und nach seine Angst überwinden und langsam merkte er, welche Fähigkeiten in ihm schlummerten. „Phillip ist sehr strebsam und hat sich immer weiterentwickelt. So konnten wir ihm nach zwei Jahren einen weiteren wichtigen Schritt zutrauen und ihn an der Rezeption arbeiten lassen“, ergänzt Naemi Wolf, Phillips ehemalige Gruppenleiterin in der Lebenshilfe. Zweifelsohne ein Meilenstein auf dem langen Weg in den Ersten Arbeitsmarkt.

Zwei weitere Jahre vergingen, in denen Phillip sein Wissen und seine Persönlichkeit entwickeln konnte. Im Rahmen des Aktionstages „Schichtwechsel“, bei welchem seit 2019 deutschlandweit Beschäftigte mit und ohne Behinderung für einen Tag die Arbeitsstelle tauschen, konnte Phillip erstmals frische Luft am Ersten Arbeitsmarkt schnuppern. Denn sowohl die Arbeitsagentur, als auch die Lebenshilfe beteiligten sich an der Aktion, mit durchschlagendem Erfolg. Denn in der Folgezeit schlossen sich Praktikum, Qualifizierung und jüngst die Teilausbildung an, deren Prüfung Phillip im März mit Bravour bestand und schließlich bei der Arbeitsagentur eingestellt wurde.

Die Stelle ist zunächst befristet. Allerdings bekräftigt Sven Schulze, dass es sein Wille ist, Phillip auch nach zwei Jahren weiter zu beschäftigen. „Vor dreieinhalb Jahren hatten wir unseren ersten Kontakt und seitdem viele Gespräche geführt. Daran ist gut zu erkenne, welch langen Atem es braucht. Ich bin aber absolut sicher und überzeugt, dass es sich bei Phillip geloht hat“, freut sich der Agentur-Chef über seinen neuen Mitarbeiter mit dem Vermerk, dass die erfolgreiche Inklusion vor allem durch die gute Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagentur und Lebenshilfe gelingen konnte.

Arbeitgebern möchte er mit diesem Beispiel Mut machen, Menschen mit Handicap in ihren Unternehmen einzustellen. Sicher seien die Rahmenbedingungen nicht immer leicht. Allerdings sollten Geschäftsführer und Personalverantwortliche auch andere Aspekte mit ins Kalkül ziehen. „In der Regel sind diese Menschen hochmotiviert und verfügen in 75 Prozent der Fälle über eine abgeschlossene Ausbildung“, so Schulze. Das ist ein Pfund, welches gerade in Zeiten des Fachkräftemangels berücksichtigt werden sollte.