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Artikel von: Redaktion
28.09.2018

Ernüchterung statt Aufschwung nach der Wende

Nicht für alle ging es nach der Wende aufwärts. Erst langsam erholte sich die Wirtschaft. Fotos: Pixabay

Sachsen. Mit dem Ende der DDR hat sich über Nacht das gesamte Wirtschaftssystem der Region Sachsen geändert. Die Politiker der Bundesrepublik versprachen in blümeranten Worten einen nie dagewesen Aufschwung der neuen Bundesländer. Angestrebt wurde nichts weniger als eine Angleichung der Wirtschaftskraft der alten und neuen Bundesländer. Die finanziellen und politischen Bemühungen wurden unter dem Begriff “Aufbau Ost” berühmt.

Tatsächlich erholte sich die Wirtschaft im Osten nach der Wende schnell. Besonders erfolgreich waren die Bemühungen in Sachsen, wo im Erzgebirge wie in Mittelsachsen und dem Vogtland neue Jobs entstanden. Die “Erfolgsgeschichte Sachsen” oder das “Wirtschaftswunder im Osten” – wie Sachsens Aufschwung oft beschrieben wurde – sind jedoch nur eine Mär.

Der zaghafte Aufstieg
Der “Aufbau Ost” erzählte in den ersten Jahren der Wiedervereinigung seine schönsten Geschichten. Politiker auf Bundes- wie auf Landesebene brüsteten sich mit den schnellen Erfolgen für die Wirtschaft. Tatsächlich fußte der anfängliche Aufschwung auf Faktoren, die von der Politik nur unwesentlich beeinflusst wurden.
Ein Jahr nach der Wende sank die Wirtschaftsleistung in Sachsen bis zum Frühjahr um satte 35 Prozent. Schon beim Zusammenbruch der DDR war die Wirtschaft am Boden und die Kaufkraft stark geschwächt. Die unglaublichen Wirtschaftszahlen mit zweistelligen Wachstumsraten waren nur aufgrund der um ein Drittel gesunkenen Wirtschaftsleistung möglich. Neue Unternehmen siedelten sich in Sachsen an, moderne Produktionsanlagen wurden vielerorts aus dem Boden gestampft. Die Wirtschaftskraft stieg zum Ende des Jahrs schnell an, bis 1995 um 50 Prozent. Rechnet man den deutlichen Rückgang im ersten Jahr nach der Wende mit ein, so ergibt sich ein ganz anderes Bild von einem Wachstum von 15 Prozent.

Wirtschaft wächst, Arbeitslosenzahl auch
Die Wirtschaft erholte sich in Sachsen wie in allen neuen Bundesländern. Neue Produktionsstätten und die Ansiedlung neuer Unternehmen waren nicht gleichbedeutend mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Tatsächlich sank die Zahl der Erwerbstätigen nach der Wende drastisch. Offiziell stieg die Arbeitslosenquote in der Region auf bis zu 15 Prozent. Zahlreiche Menschen waren in dieser Zeit in Weiter- oder Fortbildungsmaßnahmen geparkt. Bereinigt man die Zahlen um diese Personen, so war jeder dritte “neue” Bundesbürger erwerbslos.

Der Grund für die hohen Arbeitslosenzahlen hatte viele Gesichter. Auf der einen Seite waren deutlich weniger Menschen im staatlichen Dienst eingestellt. Der Staatsapparat der DDR war aufgebläht, die Bundesrepublik benötigte deutlich weniger Personal. Die Privatwirtschaft errichtete zudem moderne Produktionsanlagen, die mit viel weniger Personal betrieben wurden. Trotz aller Bemühung der Politik änderten auch zahlreiche Maßnahmen nichts an der Zahl der Arbeitslosen.

Verschuldung als Folge der Wende
Bis 1995 verzeichnete die Wirtschaft in Sachsen und den anderen neuen Bundesländern solide Wachstumsraten. Mitte der 90er Jahre war der Aufschwung gänzlich abgeflaut. In den folgenden Jahren stagnierte die Wirtschaft, bis 2008 betrug das Wachstum gerade einmal 1,6 Prozent. Die Arbeitslosenquote blieb hoch, viele jungen Menschen wanderten ab.

Als Folge der Wiedervereinigung gerieten viele Menschen in Sachsen in finanzielle Schwierigkeiten. Sie nahmen lukrative Kredite zu guten Konditionen auf, konnten diese jedoch nicht dauerhaft bedienen. Noch heute ist die Verschuldung der Privathaushalte in Ostdeutschland höher als im Westen. Das geht bis auf die 1990er Jahre zurück, als Sachsen einst als “Wirtschaftswunder im Osten” tituliert wurde.