Start Erzgebirge Erster DKW-Sieg vor 100 Jahren
Artikel von: Sven Günther
25.09.2020

Erster DKW-Sieg vor 100 Jahren

Museumsleiter Dirk Schmerschneider mit dem Vorgänger des „Reichfahrtmodells“ von 1922 im Chemnitzer Fahrzeugmuseum. Foto: Museum für sächsische Fahrzeuge Chemnitz e.V.

Schneller Arsch-Wärmer

Von Frieder Bach
Zschopau/Chemnitz Am 3. Oktober darf nicht nur die Wiedervereinigung Deutschlands gefeiert werden. Vor genau 100 Jahren gewann das erste Mal ein Rennfahrer, der einen DKW-Motor nutzte, ein Motorradrennen. Nur wenigen wird bekannt sein, dass es in diesem Jahr einen Grund zum Feiern gibt, der einen markanten Termin in der industriellen Entwicklung Sachsens darstellt.

Vor genau einhundert Jahren, am 3. Oktober 1920, wurde auf der Rennbahn in Dresden-Reick der erste Sieg bei einem Motorrad-Rennen in Deutschland erzielt, bei dem ein Rennfahrer einen Motor benutzte, der in der „Zschopauer Maschinenfabrik J. S. Rasmussen“ hergestellt wurde.

Zwei DKW-“Arschwärmer“ in der Mitte, rechts: der Vorgänger des „Reichsfahrtmodells“. Foto: Archiv F. Bach

Die Firma war in Chemnitz gegründet worden, hieß einige Zeit später „Zschopauer Motorenwerke“ und war im allgemeinen Sprachgebrauch als DKW (Dampf-Kraft-Wagen) bekannt. 1928 war sie die größte Motorradfabrik der Welt und wurde ab 1932 ein Bestandteil der „Auto Union“, deren Firmensignet in Form von vier Ringen heute noch als Emblem jedes Audi-Fahrzeug ziert.
Nach Kriegsende wurde die Auto Union in Sachsen aufgelöst. Durch die Reparationsleistungen an die Sowjetunion standen die DKW-Hallen in Zschopau leer. Bald zog jedoch wieder eine
Motorradproduktion ein, die unter dem Markenzeichen MZ (Motorradwerk Zschopau) bekannt wurde. Hier wurden robuste Gebrauchsmaschinen von 125 bis 350 ccm produziert. Auf deren Basis entstanden Rennmaschinen und Geländemotorräder, die durch ihre Fahrer wieder zu Weltruhm gelangten.
Schon der Firmengründer Jørgen Skafte Rasmussen und seine Mitarbeiter der ersten Stunde hatten damals erkannt, welch ungeahnte Wirkung sportliche Erfolge eines Fabrikates auf den
Absatz der Serienerzeugnisse haben. Auch später in der DDR, obwohl hier fast nie der Bedarf an Fahrzeugen gedeckt werden konnte, wurden schöne Prospekte gedruckt, die in erster Linie für den Absatz im Ausland gedacht waren und meist nur auf der Leipziger Messe erhältlich waren. Leider fand die Motorradherstellung in Zschopau einige Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ein Ende.
Den zu feiernden ersten DKW-Sieg in Deutschland errang der Berliner Fahrer Max Hucke. Er war nach dem Ersten Weltkrieg auf vielen Rennstrecken zu finden und benutzte Motorräder unterschiedlicher Hersteller. Bei dem in Dresden-Reick benutzten Fahrzeug handelte es sich um ein Fahrrad, auf das ein Motor aus der Zschopauer Fertigung hinter dem Fahrer montiert war. Aufgrund dieser Anordnung nannte der Volksmund diese Motoren „Arschwärmer“.
Diese Bauweise überforderte viele der damaligen Fahrradrahmen und es gab zahlreiche Rahmenbrüche, z. T. auch mit Unfällen. Aus diesem Grund wurden die Motoren dann in das vordere Rahmendreieck des Fahrrades eingebaut. Verstärkungen des Rahmens bzw. Anfertigung spezieller Rahmen und Gabeln mit Federung führten in der Folgezeit zur Produktion kompletter Motorfahrzeuge in Zschopau.
Da mit Motorrädern dieser Bauart 1922 bei der der ADAC-Reichsfahrt, dem damals bedeutendsten Rennen in Deutschland, ein Sieg errungen werden konnte, hießen die ersten in Serie hergestellten Zschopauer Motorräder „Reichsfahrtmodell“. Die Konstruktion dieser Fahrzeuge stammte vom Reißbrett eines jungen Chemnitzer Ingenieurs, der 1921 seine Tätigkeit in der Fabrik des Dänen J.S. Rasmussen in Zschopau begonnen hatte. Sein Name war Hermann Weber. Während seines Studiums wohnte er auf dem Chemnitzer Kaßberg, in der der Ahornstraße 38.
Im Museums für sächsische Fahrzeuge Chemnitz e.V. ist noch bis 14. Februar 2021 die Sonderausstellung „Fix voran mit Frontantrieb – 90 Jahre DKW-Rennwagen“ zu besichtigen.

Walter Ebstein, ein Berliner Rennfahrer und AVUS-Sieger 1922, hier auf einer der ersten DKW-motorisierten Rennmaschine, die als Besonderheit eine stromlinienförmige Heckverkleidung besaß. Eines dieser Rennmotorräder sowie ein „Arschwärmer“ sind im Chemnitzer Fahrzeugmuseum ausgestellt. Foto: Archiv F. Bach