Start Erzgebirge FCE: Erfolgstrainer Dotchev über seine Pläne
Artikel von: Sven Günther
09.05.2016

FCE: Erfolgstrainer Dotchev über seine Pläne

Aufstieg! Der FCE jubelt vor dem Kölner Dom. Foto: Alexander Gerber
Aufstieg! Der FCE jubelt vor dem Kölner Dom.
Foto: Alexander Gerber

FCE: Dotchev glaubt an Köpke als Veilchen

Aue/Köln. Nach dem Auswärtssieg in Köln jubelten die Fans des FCE über den Aufstieg. In einem Interview mit den Experten von dfb.de, spicht Erfolgstrainer Pavel Dotvchev über seine Pläne und die Saison. Hier lesen Sie das Gespräch:

Einer der erfahrensten Trainer in der 3. Liga geht künftig eine Klasse höher an den Start. Am vorletzten Spieltag machte Pavel Dotchev (151 Drittliga-Spiele mit dem SC Paderborn 07, dem SV Sandhausen, SC Preußen Münster und FC Erzgebirge Aue) mit den Erzgebirglern durch das 2:0 beim SC Fortuna Köln die Vizemeisterschaft hinter Dynamo Dresden und damit den Aufstieg in die 2. Bundesliga perfekt. Der 50-jährige Ex-Profi (unter anderem Hamburger SV), der 24 Länderspiele für sein Heimatland Bulgarien bestritt, führte die „Veilchen“ damit ein Jahr nach dem Abstieg auf Anhieb zurück in das Unterhaus des deutschen Profifußballs.

Im DFB.de-Interview spricht Pavel Dotchev mit dem Journalisten Ralf Debat über die Aufstiegsparty am Kölner Dom, die nächtliche Rückkehr nach Aue, seinen schwierigen Start im Erzgebirge, die wichtigsten Gründe für den Erfolg, die Pläne für die Zukunft und warum er sich über den Ruf als “Abwehrbollwerk” ärgert.

DFB.de: Wie kurz war die Nacht nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga, Herr Dotchev?

Pavel Dotchev: Ganz kurz, aber das ist kein Problem. Ich bin daran gewöhnt, nicht allzu lange zu schlafen. Nachdem ich um ca. drei Uhr zu Hause war, habe ich mir erst noch einmal die MDR-Zusammenfassung aller Drittliga-Spiele angeschaut. Ich bin dann auf dem Sofa eingeschlafen, war schon um acht Uhr morgens wieder wach.

DFB.de: Gleich nach dem 2:0 bei Fortuna Köln ging es zunächst mit der gesamten Mannschaft auf die Domplatte…

Dotchev: Eine sehr gute Idee, wie ich finde. Dieses Bild vor dem Kölner Dom wird wohl niemand von uns mehr in seinem Leben vergessen. Diese Erinnerung bleibt für immer.

DFB.de: Wie ging es weiter?

Dotchev: Unsere Busfahrt nach Hause hat etwa sechs Stunden gedauert, weil wir auch mehrfach an Raststätten angehalten hatten. Dort haben uns immer wieder Fans erwartet und gefeiert. Als wir dann um kurz nach Mitternacht am Stadion in Aue ankamen, waren über 2500 Anhänger da, um uns zu empfangen. Das war Wahnsinn und sehr beeindruckend. Schon im Kölner Südstadion hatten 3000 Fans die Partie zu einem Heimspiel für uns gemacht, die Mannschaft vorbildlich unterstützt.

DFB.de: Als der Aufstieg feststand, war Ihnen anzusehen, dass viele Emotionen aufkamen. Wie würden Sie Ihre Gefühlslage im Moment des Erfolges beschreiben?

Dotchev: Zunächst einmal bin ich froh und glücklich, dass wir es geschafft haben. Als dann viele Spieler und Mitarbeiter zu mir gekommen sind, um sich zu bedanken, hat mich das schon sehr berührt. Es war vor allem auch eine große Erleichterung, denn die innere Spannung, die sich über Wochen aufgebaut hatte, ist von uns allen abgefallen.

DFB.de: Haben Sie die gute Ausgangsposition denn als Belastung empfunden?

Dotchev: Ich will es mal so sagen: Wir standen seit 14 Spieltagen auf Platz zwei, wollten diese Position unbedingt verteidigen. Dadurch hatten wir plötzlich etwas zu verlieren, denn schon die Teilnahme an der Relegation, die uns vor der Saison wohl kaum jemand zugetraut hätte, wäre bei dieser Konstellation schon eine Enttäuschung gewesen. Deshalb wollten wir auch unbedingt in Köln gewinnen, um es nicht auf ein ‚Finale‘ am letzten Spieltag ankommen zu lassen, zumal es dabei auch noch gegen meinen früheren Verein Preußen Münster geht.

DFB.de: Als Sie am 4. Juni 2015 als neuer Trainer in Aue vorgestellt wurden, stand noch kein einziger Spieler für die neue Drittliga-Saison unter Vertrag. Hätten Sie zu diesem Zeitpunkt eine solche Entwicklung für möglich gehalten?

Dotchev: Ich war in der Tat ein Trainer ohne Mannschaft. Erst wenige Stunden nach meiner Verpflichtung hat dann mit Martin Männel unser Torhüter als erster Spieler seinen Vertrag verlängert. Später folgten aus dem alten Zweitliga-Kader noch Sebastian Hertner und Mike Könnecke. Das waren schon mal wichtige Bausteine. Grundsätzlich hätte ich noch gerne weitere Spieler gehalten, die wollten aber nicht. Andere wollten bleiben, passten aber nicht in das Konzept, mit jungen und hungrigen Jungs einen Neuanfang zu starten. Wir haben dann viele Spieler aus unteren Ligen verpflichtet, was zweifellos auch ein gewisses Risiko war. Manche Spieler wie Max Wegner, Simon Handle oder im Winter Cebio Soukou konnten sich erst durch ein regelrechtes ‚Casting‘ bei uns empfehlen. Auch deshalb gab es viele Skeptiker, die uns nicht viel zugetraut haben. Die Vereinsführung um unseren Präsidenten Helge Leonhardt hat aber immer die Ruhe bewahrt und der Sportlichen Leitung großes Vertrauen geschenkt. Ich konnte so arbeiten, wie ich es mir gewünscht hatte.

DFB.de: Welche entscheidenden Gründe haben aus Ihrer Sicht zu diesem Erfolg beigetragen?

Dotchev: Da kommt sicher einiges zusammen. Zum einen haben viele Spieler, die wir geholt haben, die Aufgabe in Aue als große Chance für sich selbst gesehen. Ich musste die Jungs nicht Woche für Woche neu motivieren. Zum zweiten ist es uns offenbar gelungen, eine Mannschaft zusammenzustellen, die nicht nur fußballerisch, sondern auch charakterlich sehr gut harmoniert. Die Jungs sollten auch zur Region passen, die unter anderem für harte Arbeit, Bescheidenheit und Bodenständigkeit steht. Das hat alles sehr gut funktioniert. Als ich beispielsweise der Mannschaft während unseres Sommer-Trainingslagers in Bad Blankenburg in Thüringen einen Abend zur freien Verfügung spendiert hatte, saßen dennoch alle ohne Ausnahme an einem Tisch, verbrachten die Zeit gemeinsam. Damals dachte ich mir schon, dass etwas Großes wachsen kann.

DFB.de: Der Saisonstart verlief mit einem Punkt aus den ersten beiden Partien aber recht holprig…

Dotchev: Das stimmt schon. Dennoch waren wir alle nach dem 0:0 im ersten Spiel gegen den VfL Osnabrück hochzufrieden, wie die völlig neuformierte Mannschaft aufgetreten ist. Die Erwartungshaltung war zu Beginn auch nicht so hoch. Als dann aber unsere ersten Siege in der Meisterschaft und die 1:0-Pokalerfolge gegen die SpVgg Greuther Fürth und Eintracht Frankfurt hinzu kamen, wusste ich, dass wirklich viel Potenzial und Qualität im Kader steckt. Ein Schlüsselspiel war dann für mich das Derby in Chemnitz, das wir nach einer kleinen Schwächephase 2:1 für uns entscheiden konnten. Da hat die Mannschaft gezeigt, dass sie auch mit Druck umgehen kann. Mit jedem Sieg wuchs das Selbstvertrauen.

DFB.de: Besonders bemerkenswert waren im Laufe der Saison die Konstanz und die defensive Stabilität. Würden Sie da zustimmen?

Dotchev: Wir sind vor dem letzten Spieltag zu Hause noch ungeschlagen, haben nie zweimal in Folge verloren und außerdem 23-mal zu Null gespielt. Das sind beachtliche Werte. Dennoch habe ich mich oft geärgert, wenn gegnerische Trainer oder Medienvertreter von einem “Abwehrbollwerk” oder “Defensivkünstlern” gesprochen haben. Das stimmt nämlich so nicht. Unser Spiel ist vielmehr auf Ballbesitz und -kontrolle angelegt. Wir reagieren nicht, sondern wir agieren. Solange wir am Ball sind, kann der Gegner eben kein Tor erzielen. So einfach ist Fußball manchmal.

DFB.de: Trauen Sie der Mannschaft zu, auch eine Liga höher bestehen zu können?

Dotchev: Auf keinen Fall werden wir die Seele dieses Kaders auseinander reißen. Wir wollen die Mannschaft zusammenhalten und vielleicht mit drei oder vier Spielern punktuell verstärken. Wir wollen den Weg mit den Jungs, die den Aufstieg geschafft haben, weitergehen. Fast alle Spieler haben auch schon einen Vertrag bis mindestens 2017. Mein Wunsch wäre es, eine Mannschaft über vier oder fünf Jahre aufbauen und formen zu können.

DFB.de: Ihr Torjäger Pascal Köpke, der seit der Winterpause bei 13 Einsätzen achtmal traf, ist nur bis zum Saisonende vom Karlsruher SC ausgeliehen. Wie stehen die Chancen, auch ihn zu halten?

Dotchev: Pascal fühlt sich in Aue sehr wohl, hat auch schon den Wunsch geäußert, bei uns zu bleiben. Ich kenne die Pläne des KSC noch nicht, denke aber, dass wir keine schlechten Karten haben.

DFB.de: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Ist Ihr zweiter Zweitliga-Aufstieg nach 2005 mit dem SC Paderborn 07 auch eine Genugtuung, weil sie damals nicht die Chance bekommen hatten, in der 2. Bundesliga zu arbeiten?

Dotchev: Ich müsste lügen, wenn ich das bestreiten würde. Mein Vertrag war damals trotz des Aufstiegs nicht verlängert worden. Vier Jahre später wurde ich ebenfalls in Paderborn kurz vor dem Saisonende entlassen, obwohl wir auf einem Aufstiegsplatz standen. In Münster reichten 2013 dann 71 Punkte nur zu Rang vier. Das tat schon weh. Umso mehr freue ich mich, dass es jetzt mit Aue geklappt hat und ich hier weiter arbeiten darf.   [mspw]