Start Feucht, aber fröhlich – Historischer Techniker-Bummel in der Hochschulstadt Mittweida
Artikel von: Redaktion
10.10.2015

Feucht, aber fröhlich – Historischer Techniker-Bummel in der Hochschulstadt Mittweida

Prof. Dr. Ludwig Hilmer, Schirmherr und Rektor der Hochschule Mittweida, trotze als Carl Georg Weitzel dem Wetter. Foto: Helmut Hammer, Hochschule Mittweida
Prof. Dr. Ludwig Hilmer, Schirmherr und Rektor der Hochschule Mittweida, trotzte als Carl Georg Weitzel dem Wetter. Foto: Helmut Hammer, Hochschule Mittweida

Mittweida. Zum Beginn des Wintersemesters lud die Hochschule Mittweida im 150. Jubiläumsjahr gemeinsam mit der Stadt Mittweida am Mittwoch, dem 7. Oktober, zu einem Spaziergang entlang der Orte der Anfänge ein. Unmittelbar nach der feierlichen Immatrikulation in der Stadtkirche „Unser lieben Frauen“ waren die Erstsemester, ihre Angehörigen, Professoren und Mitarbeiter der Hochschule gemeinsam mit den Bürgern und Gästen der Hochschulstadt zum Historischen Techniker-Bummel eingeladen.  Etwa 400 potenzielle Bummler versammelten sich schließlich am frühen Abend auf dem Markt. Gemeinsam mit der Feuerwehrkapelle Göritzhain und den Studenten vom Bratwurststand warteten sie auf den Startschuss, den Technicum-Gründer Wilhelm Heinrich Uhland, sein Nachfolger Carl Georg Weitzel und Bürgermeister Oskar Friedrich Kunze geben sollten. Hinter den drei historischen Persönlichkeiten aus den Jahren um 1870 verbargen sich Gästeführer Matthias Kreskowsky, Hochschulrektor Dr. Ludwig Hilmer und Oberbürgermeister Ralf Schreiber.
Als der Regen heftiger wurde und die an den einzelnen Stationen des Bummels vorbereitete Projektions- und Übertragungstechnik gefährdet war, entschloss man sich zu einer Kurzversion des Bummels entlang der Rochlitzer Straße ohne die Ausführungen von Wilhelm Heinrich Uhland alias Matthias Kreskowsky an den fünf geplanten Häusern. Die drei Herren ließen es sich aber nicht nehmen, wenigstens die Kurzversion der Geschichte der Hochschule in  der Hochschulstadt Mittweida zu erzählen. Deren jüngstes Kapitel ist die seit kurzem auch offizielle Bezeichnung als „Hochschulstadt“.

Anfänge als Straßenhochschule
Der Anfang war am 3. Mai 1865. An diesem Tag gründete der aus Württemberg stammende 25-jährige Wilhelm Heinrich Uhland das Uhland‘sche Technicum als private höhere technische Lehranstalt zur Ausbildung von Maschinenbauern. Schon Uhland legte großen Wert auf die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis, konnte sich wirtschaftlich aber nur mühsam etablieren. Carl Georg Weitzel, einer der bei Uhland angestellten Lehrer, übernahm deshalb das ehrgeizige Projekt und eröffnete am 7. Mai 1867 mit der Unterstützung lokaler Unternehmer das „Technicum Mittweida“ (ab 1880 „Technikum Mittweida“). Das Uhland’sche Technicum etablierte sich von 1865 bis 1867 zunächst in verschiedenen Gebäuden überwiegend in der Rochlitzer Straße und im Theaterhaus (heute Kino) mit Sekretariat, Internat und Unterrichtsräumen. Diese Infrastruktur wurde bei der Weiterführung von Carl Georg Weitzel 1867 übernommen. Erst in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts folgten die heute bekannten historischen Technikum-Gebäude auf dem Galgenberg, der damals noch außerhalb der Stadt lag. Die von Weitzel und seinem Nachfolger Alfred Udo Holzt als private Ausbildungsstätte geführte Einrichtung zog schon bald zahlreiche Studierende an: Schon um die Jahrhundertwende war das „Technikum Mittweida” eine der größten privaten Lehreinrichtungen in Deutschland mit der Ausbildung von Maschinenbau- und Elektro-Ingenieuren.

Internationaler Techniker-Bummel in den 1920er Jahren
Die Studenten des früheren Technikums – die „Techniker“ – zogen im vergangenen Jahrhundert nach der letzten Lehrveranstaltung jeden Tag am späten Nachmittag in die Stadt und trafen sich in einer der sechzig Gaststätten. Dieser „Techniker-Bummel“ prägte das Stadtleben. In der Mitte der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zählte das „Technikum Mittweida” bereits 2300 junge Menschen als Studierende. Sie kamen vor allem aus den europäischen Ländern, aber auch aus Übersee und aus Asien. Zeitweise waren mehr als die Hälfte aller Studenten Ausländer. Der große Zulauf an Studierenden aus dem In- und Ausland prägte auch zunehmend das Gesicht der Technikumstadt Mittweida. Zeitzeugen berichten schließlich vom täglichen „Techniker-Bummel“ am Nachmittag auf der Rochlitzer Straße. „Da sahen wir Norweger mit einem Gang, als hätten sich Schiffsplanken unter sich, da waren baumlange weißblonde Schweden, kleine lächelnde Chinesen, … Da gab es viele Studierende aus Russland, Wissensdurstige aus Brasilien, Chile und Uruguay… Das war wirklich eine Welt, das war beinahe die Welt!“ [Mittweidas Ingenieure in aller Welt, Hg. Hochschule Mittweida, ergänzte Nachauflage 2014, S. 8]

Eröffnung des „1865“
Auf dem verkürzten Bummel war schließlich das „1865“ die erste Möglichkeit, wieder ins Trockene zu kommen. Rektor Dr. Ludwig Hilmer eröffnete dieses Jubiläums-Café  an der Ecke Rochlitzer-/Poststraße. Das Haus spielt auch eine Rolle in der frühen Geschichte des Technikums. In der jüngeren Vergangenheit war hier zuletzt das „Black & White“. Für den zweijährigen Jubiläumszeitraum bis Mai 2017 wird das „1865“ ein Ort sein, der Studierende und Bürger der Stadt in nostalgischer Atmosphäre mit vielen zeitgenössischen Ausstellungsstücken zum Thema Jubiläum zusammenbringen soll. Es ist täglich ab 19 Uhr geöffnet. pm

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