Start Frank Müller-Rosentritt: „Russland ist nicht Putin“
Artikel von: Redaktion
22.06.2018

Frank Müller-Rosentritt: „Russland ist nicht Putin“

Frank Müller-Rosentritt in seinem Chemnitzer Büro. Fotos: Cindy Haase

Chemnitz. Der Chemnitzer Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt (FDP) war die vergangenen zwei Tage zu politischen Gesprächen in Moskau. Dabei war er einziger Sachse in der vierköpfigen FDP-Delegation unter Führung des Außenexperten Alexander Graf Lambsdorff. WochenENDspiegel sprach einen Tag nach seiner Rückkehr mit dem 36-Jährigen über seine Impressionen, die Bedeutung der Deutsch-Russischen Beziehungen und warum Russland und seine Bewohner nicht mit Präsident Putin gleichzusetzen sind.

Frank Müller-Rosentritt, wie kam es zu Ihrer Reise nach Russland?
In meiner ersten Rede im Bundestag hatte ich gesagt, dass es wichtig ist, dass Deutschland eine besondere Beziehung zu Russland hat. Das ist eine der wichtigsten politischen Achsen. Ich verstehe Deutschland auch als Brücke zwischen Ost und West. Das klingt aus Chemnitzer Perspektive banal und selbstverständlich.

Ist es das in Berlin nicht?
Nein, ganz und gar nicht. Und je weiter man von Deutschland aus nach Westen kommt, umso schwieriger wird es. Die Amerikaner waren bei meinem Besuch dort völlig verständnislos und unser Verständnis für Russland versteht man dort nicht. Auch die Kanzlerin hat in der Beziehung schon viel Dresche bezogen. Die Regierung Russlands wird im Westen als Feindbild gesehen.

Bei der FDP nicht?
Man darf das nicht durcheinander bringen. Wir kritisieren als FDP die gleichen Dinge wie andere auch zum Beispiel das völkerrechtswidrige Verhalten in der Krim-Krise oder die Politik hinsichtlich der Ostukraine.  Aber wir müssen mit Russland in ein Handeln kommen, dass es uns erlaubt, die Eiszeit zu beenden. Bei aller Kritik an Russland ist es ganz notwendig in maximalen Dialog zu kommen. Man darf Politiker nicht mit den Unternehmen und Menschen gleichsetzen. Russland ist nicht Putin.

Wie lassen sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland aus Ihrer Sicht verbessern?
Man muss realistisch sein: Auf Regierungsebene Lösungen zu finden, ist nur in den seltesten Fällen möglich. Wir müssen von der Basis her den Dialog suchen, uns mit Unternehmern und Wissenschaftlern unterhalten, aber auch russische Studenten zu uns holen. Deutsch ist in Russland zweitbeliebteste Fremdsprache.

Wie ist es aus Ihrer Sicht um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland bestellt?
Rund 5.000 Unternehmen werden durch die Deutsch-Russische Außenhandelskammer betreut. Durch die Sanktionen 2014 ist der Handel in den zwei Jahren danach sehr nach unten gegangen.  Die Talsohle ist inzwischen durchschritten. Seit 2017 ist der bilaterale Handel wieder auf 44,2 Milliarden Euro gestiegen. Das ist ein Plus von fast 23 Prozent zum Vorjahr. Allerdings ist die öffentliche Wahrnehmung in der Bevölkerung teilweise eine andere. Dabei verzeichnen wir auch 2018 schon wieder einen starken Anstieg.

Sind die Sanktionen und Gegensanktionen sozusagen ohne Einfluss?
Nein, natürlich gibt es auch Fälle, wo die Sanktionen für einzelne Unternehmen existenzbedrohlich sind. Aber im Durchschnitt verzeichnen wir ein Wachstum. Es sind ja nicht nur Sanktionen, die den deutschen Unternehmen in Russland das Leben schwer machen. Genannt werden hier von Unternehmern auch die große Bürokratie, fehlende Finanzierungsmöglichkeiten, Inflation, Wechselkurse und Importsubstitutionen.

Was ist Ihr Fazit nach zwei Tagen Russland?
Russland ist nicht Putin. Bei aller Notwendigkeit von Antworten, die wir aufgrund von Völkerrechtverletzungen geben, ist es wichtig, uns mit Unternehmen, Wissenschaftlern und den Menschen auseinander zu setzen. Die Bereitschaft russischer Unternehmen,von Deutschland zu kaufen, ist riesig. Deswegen ist es auch so wichtig, in Russland präsent zu sein.