Start Zwickau Gedenkort mit "Lücken"?
Artikel von: Redaktion
03.11.2019

Gedenkort mit “Lücken”?

Die NSU-Gedenkstätte wurde am Sonntagvormittag eingeweiht. Fotos: Alice Jagals

Zwickau. Es ist ein besonderer Sonntagvormittag. Um 10:00 Uhr wurde die Gedenkstätte für die zehn NSU-Opfer auf der Ziegelwiese am Schwanenteich-Areal eingeweiht. Zehn Bäume und entsprechende Gedenktafeln erinnern künftig an die Menschen, die von den Rechtsterroristen, die jahrelang in der viertgrößten Stadt Sachsens wohnten, ermordet wurden.

So mancher mochte kaum glauben, dass doch so viele Menschen den Weg an ihrem freien Tag gegangen sind. An der Veranstaltung nahmen rund 450 Personen teil, unter Ihnen Bundestagsabgeordnete, Stadträte, Vertreter von Kirchen, Unternehmen und Institutionen. Mit dabei waren auch Mitglieder des „Tribunals NSU auflösen“, welches von dem Bundesweiten Aktionsbündnis ‚NSU-Komplex auflösen‘ sowie von einer Vielzahl von Personen hervorgegangen ist und getragen wird, die sich aus unterschiedlichen Motiven gegen Rassismus engagieren wollen.

So mag man glauben, dass jeder einen solchen Gedenkort gut finden sollte. Doch die Plakate zeigten, dass es damit nicht getan ist. Als „Staatsversagen“ betitelte die Vorsitzende des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, Dorothea Marx (SPD), am Sonntagvormittag die Aufklärungsarbeit um den NSU. Der Erinnerungsort, sei daher ein wichtiges Zeichen. In Thüringen werde man einen Entschädigungsfonds schaffen. Oberbürgermeisterin Pia Findeiß erinnerte in ihrer Ansprache unter anderem daran, dass der NSU Teil der Zwickauer Stadtgeschichte sei. An dieses Kapitel und die Opfer werde nun dauerhaft im historischen Schwanenteichpark und damit im Herzen der Stadt erinnert. Sie betonte, dass mit der Einweihung des Gedenkortes das Engagement für die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht enden dürfe und könne.

Kritik am Gedenkort

Das Wort ergriffen hatte auch Mitat Özdemir, Ehrenvorsitzender der Interessengemeinschaft Keupstraße. In besagter Straße in Köln war das NSU-Trio um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 9. Juni 2004 für einen Nagelbombenangriff verantwortlich. Er kritisierte die Art der Veranstaltung und der Aufmachung des Ortes an sich und betonte die Aussagen, die auf den zahlreichen Plakaten zu lesen waren: „Die Namen sind falsch geschrieben, die Angehörigen der Opfer wurden nicht zur Einweihung eingeladen und Bäume reichen für einen solchen Anlass nicht aus. Es muss ein richtiger Begegnungsort geschaffen werden. Bäume können, wie wir erfahren haben, schnell zerstört werden.“

Große Spendenbereitschaft

Dennoch: Nachdem eine Bank beschädigt und der erste Gedenkbaum für Enver Simsek einfach abgesägt wurde, zeigten die Zwickauer eine große Spendenbereitschaft. Innerhalb weniger Tage kamen 14.000 Euro – durch Firmen und Privatpersonen – zusammen, wodurch alle zehn Gedenktafeln und –bäume sofort angelegt werden konnten. Gab es von Seiten Mitat Özdemir Kritik an die Stadt, trat Noorzia Shkirat, die seit 30 Jahren in Zwickau lebt, an Oberbürgermeisterin Pia Findeiß am Rande der Veranstaltung heran und lobte sie unter vier Augen, welch starke Frau sie sei und wie froh Shkirat sei, dass die Opfer endlich ihre Ruhe finden würden.

Polizeieinsatz stört Gedenkfeier

Einen eher ausgearteten Polizeieinsatz fand am Ende des offiziellen Teils statt. Eine junge Frau wurde plötzlich von den Beamten festgehalten und ihre Daten wurden aufgenommen. Was so wirklich geschehen war, wusste keiner so richtig. Von der Polizei gab es vorerst  keine Erklärung zum Zeitpunkt. Stattdessen wurde diese durch die Veranstaltungsteilnehmer an den Pranger gestellt, sie hätten überreagiert und würden die Veranstaltung kaputt machen. Erzählt wurde immer wieder davon, dass die junge Frau den von der AfD Tage zuvor abgelegten Kranz für die NSU-Opfer zerschnitten hätte bzw. entfernen wollte, was Sachbeschädigung sei. Der Einsatz der Polizei schaukelte sich extrem hoch. Nach mehreren Minuten und Wortchören, die Frau doch wieder frei zu lassen, geschah das auch nach der Personalien-Aufnahme. Zum Schluss hat eine andere Teilnehmerin den Kranz genommen und eigenhändig in den Mülleimer auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Reichenbacher Straße gesteckt. aj