Start Gerald Otto (CDU): „Die Unzufriedenheit mit der Berliner Politik macht es uns schwer!“
Artikel von: Sven Günther
11.07.2019

Gerald Otto (CDU): „Die Unzufriedenheit mit der Berliner Politik macht es uns schwer!“

Wochenendspiegel-Chefredakteur Sven Günther (r.) im Gespräch mit Gerald Otto (CDU). Foto: Judith Hauße

Trommeln für die Sachsenwahl mit Gerald Otto (CDU)

Von Sven Günther
Region. Es wird eine Richtungswahl! Selten war der Gang zur Urne spannender, als er am 1. September sein wird. Bleibt die CDU stärkste Kraft in Sachsen? Wenn Ja, mit wem kann sie regieren? Wie stark wird die AfD, gewinnt sie vielleicht sogar? Was wird aus der schwächelnden SPD und den in Sachsen gegen den Trend eher schwachen Grünen? Gelingt in einem rot-rot-grünen Dreierbund ein Regierungswechsel? Welche Rolle wird die FDP einnehmen? Können die Freien Wähler  wie in Bayern eine Rolle spielen?

Wer sich traut, darf für sich trommeln! Dieses Angebot macht der WocheENDspiegel sächsischen Landtagskandidaten. Sie beantworten kritische Fragen unserer Journalisten.

Heute: Gerald Otto, der CDU-Landtagsabgeordnete und – kandidat, der im Gerald Otto, der für die CDU im Wahlkreis 7 (Zwickau) antritt. Der gelernte Werkzeugmacher fährt gern Ski und Rad, spielt Schach und ist mit dem Wohnmobil unterwegs.

Hier geht es zum Trommel-Wirbel von Gerald Otto

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WochenENDspiegel:
Nach den ersten Sätzen bin ich irritiert: Sie sprechen gar keinen ausgeprägten Dialekt! Dabei setzen Sie sich doch für den Erhalt desselben ein. Sollen wir in der Schule wieder sächseln oder erzgebirgisch sprechen?

Gerald Otto:
Ich weiß, auf was Sie anspielen. Wir haben den Schutz der Dialekte auf meine Initiative hin ins Wahlprogramm mit aufgenommen. Da ich im Erzgebirgsverein aktiv bin und einige Vorstöße in diese Richtung gemacht habe, schien es mir wichtig, sich als CDU auch dazu zu positionieren. Bislang gab es dazu schon einige Anfragen, auch weil der Dialekt im MDR immer weniger Beachtung findet, die ohne Ergebnis blieben. Was für Bayern oder Schwaben gilt, sollte aber auch für Sachsen selbstverständlich sein.
Warum sollten die Dialekte in der Schule keine Rolle spielen? Wir müssen uns ja unserer Muttersprache nicht schämen und es gibt keinen Grund, sich den Dialekt abzugewöhnen. Jetzt steht ein Bekenntnis zu unserer Sprache im Wahlprogramm und damit ist es ein klares Bekenntnis.

WochenENDspiegel:
Glauben Sie ernsthaft, Politiker könnten die Alltagssprache beeinflussen, wenn sie es nicht schaffen, den Alltag zu regeln? Ich nenne: Lehrermangel, langsames Internet, Bürokratie. Alles Dinge, die die IHK aktuell beklagt. Können Sie Ihre Lösungen kurz skizzieren?

Gerald Otto:
Beim Thema Internet sind wir ein Stück vorangekommen, haben es als Staatsziel erklärt und fördern Projekte, wo es nur geht. Die Landkreise bekommen Geld für Koordinierungsstellen. Wir haben das Problem, dass die Infrastruktur in vielen Fällen der Telekom gehört und man da nicht so schnell eine große Brandbreite umsetzen kann, wie in einem Land, in dem bisher gar nichts da war und man von Null beginnt. Da ist ein Vergleich nicht möglich. Bei uns ist es eben hochkomplex und viele Akteure sind am Ball. Dazu kommt, dass wir zu lange auf Kupferleitungen gesetzt haben und nicht von Anfang an auf Glasfaser.

Bei den Lehrern ist mit der Verbeamtung ein Schritt gemacht. Auch das Modell Seiteneinsteiger ist aus meiner Sicht erfolgreich. Ich selbst habe eine junge und bestens integrierte Moldawierin ins Lehramt vermittelt. Sie hat sich gut entwickelt, ist Klassenlehrerin. Ein Beispiel, das zeigt, wie es gut funktionieren kann.
Wir haben an vielen Stellschrauben gedreht, auch wenn der Mangel noch da ist, ist er nicht so prekär, dass die Welt unterzugehen droht. Die Leistungsbilanz der sächsischen Schüler kann sich sehen lassen. Deshalb bin ich auch entschieden gegen Gemeinschaftsschulen, weil wir ein vielfältiges Schulsystem haben, in dem sich jeder optimal entfalten kann. Was sich bewährt hat, sollte man nicht ständig verändern, sondern nur weiter verbessern. Die Bildungspolitik ist eben ideologisch vermint, weil es hier grundsätzlich unterschiedliche Ansätze gibt.

WochenENDspiegel:
Bleibt der Vorwurf: Die CDU bietet Lösungen für Probleme an, die sie selbst verursacht hat.

Gerald Otto:
In der Tat hätte man beim Thema eher reagieren können. Der Geburtenanstieg wurde nicht entsprechend berücksichtigt, die vielen Migrations-Kinder konnte man nicht vorhersehen. So kamen mehrere Trends zusammen und der Druck wurde höher. Dazu kam, dass sich viele Lehrer auf Kurzzeit eingerichtet haben. Wenn alle Pädagogen in Sachsen voll arbeiten würden, gäbe es auch keinen Lehrermangel.
Gut ist auch, dass es inzwischen möglich ist, das Lehrer über das Erreichen des Rentenalters hinaus arbeiten können.

 

WochenENDspiegel:
Jetzt müssen Sie nur noch die Bürokratie in den Griff bekommen…

Gerald Otto:
Naja. Über die Bürokratie hat man schon in der DDR geklagt. Das hat sich später potenziert, weil es vielfältige Kontrollen zu Gesetzen gibt. Ein Vorteil, um einen positiven Aspekt zu nennen: Unser Verwaltungen sind nahezu korruptionsfrei.
Aber der Regelungsdruck kann schon lästig sein. Wir versuchen, Nachweispflichten zu reduzieren, haben in diesem Bereich zum Beispiel im Baurecht einiges zuwege gebracht.
Die Füllle von Einzelregelungen ist sicher belastend. Das muss weniger werden. Übrigens: Was für die Wirtschaft gilt, gilt auch für Ärzte, die einen enormen Dokumentationsaufwand haben, der mir übertrieben erscheint.
In der Staatskanzlei gibt es eine Expertenkommission, die sich diesem Themenfeld widmet. Wir sind jetzt weitergekommen, als mit der Aktion Paragrafen-Pranger, die sich als zahnloser Tiger entpuppt hat.

WochenENDspiegel:
Immer wieder hört man aus der CDU, Sachsen sei nicht so schlecht, wie es von einigen Kritikern dargestellt wird. Die Arbeit der Christdemokraten im Freistaat sei gut. Trotzdem gab es einen Sinkflug von 39,4 Prozent im Jahr 2014 auf zuletzt 26 Prozent.

Gerald Otto:
An der erfolgreichen Politik hat sich nichts geändert. Sachsen steht wirtschaftlich gut da, die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen.
Die Unzufriedenheit mit der Berliner Politik macht es uns schwer, u.a. die Kritik an der Migrationspolitik und an der laschen Umsetzung des Rechts. Daran, dass man straffällig gewordene Asylbewerber nicht außer Landes bringen kann, dass man unwillig ist, Gesetze wie das Schengen-Abkommen, konsequent einzuhalten. Immer wieder wird von oben weiße Salbe auf Wunden geschmiert, ohne die Ursachen entschlossen zu bekämpfen. Ich stehe da in jedem Fall für eine härtere Linie, wie die ganze Sachsen-CDU.

Sicher können wir über Migration aus Kultur-fernen Kreisen nicht unser demografisches System lösen. Das hat Helmut Schmidt schon vor 20 Jahren erkannt. Wir brauchen Fachkräfte, die auch kulturell zu uns passen. Da denke ich eher an Osteuropa. Wenn ich sehe, wie lange es dauert, bis sich ein eingemeindeter Bürger als Kernstädter fühlt, weiß ich, dass Integration eine Generationen-Aufgabe ist.
Die Wähler spüren, was gut für das Land ist und lassen sich nicht veralbern, haben teilweise Angst. Wir haben eine ganz mündige Gesellschaft, die es übel nimmt, wenn versucht wird, ihr etwas vorzumachen. Die Konsequenz ist dann, dass Wähler den einfachen Antworten der AfD nachlaufen. Es ist kompliziert, diesen platten Argumenten etwas entgegenzusetzen, weil die Problemlagen oft vielschichtig sind. In Regierungsverantwortung könnten sie die Schwachpunkte der Bundespolitik nicht anders angehen als wir, da wir in ein föderalem Rechtssystem eingebettet sind und sich für mehr Konsequenz eben noch keine Mehrheit im Bundesrat findet.
Wir müssen es leider noch hinnehmen, dass die Deklarierung von nordafrikanischen Ländern zu sicheren Herkunftsstaaten dort scheitert. Aber das gehört eben auch zur Demokratie.

WochenENDspiegel:
Selbst wenn die CDU stärkste Partei werden sollte, stellt sich bei einer dramatisch schwachen SPD die Frage: Was dann? Hoffen Sie auf ein GRÜNES Licht am Ende des Horizonts? Andererseits wäre ein rot-rot-grünes Bündnis das Regierungs-Aus der CDU.

Gerald Otto:
Für uns wäre es schön, wenn die FDP ein gutes Ergebnis erreichen würde. Die momentane Schwäche der SPD bedauere ich und hoffe, dass da noch ein wenig Luft nach oben ist. Es war mit den Sozialdemokraten eine gute Zusammenarbeit. Aber es wird eine schwierige Kiste, in einer Mehr-Parteien-Koalition die jeweiligen gesellschaftlichen Ansätze und Auffassungen unter einen Hut zu bekommen.

 

WochenENDspiegel:
Den GRÜNEN haben sie mit der Ankündigung 50 Millionen Bäume pflanzen zu wollen, schon ein Thema weggeschnappt.

Gerald Otto:
Das sind fast 12.000 am Tag. Ich wäre auch mit fünf Millionen als Ziel zufrieden gewesen, das man dann hätte leicht überbieten können. Jetzt geht man das Risiko ein, dass das ganze Anliegen einem negativ ausgelegt wird, wenn man es nicht schafft. Die hochambitionierten Klima-Ziele lassen grüßen…

WochenENDspiegel:
Beim Klimaschutz muss es Sie doch innerlich zerreißen: Auf der einen Seite verlangen Wirtschaft und Verkehr nach günstigem Strom und preiswerten Diesel. Auf der anderen Seite laufen Ihnen die GRÜNEN bundesweit den Rang ab.

Gerald Otto:
Da spielen viele Dinge mit hinein und die Diskussion spielt sich auch nicht immer sachlich ab. Wir müssen beides schaffen. Das ist die Aufgabe der Politik und ich vertraue da in Sachen möglicher Koalitionsgespräche dem Können und der integrativen Kraft von Michael Kretschmer.

WochenENDspiegel:
Ihrem Spitzenkandidaten, der um sein Direktmandat in Görlitz wird kämpfen müssen. Ein Oberbürgermeisterkandidat der AfD konnte nur mithilfe von Linken und Grünen verhindert werden, bei der Bundestagswahl verlor Kretschmer.

Gerald Otto:
Es ändert nichts daran, dass es um Kompetenzen geht, um Sachpolitik. Und da ist Michael Kretschmer erstklassig, auch weil er genau weiß, wie die Berliner Politik funktioniert. Nach meiner Meinung sind die Fähigkeiten eines Politikers höher einzuschätzen als ob er ein Mandat direkt gewinnt.

 

 

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