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Artikel von: Redaktion
27.01.2021

Gesundes Erzgebirge

Norman Pörschke betreibt im Erzgebirge mehrere Kantinen. Foto: André Kaiser

Der WochenENDspiegel im Gespräch mit Kantinenbetreiber Norman Pörschke

Region. Norman Pörschke betreibt im Erzgebirge mehrere Kantinen, u.a. in Annaberg in der Agentur für Arbeit, in Chemnitz in der Agentur für Arbeit, in Marienberg betreibt er einen Imbiss, in Großolbersdorf eine Schul- und Kindergartenküche und in Frohnau bei der Firma Handmann eine Betriebskantine. Der WochenENDspiegel hat im Interview nachgefragt, wie die derzeitige Situation während Corona aussieht, ob Kantinen überhaupt öffnen dürfen, aber auch wie wichtig den Erzgebirgern gesundes Essen ist, und ob vegane bzw. vegetarische Speisen mehr nachgefragt werden. Laut ProVeg ernähren sich momentan rund zehn Prozent der Deutschen vegan oder vegetarisch, die Tendenz steigt aber. Für die Region Erzgebirge gibt es dazu noch keine aussagekräftigen Umfragen.

Norman Pörschke verrät uns im Interview auch, was der offene Brief an die Landesregierung bewirkt hat und wofür sich die Interessensgemeinschaft #Sachsen-Gemeinsam einsetzt.

Wen versorgen Sie mit Essen und haben die Kantinen derzeit trotz Corona geöffnet?

Norman Pörschke: Unser Schwerpunkt liegt in der täglichen Essensversorgung am Arbeitsplatz. Die Kantinen sind zwar geöffnet, aber sie dürfen nur von Mitarbeitern des jeweiligen Hauses besucht werden, nicht von Externen. Zudem gibt es ein Hygienekonzept. In Annaberg haben wir den großen Vorteil, dass es eine Luftabsaugung inklusive Frischluftzufuhr im Speisesaal gibt. Wir haben uns auch an einem offenen Brief an die Landesregierung gewendet, da wir es nicht nachvollziehen können, dass Kantinen komplett geschlossen werden. Gerade die Menschen in systemrelevanten Berufen sind schon genügend gefordert, sie halten den Laden am Laufen und wollen ja auch mal etwas essen und benötigen die Erholung in Form einer Pause. Es geht auch um Lebensqualität, es kann ja nicht sein, dass man nur noch zwischen zuhause und dem Arbeitsplatz wechselt – ohne jegliche Freizeit, Vergnügen, Kunst und Kultur.

Nach Ihrem offenen Brief ist Ministerpräsident Kretschmar mit Ihnen in Kontakt getreten, was war das Ergebnis des Gesprächs?

Er hat mich direkt auf dem Handy angerufen, es war ein langes Gespräch auf Augenhöhe. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er bei der Corona-Thematik nicht nur auf Wissenschaftler hört, sondern auch die Bürger mit einbezieht. So wird es am kommenden Montag eine Videokonferenz geben, gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten, mit Landrat Vogel und 12 Vertretern aus verschiedenen unternehmerischen Bereichen. Wir wollen Vorschläge erarbeiten, wie einerseits das Infektionsgeschehen eingedämmt werden kann und andererseits aber auch nur logische Maßnahmen umgesetzt werden. Dafür haben wir die Interessensgemeinschaft #Sachsen-Gemeinsam gegründet.

Achten Sie bei Ihrem Angebot bewusst darauf, dass das Essen gesund ist?

Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir nur Kantinen übernehmen, wo wir direkt vor Ort kochen können. Denn bei uns steht Frische ganz oben. Wenn Lebensmittel erst abgepackt werden und dann hin und her gefahren werden, ist das immer ein Qualitätsverlust. Wir haben nur einen ganz geringen Convenience-Anteil, das bezieht sich bei uns eigentlich nur auf Waren wie Wurst, Käse, ein bisschen Gemüse im Tiefkühl-Bereich oder Nudeln – denn es würde für uns keinen Sinn machen, auch noch Spaghetti selbst herzustellen, aber da gibt es ja auch hochwertige Produkte ohne Zusätze. Wir nehmen auch nur frische Kartoffeln, schälen die per Hand. Da gibt es bei uns keine vakuumierten, vorgegarten oder geschwefelten. Ich habe es klassisch gelernt zu kochen, das ist ein Handwerk. Und als Koch sehe ich es nicht ein, nur eine Packung aufzureißen und den Inhalt in Wasser einzurühren. Persönlich bin ich der Auffassung, dass was ich selbst nicht essen möchte, das verkaufe ich nicht. So würde ich beispielsweise auch kein Brot voller Zusätze aus dem Supermarkt kaufen, dann lieber von einem richtigen Bäcker oder ich backe das Brot selbst. Die Chemie in unserem Essen macht uns langfristig gesehen krank.

Und wie ist es mit veganen bzw. vegetarischen Speisen – werden diese nun mehr nachgefragt?

Ich bin persönlich kein Verfechter von der reinen veganen bzw. vegetarischen Küche, biete diese aber natürlich mit an. Ich bin der Meinung, es muss nicht jeden Tag Fleisch geben. Und vor allem kein Industriefleisch, man sollte schon darauf achten, dass man nicht gerade Produkte aus dem Bereich billiger Industrieware nimmt. Wir versuchen auch regionale Produkte zu verwenden, diese sollten auch eine Art Tierschutz beinhalten. Die veganen und vegetarischen Speisen sind bei uns dementsprechend gekennzeichnet. Vor allem im Rahmen der Kinderversorgung achten wir auf die Vielfalt. Da gibt es in der Woche immer eine Mahlzeit mit Fisch, eine mit Fleisch, eine vegetarische und eine vegane – sodass die Kinder schon von klein auf lernen, dass nicht jeden Tag Fleisch auf dem Speiseplan stehen muss. Das war bei mir früher in der Schule nicht anders, da gab es den Sonntagsbraten und nicht jeden Tag Fleisch.

Was steht da zum Beispiel auf dem Speiseplan?

Beispielsweise gibt es diese Woche für die Kinder eine vegetarische Kartoffelsuppe und als Nachtisch einen Naturjoghurt mit Früchten, der mit Honig gesüßt ist. Wir verzichten weitestgehend auch auf raffinierten Zucker. Dann gibt es mal Seelachswürfel mit Kartoffelstampf und einem Rohkostsalat, Rindfleisch-Eintopf oder eine vegane Gemüse-Lasagne.
In anderen Kantinen sieht das etwas anders aus, denn da geht es ja um die Erwachsenen, die häufig im mittleren Alter bzw. kurz vor der Rente stehen. Die haben andere Wünsche. Da gibt es täglich ein Menü mit Suppen oder Eintöpfen, ein Menü Hausmannskost oder das Menü leichte moderne Küche – dort wechseln wir uns mit den Speisen ab, aber es gibt zumindest immer ein vegetarisches Gericht pro Tag. Im Erzgebirge ist Essen häufig noch rustikal, da wird veganes bzw. vegetarisches Essen noch nicht so nachgefragt. Wo ich es aber gemerkt habe, dass es der Bedarf wächst, ist im Bereich Catering. Da sind es häufig die jüngeren Menschen aus Familien, die daran Interesse haben.

Und wie sieht es allgemein mit gesundem Essen aus – wächst das Bewusstsein dafür?

Das ist mir vor allem in Chemnitz aufgefallen, dass da ein Umdenken stattfindet. Viele achten darauf, dass es eine ausgewogene, hausgemachte, gesunde Küche ist ohne chemische Zusätze. Das ist mittlerweile in den Köpfen angekommen, dass gute Qualität wichtig ist. Viele andere Kantinen holen aus dem Großhandel Tetrapacks mit Milch, schmeißen das in einen Topf und machen Milchreis daraus. Wir fahren zum Bauern in Großolbersdorf und holen direkt an dem Tag Frischmilch, die wird dann einmal aufgekocht und dann stellen wir daraus den Milchreis her. Der ist viel intensiver im Geschmack, das merkt auch der Kunde. Fleisch beziehen wir ebenfalls viel aus der Region Großolbersdorf, aber das ist nicht immer so machbar in den Mengen, wie wir es brauchen. Wenn wir bei Großhändlern kaufen, dann nehmen wir die teurere und hochwertigere Linie. Oder benutzen auch schlachtfertiges Fleisch am Knochen, das wird dann so schnell wie möglich verarbeitet und nicht erst weit transportiert, denn Fleisch am Knochen wird schneller schlecht. Die Knochen können wir dann auch noch für die Herstellung von Brühen und Soßen verwenden.

Vielen Dank, Herr Pörschke!