Start Erzgebirge Gut bezahlter Liftboy
Artikel von: Sven Günther
12.03.2020

Gut bezahlter Liftboy

Der Oberwiesenthaler Bürgermeister Mirko Ernst steuerte während der Junioren-Weltmeisterschaft den Mountain-Climber und hat jede Menge Ärger mit dem Lift. Foto: Privat

“Undank ist der Welten Lohn!”

Von Sven Günther
Kurort Oberwiesenthal. Gratulation an den Fichtelberg. Die Junioren WM war perfekt organisiert, die Sportler zufrieden, die Veranstalter froh. Froh, dass auch der moderne Lift an der Schanzenanlage, der sogenannte Mountain-Climber, funktionierte, an dem schon seit drei Jahren gewerkelt wird.

Der WochenENDspiegel erfuhr: Die TÜV-Abnahme stand bis zuletzt auf der Kippe.

In erster Linie Dank des vom Stadtrat ins Boot geholten Experten Rainer Friedrich aus Lauter-Bernsbach konnten letzte Probleme aus dem Weg geräumt werden. Technische Probleme! Finanziell gibt es immer noch ein 3,5-Millionen-Euro-Risiko!
Und: Der Mountain-Climber-Retter ist inzwischen betrübt, sagt: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Jetzt soll er sich schleichen – zumindest wenn es nach dem Bürgermeister geht.“
Friedrich gilt als Aufzugs-Kenner, beschäftigt sich seit 45 Jahren mit der Technik, hatte bis 2002 eine Firma mit 100 Mitarbeitern und arbeitet seit zwölf Jahren als anerkannter Sachverständiger im Bereich Anlagensicherheit für Aufzugsanlagen, Fahrtreppen, Fahrsteige oder Fördertechnik für Auftraggeber aus dem gesamten Bundesgebiet sowie für internationale Projekte als Fachexperte.
Friedrich: „Der Mountain-Climber am Fichtelberg ist weltweit einmalig, weil er quasi dreidimensional fährt.“ Steigungen, Kurven, Gefälle. So genial – so anfällig. Seit drei Jahren schaffen es die Herstellerfirma Graessner und als Nachauftragnehmer die Firma Stemmann nicht, einen reibungslosen Betrieb zu garantieren!
Nachdem die Anlage am 5. September vom TÜV hätte abgenommen werden sollte, die damals im Probebetrieb fuhr, was nach Friedrichs Ansicht rechtswidrig war, wurden die Probleme nicht weniger. Es stellte sich heraus, dass die Getriebe nicht ausreichend stark waren. Eine Abnahme gab es nicht, stattdessen musste ein Software-Update gemacht werden, während dessen Friedrich schon vor Ort war, lange mit den Leuten von Graessner sprechen konnte und entschied: Ich unterstütze sie mit meiner Expertise.

Bei der Expertise blieb es nicht. Friedrich: „Ich hatte bemerkt, dass die Vereisung der Stromschienen das größte Problem des Climbers ist, eine spezielle Heizung eingebaut werden muss. Die Zeit bis zur Junioren-WM wurde knapp. Da es zwischen Heizungsfirma und Stromschienenfirma Unklarheiten zur Finanzierung gab, habe ich die Heizung und Material für 12.000 Euro gekauft.“
Der Einbau erwies sich als schwierig, die Montage wurde abgebrochen, obwohl Industriekletterer vor Ort waren und Friedrich weitere organisiert hätte. Dann hieß es plötzlich, der Aufzug könnte auch ohne Heizung funktionieren.
Friedrich: „Jedenfalls war ich bis Mitte Februar mit dem TÜV in Verhandlungen, konnte die Sachverständigen des TÜV Thüringen Leute persönlich überzeugen, die Anlage freizugeben.“

Erst Mitte Februar gab es grünes Licht. Friedrich konnte die Prüfsiegel anbringen, die JWM war gerettet.

Während der Wettkämpfe kam es zum Eklat. Beobachter wunderten sich, dass Bürgermeister Ernst von früh bis spät als Liftboy fungierte, den Mountain-Climber bediente und so gut wie nie jemand anderen an die Knöpfe ließ.
Als Rainer Friedrich mit Jens Weißflog, Staatsministerin a.D. Stefanie Friedrich und Ines Hanisch-Lupaschko, der Chefin des Tourismusverbandes Erzgebirge, am Donnerstag (5. März) am Mountain-Climber vorbei schaute, mitfahren wollte, wurde er von Mirko Ernst mit barschen Worten und der Aussage, der Aufzug sei nur etwas für Veranstalter und Sportler, brüskiert und weggeschickt.
Auch Jens Weißflog war von der heftigen Abfuhr überrascht, wusste er doch um den maßgeblichen Anteil Friedrichs daran, dass der Climber überhaupt fahren konnte. Der ehemalige Skispringer: „Dank Rainer Friedrich haben auch die Leute von Graessner Hoffnung geschöpft, dass dieser Lift trotz erheblicher Anlaufschwierigkeiten langfristig konstant laufen wird.“

Und jetzt schickt Bürgermeister Mirko Ernst Friedrich weg wie einen Schuljungen? Der Experte: „Undank ist der Welten Lohn.“

Dabei liegt beim Climber noch einiges im Argen. Nach Aussagen des Experten sind die neuen Getriebe zwar in Arbeit, aber noch nicht da. Die Maximallast ist auf 800 Kilo begrenzt. Am Donnerstag fiel ein Getriebe aus und es wurde mit einer Kabine gefahren. Der Lift schaffte die Anforderungen dennoch. „Nun war angebracht,“ so der Fachmann, „mit höchstens 600 Kilogramm zu fahren, um nicht ein weiteres Getriebe zu zerstören. Herr Ernst beförderte teilweise bis 900 Kilo…“
Auch die Stromleitungsheizung ist noch nicht installiert und man hatte an manchen Tagen früh, aufwendig die vereiste Stromschiene von Eis befreien müssen.Bleibt das 3,5-Millionen-Euro-Risiko! Eigentlich hätte die Stadt den Mountain-Climber bis zum Jahresende 2019 übernehmen sollen. Das ist nicht passiert, stattdessen wurde eine Verlängerung der Frist beantragt. Verstreicht die, müsste die Stadt die Fördermittel zurückzahlen…

 

Rainer Friedrich

 

Das sagt Bürgermeister Miko Ernst

„Bereits Wochen vor der JWM war ich regelmäßig an der Schanze und unterstützte die beiden Schanzenarbeiter nach Kräften. Ich bekam neben meinen bisherigen Erfahrungen ein noch besseres Gespür für deren Belange bei der Betreibung und konnte so ganz gezielt Verbesserungen und Erleichterungen veranlassen oder einfach nur beim Schneeschaufeln helfen, um sie etwas zu entlasten.
So ergab sich auch die Tätigkeit am Mountain-Climber zur JWM. Auch wenn die Sportlertransporte zur JWM nahezu reibungslos verliefen, so waren im Hintergrund doch einige Aufwendungen dafür notwendig.“

Und weiter: „Die Aufgabe zur Betreuung des Mountain-Climbers habe ich übernommen, um die Schanzenarbeiter wirksam zu entlasten.
Zudem konnte ich aufgrund meiner Ausbildung als BMSR-Techniker und des anschließenden Studiums im Bereich Elektrotechnik, Fachrichtung Automatisierungstechnik im direkten Kontakt mit dem anwesenden Techniker der Fa. Graessner helfen, auftretende Fehler zügig zu analysieren und abzustellen.
Insgesamt war es durch eine tolle Teamleistung möglich, den Transport für alle Wettkämpfe abzusichern.“

Über den vom Stadtrat engagierten Experten Rainer Friedrich verliert der Bürgermeister kein Wort!

Ernst: „Das der Mountain-Climber rechtzeitig vor der JWM vom TÜV abgenommen werden konnte und betriebsbereit zur Verfügung stand, ist ebenfalls eine Gemeinschaftsleistung. Vor allem ist diese der Tatsache geschuldet, dass mit dem Mountain-Climber bereits Wochen vorher regelmäßig gefahren werden konnte. Hierdurch wurden Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten erkannt, die umgehend an die Fa. Graessner weitergeleitet worden sind.

Diese konnte die Anlage inkl. der Software weiter verbessern und so zügig die Erfahrungen einarbeiten. Auch wenn die Anlage zur JWM 2020 weitestgehend funktionierte, so wurden auch während der Wettkämpfe weitere Erkenntnisse gesammelt, die nun wiederum bis zur endgültigen Fertigstellung des Mountain-Climbers einfliesen. Dazu zählen u.a. die Verstärkung der Getriebe, die Optimierung der Türen und die Erhöhung der Fahrtgeschwindigkeit.

Aufgrund des vorgenannten und notwendiger Abstimmungen ist es leider noch nicht möglich, einen konkreten Termin für die Übernahme des Mountain-Climbers durch die Stadt zu benennen.”

Nöske lässt wieder nackt rodeln

Wenige Meter vom Mountain-Climber entfernt, stemmt ein kräftiger Mann die Fäuste in die Hüften, schüttelt den Kopf. Jürgen Nöske, der Kult-Kneiper vom Fichtelberg, wettert seit Jahren über Mirko Ernst und die Tatsache, dass man drei Jahre braucht, um einen Lift zu bauen. Er fühlt sich in seiner Kritik bestätigt, wird am Wochenende sicher ein Gläschen auf seinen Bürgermeister trinken. Gewiss in lustig-launiger Runde! Nöske hat am 14. März ab 11 Uhr wieder zum Nacktrodeln an seiner Fichtelbergbaude geladen…