Start Erzgebirge Hat Handwerk noch goldenen Boden?
Artikel von: Sven Günther
16.09.2015

Hat Handwerk noch goldenen Boden?

Foto: pixabay.com

Annaberg-Buchholz. „Das Leben funktioniert ohne Profifußballer und Rennfahrer! Ohne Sie, ohne die Handwerker, funktioniert es nicht!“ Festredner Matthias Kreißig (IKK classic) brachte am Montag bei der Gesellenfreisprechung von 56 jungen Männern und Frauen im Erzhammer auf den Punkt, was alle Redner betonten: Das Erzgebirge braucht Handwerker, braucht Facharbeiter, braucht engagierte junge Menschen. Umso mehr können sich die Firmen über 56 motivierte Neuzugänge freuen, die helfen, die Zukunft zu sichern. Die jungen Leute haben ihre Ausbildung abgeschlossen, starten in ihr Berufsleben.
Wochenendspiegel.de sprach mit Steffen Böttcher (Foto), dem Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Erzgebirge über die Perspektiven im Handwerk.

Steffen Böttcher. Foto: KHS
Steffen Böttcher. Foto: KHS

Welche Argumente sprechen für eine Ausbildung im Handwerk?
Nicht jeder kann und sollte studieren, gute Fachkräfte sind zukünftig gefragter denn je.
Das Handwerk fordert und fördert Gemeinsinn, Kreativität und Engagement, gepaart mit Fingerfertigkeiten und handwerklichem Geschick. Handwerk gibt es seit Menschengedenken und Handwerk wird es noch solange geben, solange es Menschen gibt. Handwerk heute ist modern, innovativ und aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken.

Wie schätzen Sie das Leistungsniveau der Schulabgänger ein?
Dass das Leistungsniveau der Schulabgänger in manchen Bereichen zu wünschen übrig lässt, ist kein Geheimnis. Aber es gibt diesbezüglich eine Reihe von Hilfsangeboten, welche ausbildungsbegleitend wahrgenommen werden können. Gerade im Handwerk ist es viel wichtiger, unbedingt das Handwerk mit dem notwendigen Engagement lernen zu wollen.  Da ist schon aus manchen schlechteren Schulabgänger ein guter Handwerker geworden. Aber um es klar zu sagen, als potentieller Lehrling muss ich diese Defizite durch überdurchschnittlichen Fleiß und Engagement aufholen.
Welche Perspektiven gibt es nach der abgeschlossenen Lehre im Handwerk?
Ich denke, bis auf wenige Ausnahmen werden die frischgebackenen Gesellen ein Übernahmeangebot im jeweiligen Ausbildungsbetrieb oder auch in einem anderen Betrieb erhalten, einen ordentlichen Abschluss natürlich vorausgesetzt.
Betriebliche Aufstiegschancen bestehen durch eine Weiterqualifizierung zum Meister, zum Techniker oder auch zum Betriebswirt des Handwerks. Aber auch zunehmend die Möglichkeit zur Übernahme eines bestehenden Betriebes ist eine Karrierechance nach einer Weiterqualifikation.

Können Sie sagen, wie sich die Löhne im Handwerk seit Einführung des  Mindestlohnes entwickelt haben?
Viele Gewerke im Handwerk haben einen eigenen Mindestlohntarifvertrag, welcher über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt. Jedoch hatte das Miloge auch Auswirkungen auf einige Branchen, wie z.B. Bäcker, Fleischer und Friseure. Dort mussten die Löhne angehoben werden. Daraus resultierte auch ein Verlust an Arbeitsplätzen, vornehmlich im Teilzeitbereich. Das Problem beim gesetzlichen Mindestlohn ist, dass der am schlechtesten ausgebildete und eventuell mit nur Hilfsarbeiten betraute Mitarbeiter diesen Mindestlohn bekommt. Um die Lohnhierarchie wieder herzustellen, haben auch die Fachleute profitiert, was sich jedoch durch deutlich gestiegene Preise in einigen Berufen bemerkbar machte.

Die Auer Bäckerei Schellenberger wurde als bester Ausbildungsbetrieb geehrt, Falk Schellenbergers Lehrling Andreas Behn als als bester Lehrling ausgezeichnet. Links Gudrun Schellenberger, rechts die Mutter von Andreas. Foto: HWK
Die Auer Bäckerei Schellenberger wurde als bester Ausbildungsbetrieb geehrt, Falk Schellenbergers Lehrling Andreas Behn als als bester Lehrling ausgezeichnet. Links Gudrun Schellenberger, rechts die Mutter von Andreas. Foto: HWK