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Artikel von: Constanze Lenk
02.04.2020

Helden des Alltags

Storno und Gespräche: Reisebüros sind trotz geschlossener Türen servicebereit

Das Telefon steht bei Ulrike Jurk von Sonnenschein Reisen nicht still. Stornierungen statt Buchungen sind zur Zeit die Hauptaufgaben.Foto: Daniel Jurk

Sie sind Verkäuferinnen, Krankenschwestern, Ärzte oder Busfahrer. Menschen, die auch in der aktuell schwierigen Zeit ihren Job machen. Helden des Alltags, die im WochenENDspiegel zu Wort kommen. Wie Ulrike Jurk, Inhaberin von „Sonnenschein Reisen“ aus Freiberg.
Das Jahr 2020 hatte für Ulrike Jurk richtig gut begonnen. In ihrem Freiberger Reisebüro lagen die Buchungen bereits über den Zahlen des Vorjahres. „Ich hatte sogar überlegt, noch jemand einzustellen. Das ist nun leider alles Geschichte“, sagt Ulrike Jurk.
Ihr geht es zurzeit wie allen Reisebüros: Die Telefone stehen nicht still. Aber anstatt Reisen zu verkaufen, heißt es nun stornieren, beraten und alles rückgängig machen. „Wir haben alle so viel zu tun und das für Nichts. Der Umsatz für den Monat April liegt überall bei Null“, so Ulrike Jurk.
Da die weltweiten Reisewarnungen vorerst bis Ende April gelten, fragt zurzeit niemand nach einer Reise. Wenn es möglich ist, versucht Ulrike Jurk umzubuchen. „Aber die meisten Kunden wollen stornieren und erst einmal ihr Geld zurück. Für mich ist es noch nicht absehbar, wann ich wieder eine Reise verkaufen kann.“
Sonnenschein Reisen ist ein Reisebüro für Senioren. Tagesfahrten und längere Busreisen werden hauptsächlich angeboten. Und so sind es auch die Senioren, die Ulrike Jurk jetzt täglich am Telefon betreut. „Die Kunden reagierten trotz Anspannung verständnis-voll. Viele sind sogar froh, dass sie in unserem Büro Ansprechpartner haben, die sie kennen und die für sie greifbar sind, sei es per Telefon oder per Mail. Bei den Gesprächen merke ich aber auch, dass viele richtig einsam sind und sie die Kurzreisen brauchen, um raus zu kommen, aus der Wohnung und um etwas Unterhaltung zu haben. Das geht jetzt leider nicht mehr. So schütten mir viele ihr Herz aus“, erzählt Ulrike Jurk. Trotz allem Stress und Chaos in diesen Corona-Zeiten hat sie ein offenes Ohr für die Nöte und Sorgen ihrer Kunden. „Diese Zeit nehme ich mir.“ Das sei eben der Unterschied zu den anonymen Call-Centern der Internet-Reiseanbieter. Ulrike Jurk hofft nun, dass die Kunden diesen Service schätzen und in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis auch weitererzählen. Damit das Geschäft nach der Krise nicht nur wieder anläuft, sondern auch weiterhin in der Freiberger Herderstraße seinen Sitz hat.
Wie dramatisch die Situation für die Reisewirtschaft ist, zeigt ein ernergischer Appell des Deutschen Reiseverband (DRV) mit 28 weiteren Branchenverbänden, der sich an die Bundeskanzlerin, die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, den Bundesminister für Arbeit und Soziales, den Bundesminister für Wirtschaft und Energie und den Bundesfinanzminister gewandt hat, um für die Reisewirtschaft notwendige Nachbesserungen am Nothilfefonds der Bundesregierung zu fordern.