Start Zwickau "Hier kann man was Versautes sagen und keiner nimmt´s einem übel"
Artikel von: Redaktion
13.11.2015

“Hier kann man was Versautes sagen und keiner nimmt´s einem übel”

Bülent kommt. Und zwar am 26. November in die Zwickauer Stadthalle. Foto: Ralph Larmann
Bülent kommt. Und zwar am 26. November in die Zwickauer Stadthalle. Foto: Ralph Larmann

Zwickau. Am Donnerstag, den 26. November, ist Bülent Ceylan in der Stadthalle Zwickau mit seinem Programm “Haardrock” zu erleben. WochenEndSpiegel-Redakteuerin Alice Jagals hat  mit dem Zwerchfell massierenden Türkochonder vor seinem großen Besuch bei uns schon mal ein bisschen geplaudert.

Bülent, du bist am 26. November in der Zwickauer Stadthalle mit deinem Programm „Haardrock“ zu erleben. Was erwartet die Zwickauer?
In Zwigge. Genau. Es wird auf jeden Fall gerockt. Es gibt eine tolle Einlage: Wie schaffe ich den Übergang vom Rock zur Hose. Aber Scherz beiseite. Es geht beispielsweise um Nazis oder auch Aufreger-Themen. Ich improvisiere und es ist mir wichtig, auf die Leute einzugehen. Es wird auch mal gesungen und die Leute gehen meistens ohne Langeweile nach Hause.

In Mannheim spricht man Mannemerisch. Bei uns spricht man Sächsisch. Welcher Dialekt ist unsexier?
Ich find beide geil. Da fragst du den falschen. Ich finde eher, dass Hochdeutsch sehr hochgestochen klingt. Die können ja auch nichts dafür, aber es gibt nur einen einzigen Vorteil beim Hochdeutsch: Die ordinären Wörter klingen immer noch schön. Eine Dame musste mal während der Show ‚seechen‘ gehen und ich fragte sie ‚och müssen sie seechen gehen?‘ und da sagte sie nur so ‚Nein, Herr Türke, ich muss kacken‘. Da dachte ich ‚ok?!‘. Das sagen wir hier gar nicht. Wir sagen ‚ich muss mal groß‘. Das klingt dann doch irgendwie schöner.

Gut, haben wie das auch einmal geklärt. Wie schätzt du die Zwickauer vom Humor her ein?
Ach geil, einfach geil. Sie sind bisschen versauter. Man kann was Versautes sagen und die nehmen es einem nicht übel. Die sind wirklich gut drauf. Das ist kein Publikum, bei dem man aufpassen muss, was man sagt. Ich glaub deswegen verstehen wir uns auch ganz gut.

Du redest nicht nur – du singst auch. Unter anderem auch Balladen. Hast du dir dafür Gesangsunterricht genommen und vor allem: Wer hat das Lied „Viele lachen nur“ geschrieben?
Ja mit Inspiration. Beim Komponieren hat mir natürlich jemand geholfen. Aber es ist mein Gedankengang, meine Message: ‚Hey, ich bin einer von euch. … Ich geh auch einfach seschen‘, um beim Thema zu bleiben.
Klar ist das toll, dass ich so viele Leute zum Lachen bringen kann und dass ich so viele Menschen kenne. Aber es war auch kein einfacher Weg dahin. Heute werden sehr viele über das Internet schnell bekannt. Das gab es bei mir nicht. Ich bin jetzt seit 18 Jahren auf Tour und zehn Jahre lang habe ich darum kämpfen müssen, dass man mich erst einmal registriert. Da kannte mich in Zwigge noch lange keiner. Ich war eben in der Mannheimer Region unterwegs, in anderen Städten waren immer recht wenig Zuschauer. Das war sehr schade. Man hat Potential und man könnte eine große Halle rocken, aber irgendwie braucht man halt auch die Medien dazu. Insofern sind Interviews wie jetzt mit dir, sehr wichtig. Man muss immer Gas geben und darf sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen.

Hattest auch ein Studium Philosophie und Politikwissenschaft angefangen. Würdest du das wieder aufnehmen, wenn du mal keine Lust mehr auf Comedy hättest? Oder wie schaut Plan B aus?
Ja, erfolgreich abgebrochen. Aber Comedy mache ich so gerne und nebenbei mache ich ja auch mal eine Fernsehshow. Wer weiß, vielleicht mache ich mal in einem Kinofilm mit. Ein Drehbuch hatte ich schon mal in der Hand, aber das hat mir nicht gefallen. Ein Film kann geil sein, kann aber auch voll in die Hose gehen. Wahrscheinlich kann irgendwann nicht mehr so viel auf Tour gehen wie jetzt. Aber mein Gott, ich habe schon jetzt so viel erreicht. Da muss man auch einfach mal sagen können: ‚Hey, danke an den lieben Gott und die Fans, die mich noch sehen wollen.‘

Viele Frauen sind doch bestimmt neidisch auf deine Haarpracht, oder?
Das ist schon Dauerthema. Ich hab schon überlegt, mal Werbung für ein Shampoo zu machen. Viele Frauen wollen die Haare auch mal anfassen und sie fragen dann immer ‚Ist das echt?‘ und ich ‚Ja, das ist echt.‘ Dann merken die ‚ach, das ist ja wirklich echt‘.

Wie lang brauchst du fürs Styling?
Lange. Also länger als Frauen, aber insgesamt dann wieder doch nicht. Ihr Frauen schminkt euch ja auch noch.

Dein Vater stammt aus der Türkei und wurde lediglich von der Liebe, nämlich deiner Mutter hier in Deutschland aufgehalten. Denn eigentlich wollte er nach Amerika/ Kanada. Nun stellt sich ja bezüglich der Flüchtlingsströme immer wieder die Frage, inwiefern denn Integration – genauer gesagt Integration in Deutschland – möglich ist. Für dich war es als gebürtiger Deutscher sicher kein Problem, aber weißt du, wie die Umstellung für deinen Vater war?
Na gut. Mein Vater ist ja in eine richtige Willkommenskultur hineingekommen. Das war 1958. Da hatte man in Deutschland für den Aufbau ja jeden gebraucht. Also wenn du so willst, hat mein Vater ja Deutschland mit aufgebaut. Das ist eine ganz andere Geschichte.
Ich mache ja jetzt aber auch Witze drüber. Ich war neulich in Graz und da meinte ich so ‚Das grazt euch ja wenig‘. Da haben die natürlich schon gelacht. Aber man darf insgesamt den Respekt gegenüber den Menschen insgesamt nicht verlieren. Den Flüchtlingen können wir jetzt nicht böse sein, sondern eher der Politik. Sie hat irgendwo versagt. Europa muss versuchen, Friede und eine gute Wirtschaft in den jeweiligen Ländern herzustellen. Sogar ich werde schon angesprochen, ob ich denn Flüchtling oder Türke wäre. Da sage ich natürlich, ‚Ey, ich bin Mannheimer, du Depp‘. Und da bringt man die Leute natürlich zum Lachen. Aber ich denke, es wird wieder besser werden. Dem Thema widme ich mich übrigens auch meinem neuen Programm „Kronk“. Und auch da werde ich wieder in Zwickau sein.

Ja super. Da kann man ja sagen: Nach Bülent ist vor Bülent.

Vielen Dank für das lockere Gespräch.