Start IHK fordert Atomkraft-Verlängerung
Artikel von: Sven Günther
28.11.2022

IHK fordert Atomkraft-Verlängerung

IHK-Chefs Dr. h. c. Dieter Pfortner. Foto: IHK

“Erst das Land, dann die Partei”

Region. Klare Worte des Chemnitzer IHK-Chefs Dr. h. c. Dieter Pfortner zur Eröffnung der Vollversammlung am Montag. In einem Positionspapier zur Energiepolitik fordert er den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bis mindestens zum Ende der Energiekrise und damit über den April 2023 hinaus. Dazu plädiert er erneut für die Nutzung deutscher Erdgasvorkommen. Heißt: Grünes Licht für Fracking.

Pfortner: „Die Wirtschaft ist gespannt auf die konkrete Ausgestaltung der Strom- und Gaspreisbremse sowie für die sogenannte Abschöpfung von Zufallsgewinnen am Strommarkt.”
Seit Wochen hatte sich die IHK für beide Bremsen eingesetzt. „Momentan führen wir darüber hinaus intensive Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium, um über Härtefallregelungen weitere Abhilfen zu schaffen. Uns sind dabei vor allem die Einbeziehung weiterer Energieträger – neben Gas und Strom – sowie Probleme bei der Wahl des Corona-Jahres 2021 als Referenzjahr für die Gas- und Strompreisbremsen wichtig,“ so Pfortner weiter.

Die Preisbremsen greifen nun bereits im Januar 2023, wenn auch teilweise mit einer nachträglichen Abrechnung im März. Damit schließt sich die mögliche Förderlücke Anfang des Jahres. Das ist besonders wichtig für die Existenzsicherung von Kleinunternehmern und mittelständischen Unternehmen.

Christoph Neuberg, Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz, begrüßt ausdrücklich die angekündigten Entlastungsmaßnahmen:
„Wir sind mit den Plänen einverstanden. Natürlich mussten Abstriche gemacht werden. Aber es hätte auch viel schlimmer kommen können. Der nun vorliegende Gesetzentwurf ist nicht zuletzt auch auf eine gut koordinierte, erfolgreiche Einflussnahme der IHKs zurückzuführen. Wir hoffen sehr, dass die Preisbremsen unseren Unternehmen trotz schwieriger Gesamtlage Planbarkeit und Wirtschaftlichkeit sichern.“

Andere Kritikpunkte der Kammern bleiben allerdings nach wie vor ungeklärt. Das Referenzjahr 2021 zur Bestimmung des Verbrauchskontingentes für Gas und Strom passt für viele Unternehmen nicht. Da es in dieser Zeit coronabedingt zu deutlichen Einschränkungen kam, ist der herangezogene Energieverbrauch oftmals nicht repräsentativ. Das Verbrauchskontingent für die Preisbremse fällt also zu niedrig aus. Auch die Frage nach Förderungen für andere Energieträger als Gas und Strom, die ebenfalls enorme Preisanstiege zu verzeichnen haben, bleibt unbeantwortet. Hier muss nun zeitnah durch entsprechende Härtefallregelungen Abhilfe geschaffen werden.


Obwohl sich die aktuelle Situation besser als vor ein paar Monaten darstelle, bleibe für die Wirtschaft langfristig offen: Wie sichern wir über 2023/24 hinaus eine bezahlbare Energieversorgung für den deutschen Standort?

Um diese Frage zu beantworten, hat die Vollversammlung ein gemeinsam durch Ehren- und Hauptamt erarbeitetes Positionspapier „Energiepolitik“ der IHK Chemnitz beschlossen. Damit wird die IHK Chemnitz ermächtigt, die energiepolitischen Interessen der regionalen Wirtschaft gegenüber Politik und Öffentlichkeit im Rahmen der verabschiedeten Forderungen zu vertreten.

Die Forderungen lauten:

  1. Voraussetzung für Wirtschaftswachstum bilden: Zuversicht wecken, Unsicherheiten schnell beenden

Bei allen zu ergreifenden Maßnahmen muss berücksichtigt werden, dass Wirtschaft nur mit nachvollziehbaren und planbaren Rahmenbedingungen funktioniert. Dazu gehören u.a. schnellere Antworten auf die Kostenexplosionen, d.h. eine Beschleunigung der Beschlussfassungsprozesse, bessere und klarere Kommunikation und ein parteiübergreifendes Vorgehen der Regierung: Erst das Land, dann die Partei muss in der aktuellen Krise mehr denn je gelten.

  1. Energieerzeugung ausweiten – „ALL IN“

Es ist dringend notwendig alle verfügbaren Erzeugungsanlagen umgehend in den Markt zu bringen. Ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ist mindestens bis zum Ende der Energiekrise und damit über den April 2023 zu gewährleisten. Die Wiederinbetriebnahme grundlastfähiger Kohlekraftwerke sowie der Ausbau von Erneuerbaren Energien müssen beschleunigt werden. Die vorhandenen deutschen Erdgasvorkommen müssen so schnell wie möglich genutzt werden.

  1. Energiepreisdeckel schnell und unbürokratisch umsetzen

Bis zum Inkrafttreten der Gas- und Strompreisbremse benötigen alle gewerblichen Verbraucher schnell und unbürokratisch Liquidität. Darüber hinaus müssen Härtefallregelungen für existenzbedrohte Unternehmen schnell greifen. Neben der Ausblendung der Preissteigerungen anderer Energieträger wie Heizöl, Pellets, Kohle oder Flüssiggas besteht ein Kernproblem in der Festlegung des Verbrauchskontingentes. Der Referenzzeitraum bezieht sich auf eine Phase, in der die Tätigkeit von Unternehmen durch Corona bedingte Einschränkungen reduziert waren. Das abgeleitete Kontingent wird demzufolge für zahlreiche gewerbliche und industrielle Verbraucher zu niedrig ausfallen. Da eine Berücksichtigung dieser Probleme im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr möglich sein wird, müssen hier die von Bund und Ländern angekündigten Härtefallmaßnahmen ansetzen.

  1. Zusätzliche Belastungen bei Steuern und Abgaben reduzieren

Im internationalen Vergleich ist die Abgabenlast auf Energie in Deutschland sehr hoch. Um die Kostenbelastung der Wirtschaft zu reduzieren, muss eine Absenkung der Steuern für Energie, z. B. der Stromsteuer und der Energiesteuer für Gas und Heizöl, auf das europäische Mindestmaß erfolgen. Zudem ist die CO2-Bepreisung auf fossile Energie bis zum Ende der Energiekrise auszusetzen. Das gilt auch für die geplante Besteuerung von Kohle und Abfall. Zudem sollte der nationale Emissionshandel (BEHG) so schnell wie möglich durch ein europäisches System ersetzt werden, um Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt und zusätzliche Bürokratie für die Umsetzung eines deutschen Sonderweges zu vermeiden.

  1. Versorgung für alle Unternehmen sicherstellen

Um Unternehmensschließungen wegen fehlender Energielieferverträgen zu verhindern, muss die Bundesregierung umgehend das Recht auf Ersatzversorgung auf alle Spannungsebenen und Druckstufen der Netze ausweiten. Hierbei ist eine dauerhafte Lösung im Einklang mit den Versorgern notwendig.
Bei unabwendbaren Lieferstopps für Gas oder Strom und daraus resultierenden Produktionseinstellungen drohen zudem Schadensersatzforderungen von Endkunden. Für die betroffenen Unternehmen müssen Regelungen zum Umgang mit dieser Problematik getroffen und Rechtssicherheit hergestellt werden.