Start Erzgebirge Im letzten Laden geht das Licht aus
Artikel von: Andre Kaiser
09.03.2016

Im letzten Laden geht das Licht aus

Heidrun Sachße schließt am 31. Mai ihr Lauterbacher Lebensmittelgeschäft. Auch Unternehmer Roland Schönherr bedauert dies sehr. Foto: Jana Kretzschmann

Lauterbach. „Wie immer, Heidrun“, sagt die 80jährige Frau S. und reicht den mit Leergut gefüllten Perlonbeutel der Inhaberin des Lauterbacher Lebensmittelgeschäftes, Heidrun Sachße über den Ladentisch. Diese nimmt ihn entgegen, packt wieder zwei Flaschen Wasser und zwei Limonaden, ein Brot und zwei Brötchen hinein und gibt ihn zurück. “Ne Schachtel Zigaretten und ein Stück Kuchen, gleich auf die Hand, ich muss weiter”, so ein Handwerker, welcher die Mittagspause nutzt, um sich etwas Nervennahrung im Konsum an der Kreuzung, wie das Geschäft im Volksmund gern genannt wird, zu holen. “Hast du noch Briefmarken? Ich will nicht erst nach Marienberg fahren” oder aber auch “Kann ich bei dir eine Geldüberweisung loswerden und gleich Bares abheben” – die Liste der Dienstleistungen könnte noch weitergeführt werden, denn in Heidrun Sachßes Geschäft gibt es ein breitgefächertes Angebot, angefangen von Lebensmitteln, Frischwurst und frisches Fleisch, Obst und Gemüse, Backwaren, Tiefkühlkost, Molkereiprodukte, Tiernahrung, Haushaltchemie, eine große Auswahl an Getränken, Geschenkartikel, Batterien, Blumen – einfach alles, was im Haushalt benötigt wird. Darüber hinaus fungierte die Inhaberin als Sparkassenagentur, City-Post, nahm Päckchen entgegen, war Anlaufstelle für Schuhreparaturen, Reinigung und mehr.

Das alles wird am 1. Juni der Vergangenheit angehören, denn Heidrun Sachße schließt.

“Ich finde das sehr, sehr schade und bedauere es sehr. Gerade die Älteren im Ort waren sehr darauf angewiesen, um sich weitestgehend selbst versorgen zu können. Nicht immer sind Kinder und Enkel verfügbar, die diesbezüglich eingreifen können”, so Roland Schönherr, Unternehmer aus Lauterbach. “Bei vielen älteren Menschen galt dieser Laden auch als kleiner Treffpunkt. Man sah sich wieder, wechselte einige Worte, kam mal raus – das alles wird bald nicht mehr sein”, ergänzte Ehefrau Karin.
Doch warum schließt das Geschäft eigentlich?

wochenendspiegel.de sprach dazu mit der Inhaberin. Sie sagte: “Ich bin jetzt 63 und stehe seit nunmehr 43 Jahren hinter dem Ladentisch, anfangs ein Jahr als Verkäuferin, danach als Verkaufsstellenleiterin und Verkäuferin. Kein Wochenende in all den Jahren. Samstags bis in den späten Vormittag hinein geöffnet, danach Büroarbeit, die oftmals auch den halben Sonntag mit beansprucht hat. Ich bin meinen Kunden sehr dankbar, die mich durch die Jahre begleitet haben und ich kann ehrlichen Herzens behaupten, dass ich diesen Job und den Kundenkontakt geliebt und alles mit Herzblut gemacht habe. Doch nun habe ich mich entschieden und freue mich auf mehr Zeit für Dinge, die bisher zu kurz gekommen sind”.

Heidrun Sachßes Geschäft mit einer Fläche von 95 Quadratmetern befindet sich zentral im Ortskern von Lauterbach und wurde 2004 umfassend umgebaut. Parkplätze stehen direkt davor zur Verfügung.
Einen Nachfolger gibt es bisher nicht. “Wenn ich am 31. Mai hier abschließe, geschieht das schon mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Lachend, weil ich dann so viele Sachen in Angriff nehmen kann, die mir bisher nicht möglich waren und weinend, weil es mir für meine Kunden und das Dorf leid tut”, so Frau Sachße weiter. Außer einer kleinen Bäckereifiliale, die zeitweise geöffnet hat, ist Lauterbach dann ohne jegliche Einkaufsmöglichkeit.

Und mal ganz unter uns: Heidrun Sachße wäre glücklich, würden sich noch Interessenten finden, um eine Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs im Marienberger Ortsteil Lauterbach weiterhin zu gewährleisten oder wenigstens ihre gepflegte Ladeneinrichtung in guten Händen zu wissen.

Autorin: Jana Kretzschmann