Start Erzgebirge Interview mit FCE-Präsident Helge Leonhardt
Artikel von: Sven Günther
27.07.2017

Interview mit FCE-Präsident Helge Leonhardt

FCE-Präsident Helge Leonhardt. Foto: Birgit Hiemer

FCE-Präsident Helge Leonhardt im Interview

Seit knapp drei Jahren steht Helge Leonhardt an der Spitze des Kumpelvereins mit aktuell über 6.900 Fans, seit Gründung des FC Erzgebirge 1991 und zusammen mit seinem Zwillingsbruder Uwe übernimmt er in vorderster Front Führungsverantwortung. Vor Beginn der neuen Saison sprach Olaf Seifert mit dem 58-jährigen Präsidenten.

Die drei Aufstiege der Veilchen seit 2003 gelten als die „Wunder von Aue”. Der Klassenerhalt letzten Mai ist noch eins?
Unbedingt, denn wer hat im Februar, März schon noch dran geglaubt?

Sie schon, oder?
Ich habe den Glauben nie verloren. Es ging dann in Bielefeld mit dem Unentschieden los, danach der wichtige Sieg gegen Karlsruhe und nach dem fantastischen Sieg bei Union Berlin am 5. April war ich sicher, dass wir die Liga halten können und werden, was dann auch gelang.
Lassen Sie mich kurz die letzte Saison noch mal im Zeitraffer beschreiben, weil wir daraus Selbstvertrauen schöpfen. Gestartet waren wir zuversichtlich, im Kern mit dem Drittligateam, das 2016 sensationell aufgestiegen war und das wir im Rahmen unserer Möglichkeiten verstärkt hatten. Der sportliche Verlauf der Hinrunde mit Höhen und Tiefen ist bekannt, ganz hart getroffen hat uns die Verletzung unseres Kapitäns Martin Männel. Die Mannschaft bekam einen Knacks, die Ergebnisse in dieser Phase drücken das aus. Nach der Winterpause ging es nach dem guten Trainingslager in Spanien mit hoher Mentalität weiter. Nach dem Auftaktsieg gegen Heidenheim, den Unentschieden in Braunschweig und gegen Fürth waren alle optimistisch. Knackpunkt war dann die Heimpleite am 26.2. gegen Dynamo Dresden.

Worauf die Trennung von Aufstiegstrainer Dotchev folgte.
Ich hatte ein längeres, sehr persönliches Gespräch mit Pavel, wo wir beide uns fragten, was in der Lage das Beste für den Verein ist. Pavel Dotchev ist absolut ehrenhaft und der Verein hat ihm viel zu verdanken. Er ist nach unserem gemeinsamen Gespräch im Konsens vom Posten des Cheftrainers zurückgetreten. Hieß für mich und den Vorstand, schnell einen neuen Mann zu finden, mit dem in extrem kurzer Zeit die Wende gelingt. Co-Trainer Robin Lenk übernahm in jener Phase Verantwortung, mit großer Moral konnte das Team nach Rückstand noch ein 2:2 in Bielefeld erkämpfen.

Dann kommt Tedesco…
… und mit ihm wird eine einzigartige Aufholjagd gestartet, am Ende das kaum für möglich gehaltene Ziel doch noch geschafft. Wir gewinnen alle Spiele gegen die unmittelbare Konkurrenz, der Zusammenhalt wächst von Woche zu Woche, mit der Sicherheit kehrt der Erfolg zurück. Vor allem der Qualitätssprung im technisch-taktischen Bereich ist augenfällig. Domenico ist ein Schlüssel des Erfolgs, er verpasste der Truppe eine taktische Variabilität per Crashkurs. Hat nicht nur einen Plan A, sondern auch einen Plan B und einen Plan C… Er gestaltet den Matchplan, nach dem die Mannschaft während des Spiels, je nach Gegner, munter zwischen 3-4-3, 3-4-1-2 und 5-4-1-System switcht. Mit dem Crashkurs hat der Trainer seinen Männern die notwendige Variabilität anerzogen. Ergebnis: die Siege zum Klassenerhalt! Davon schwärm’ ich jetzt noch.

Wie hat sich der Verein insgesamt in der vergangenen Saison entwickelt?
In positiver Richtung. Das sieht jeder sofort, der ein paar Tage nicht auf der Stadionbaustelle stand. Was da wächst, beeindruckt nicht bloß uns Verantwortliche, Fans und Sponsoren, auch die Mannschaft pusht es, wenn in Aue so was Großes entsteht. Wirtschaftlich steht der Verein auf soliden, sehr gesunden Beinen zur Bewältigung der gewaltigen Aufgaben in der 2. Bundesliga. Der FC Erzgebirge hat ohne Auflagen, von strukturellen Maßnahmen wegen des Baugeschehens abgesehen, die Lizenz erhalten. Mir hat imponiert, wie sich in der heißen Phase des Kampfs um den Klassenerhalt der ganze Verein mit positiver Energie aufgeladen hat. Und das Feuer brennt weiter, nicht nur in der Lizenzmannschaft, sondern bei allen Mitarbeitern der Geschäftsstelle, den Sponsoren, bei den Ringern und in den anderen Abteilungen. Im Nachwuchsleistungszentrum, wo die A Jugend aufgestiegen ist, vor allem aber auf den Rängen. Diese positive Energie in die neue Saison zu leiten, ist entscheidend, um in der Liga sofort gut aus den Startlöchern zu kommen.

Die Veilchen sind gerüstet?
Davon bin ich überzeugt. Die Bedingungen für die Vorbereitung, speziell im Trainingslager in Österreich, waren super. Mit Thomas Letsch wurde ein sehr kompetenter, sachlicher, erfahrener, teamfähiger Fußballlehrer gewonnen, der mit seinem Trainerteam alles tut, eine leistungsstarke Mannschaft zu formen. Sie muss auf den Punkt fit sein und ich denke, sie wird es sein – am Sonntag in Heidenheim und dann zur Heimpremiere gegen Düsseldorf. An der Stelle auch nochmals Dank dem Trainerteam, das dem FCE treu geblieben ist.

Welches Ziel setzt der Präsident?
Weiter erfolgreich in der 2. Bundesliga spielen. Über Tabellenplätze und -punkte rede ich nicht, jeder weiß, wie hart diese 2. Liga ist. Aue zeichnete sich immer durch Charakter und hohe Mentalität aus; die müssen von Anfang an da sein, denn das ist die Grundlage zur Erlangung von kollektiver Qualität. Aber es wird auch Glück brauchen, wenig Verletzungspech und Zeit, um die acht Neuen zu integrieren, die Ideen des Cheftrainers vollends zu verinnerlichen. Und bitte nie vergessen, mit welchen wirtschaftlichen Möglichkeiten unser Aue in diesen Kampf zieht!

Der Stadionbau liegt im Plan?
Ja, allerdings bitte ich um Verständnis, dass bis Jahresende auch Einschränkungen für die Zuschauer weiter unvermeidlich bleiben. Wir sind quasi auf einer Baustelle aufgestiegen und haben auf einer Baustelle die Klasse gehalten und werden das so wieder in Angriff nehmen. Ist alles fertig, wird sich die Attraktivität nicht nur für die Zuschauer erhöhen, auch unsere Wirtschaftskraft erhöht sich enorm. Das ist ein Geben und Nehmen. Mit dem neuen Stadion und der medialen europaweiten Präsenz bieten wir unseren Sponsoren beziehungsweise Werbepartnern eine echte Gegenleistung. Über die Marke FC Erzgebirge können Unternehmer ihre Marketingziele optimal verwirklichen, da wir bundes- und europaweit ausgestrahlt werden und damit auch eine Darstellung der Werbepartner gewährleistet wird. Ein idealer Baukasten für die Unternehmen.
An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an alle, die loyal und partnerschaftlich zum Verein standen und ihn je nach ihren Möglichkeiten unterstützten.

Wer erhält künftig die Namensrechte am Stadion?
Wir arbeiten daran, wollen bis Jahresende ein Ergebnis. Aber auch hier geht Sorgfalt vor Eile.

Ihr Tipp fürs Spiel in Heidenheim? Wer sind die Favoriten der Liga?
Der Präsident tippt nicht, er weiß nur, dass wir am Sonntag und in den folgenden Spielen unbedingt erfolgreich starten sollten, um in dieser sehr ausgeglichenen 2. Bundesliga nicht früh in schwere See zu kommen. Ausgeglichen ist freilich relativ, wenn ich an die Etats von Ingolstadt, Darmstadt, Braunschweig oder Union Berlin denke. Das sind denn auch zwangsläufig Favoriten, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Dominanz und der Höhe ihrer TV-Gelder. Andererseits haben gerade wir Auer immer wieder bewiesen, wie man mit vergleichsweise Wenigem Großes schafft.