Start Erzgebirge Katzendreck-Gestank: Total vermessen!
Artikel von: Sven Günther
29.04.2016

Katzendreck-Gestank: Total vermessen!

TCH, Litvinov, Foto vom 03.11.15: Schon auf der Fahrt ins Böhmische Becken hinein macht sich der Gestank bemerkbar. Von den Hängen aus ins Becken blicken kann man nicht. Der Dunst hängt wie eine Glocke darüber. Im Industriekomplex angekommen ist der stinkende Chemiecocktail unerträglich. Flammen lodern aus einer der Essen. Trotz des blauen Himmels, ist die Luft dunstig, schon fast nebelig. Die Sichtweite ist enorm eingeschränkt. Foto: Jan Görner
Schon auf der Fahrt ins Böhmische Becken hinein macht sich der Gestank bemerkbar. Von den Hängen aus ins Becken blicken kann man nicht. Der Dunst hängt wie eine Glocke darüber. Im Industriekomplex angekommen ist der stinkende Chemiecocktail unerträglich. Flammen lodern aus einer der Essen. Trotz des blauen Himmels, ist die Luft dunstig, schon fast nebelig. Die Sichtweite ist enorm eingeschränkt. Foto: Jan Görner

Diagnose: Katzendreck-Gestank! Therapie: Messungen!

Von Sven Günther
Erzgebirge. Alle haben sie davon gehört, einige das Elend sogar gerochen, gesehen, gespürt. Immer wieder reisten Umweltminster an den Erzgebirgskamm, rümpften die Nasen – dieser elende Katzendreckgestank. Angela Merkel (CDU) war da, Jürgen Trittin (GRÜNE), Sigmar Gabriel (SPD), zuletzt Barbara Hendricks (SPD). Dazu eine Reihe von sächsischen Umweltministern und andere Politiker, die sich die Sorgen und Ängste der Menschen anhörten, anhören und wohl auch weiter anhören werden.
Sorgen und Ängste, die Hartmut Tanneberger (Bürgerinitiative „Für saubere Luft im Erzgebirge“) auf den Punkt bringt: „Wenn der Wind aus Richtung Böhmen kommt, werden die Menschen krank. Herz- und Kreislaufbeschwerden, Magen/Darmverstimmungen, Übelkeit, Husten. Kinder können nicht in die Kita, nicht in die Schule. Das sind Fakten, die man nicht wegdiskutieren kann.“
Die Antwort der Politiker: Kopfnicken. Das Handeln der Politiker: Sie lassen messen – seit über 25 Jahren. Jetzt kommt eine neue Untersuchung. Kosten 1,6 Millionen Euro…

Vor einigen Tagen flatterten Bürgermeistern der Region wieder Briefe von Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ins Haus. Inhalt: Wir bitten um Geduld! Das Problem liegt uns am Herzen! Ja, wir werden uns des Problems annehmen! Wir lassen messen!
„OdCom“ heißt das neue Zauberwort aus dem Programm SN-CZ, bei dem u.a. die technische Universität Dresden, das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, das Leibnitz-Institut für Troposphärenforschung zusammen mit tschechischen Partnern 1,64 Millionen (exakt 1.645.286,95) Euro bekommen. Das festgeschriebene Ziel: „Objektivierung der Geruchsbeschwerden im Erzgebirgskreis und Bezirk Usti – Ein Beitrag zur Ursachenanalyse und Untersuchung der gesundheitlichen Folgen.“

TU Dresden? Landesamt für Umwelt? Leibnitz-Institut? Tschechische Partner?….???? Da war doch was? Genau diese Institutionen nahmen schon ab 2011 Maß, untersuchten „Ultrafeinstaub und Gesundheit im Erzgebirgskreis und Region Usti“. Kosten aus dem damaligen Programm „Ziel 3“: 1.145.656,73 Euro. Eines der Ergebnisse: „Ein Anstieg der Konzentration von ultrafeinen Partikeln führte in Annaberg-Buchholz zu einer Zunahme an kardiovaskulären Todesfällen. Ultrafeine Partikel sind in Ústí nad Labem mit einer Zunahme an Krankenhauseinweisungen aufgrund einer Atemwegserkrankung assoziiert.“

Experten protestieren, führen an, dass in der einen Studie ultrafeine Partikel und Ruß, in der anderen Geruchsstoffe, sogannte Mercaptane untersucht werden. Man könne Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Tanneberger nickt: „Das stimmt. Wir hoffen aber auf die neue Studie. Wenn nachgewiesen wird, dass die Mercaptane, die sich mit anderen Stoffen neue Verbindungen eingehen, krank machen, kann man vielleicht gegen die Verursacher vorgehen. Die Studie zu Ruß und Feinstaub betrifft mehr den Autoverkehr, hat mit unserem Problem im Erzgebirge wenig zu tun. Die Feinstaubbelastung ist in Großstädten meist höher. Aber wir haben dieses Studie ja auch nicht in Auftrag gegen.“
Heinz-Peter Haustein, Bürgermeister von Olbernhau, Ex-Bundestags-Abgeordneter (FDP) und Bernsteinzimmersucher schüttelt den Kopf, spricht an, was viele Menschen denken: „Allen, wirklich allen ist klar, wer die Verursacher sind. Es sind die Firmen am Fuß des Erzgebirges auf tschechischer Seite. Jahrelang habe ich die Merkel, Gabriel & Co. in Berlin immer und immer wieder aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen. Sie sind deshalb fast ausgerissen vor mir. Fakt ist: Ändern können sie auch nichts. Tschechien ist ein souveräner Staat, da kann die EU nichts machen. Dazu kommt, dass es in dem Gebiet eine große Zahl von Firmen gibt. Ausgeschlossen, davon eine konkret als Verursacher zu ermitteln und zur Verantwortung zu ziehen.“
Übrigens: Beim Thema Messungen will das Sächsische Sozialministerium nicht zu kurz kommen. Gemeinsam mit der TU Dresden führt es bis Ende 2016 eine Studie durch. Die Kosten liegen bei 100.000 Euro…