Start Vogtland Kein Zukunftszentrum in Plauen
Artikel von: Sebastian Höfer
15.02.2023

Kein Zukunftszentrum in Plauen

“Ein neuer Anfang, wo alles anfing”, wirbt die Stadt Plauen mit einer großen Werbetafel am Neustadtplatz. Im Hintergrund das großflächige Areal, wo das Zentrum für Transformation entstehen sollte. Foto: Presseagentur Höfer

Halle/Saale bekommt den Zuschlag – Plauener enttäuscht – Vogtländische Vizepräsidentin des Bundestages äußert Unmut

Plauen. Ausgeträumt – ist der Traum vom gemeinsamen Zukunftszentrum in Plauen und Leipzig. Das zukünftige Zentrum soll ein Ort der praxisorientierten Auseinandersetzung mit allen Dimensionen gesellschaftlicher Transformation werden. Insgesamt hatten sich sieben Orte in Ostdeutschland als Standort für das geplante Zukunftszentrum beworben. Neben Leipzig und Plauen waren Frankfurt/Oder, Halle sowie Eisenach, Jena, Mühlhausen und Sonneberg in der Auswahl. Nach Sichtung der eingereichten Unterlagen hatte die 15-köpfige Jury fünf Bewerberstädte besucht – die Spitzenstadt war nicht darunter. 

Nach der Empfehlung der Jury, das „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ in Halle anzusiedeln, ist die Enttäuschung in Leipzig und Plauen groß. Beide Städte hatten sich gemeinsam beworben, um die Bundeseinrichtung nach Sachsen zu holen. Die Stadt Halle erhält vom Bund eine einmalige Grundinvestition von 200 Millionen Euro sowie jährlich 40 Millionen Euro für die Betreibung des Zukunftszentrums. Rund 200 Arbeitsplätze werden damit geschaffen.

Das Zukunftszentrum soll den Diskurs über gesellschaftliche Transformation mit ihren weitreichenden Folgen intensivieren. Das Wissen um Transformation sichtbar und erlebbar machen. Weiter soll das Zentrum einen Beitrag zur Stärkung der repräsentativen Demokratie und des Zusammenhalts in Europa leisten. Die Einrichtung soll als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Kultur und den Bürgern verschränkt und vernetzt agiert und unter einem Dach ein Institut – für einen wissenschaftlichen Bereich, eine Galerie – für den kulturellen Bereich sowie einen Dialog- und Begegnungsbereich vereinen.

Leipzig und Plauen profitieren voneinander

„Die Jury hat ihre Entscheidung getroffen und wir gratulieren dem Sieger, Halle. Auch wenn wir uns letztlich nicht durchsetzen konnten, ist für uns die gemeinsame Bewerbung trotzdem ein großer Erfolg. Der enge und intensive Austausch der letzten Monate hat gezeigt, wie sehr beide Städte voneinander profitieren und lernen können und wie wichtig der Brückenschlag zwischen Großstadt, Oberzentren und ländlichem Raum für die Zukunft unseres Landes ist. Wir haben durch die Bewerbung viele Ideen für eine engere Zusammenarbeit von Leipzig und Plauen in Wissenschaft und Kultur entwickelt, die wir auch weiter verfolgen wollen und werden“, betont Plauens Oberbürgermeister Steffen Zenner.

Yvonne Magwas erhebt Vorwürfe: Respektloses Verhalten der Bundesregierung und Jury

Yvonne Magwas, die Vizepräsidentin des Bundestages und direktgewählte CDU-Wahlkreisabgeordnete des Vogtlandkreises erhebt Vorwürfe: „Ich bedauere sehr, dass sich die von der Bundesregierung eingesetzte Jury nicht für die gemeinsame Bewerbung von Plauen und Leipzig entschieden hat. Die beiden sächsischen Städte legten ein sehr überzeugendes Konzept vor. Sie punkten u.a. mit ihrer historischen Authentizität und umfangreichen Transformations-Erfahrungen. Mit dem Zukunftszug entwickelten sie ein Element, welches das Zukunftszentrum ortsunabhängig und niederschwellig mit den Menschen via Schiene verbunden hätte. Gemeinsam hätten sie eine Brücke zwischen Metropole und ländlichem Raum erbaut. Eine große Chance für unsere Region geht damit leider verloren. Dennoch war die Bewerbung für Plauen und das Vogtland wichtig. Die Rolle der Spitzenstadt und der Region als Wiege der Friedlichen Revolution erlangte im Zuge der Ausschreibung mehr Aufmerksamkeit, die mutigen Menschen, die 1989 für Freiheit und Demokratie auf die Straße gingen und die Einheit folgend in der Transformation gestalteten, mehr Würdigung. Das ist für mich ein mittelgroßes Trostpflaster. Der Zukunftszug ist zudem übernahmefähig. Ein großer Dank gilt allen Vogtländerinnen und Vogtländern, darunter vielen jungen Menschen, die sich in der Bewerbungsphase, bei Workshops intensiv eingebracht haben. Sehr gute, inspirierende Ideen zum Thema Transformationsprozesse sind entstanden. Es wäre wichtig, einen Weg zu finden, diese nutzbar zu machen für die Region. 


Respektlos war, dass die Jury Plauen als einzige der Bewerberstädte nicht besuchte. Als das offenbar war, hatte ich dies gegenüber der Jury-Vorsitzenden, der sachsen-anhaltischen SPD-Bundestagsabgeordneten Budde, und Staatsminister Carsten Schneider MdB nochmals eingefordert, was leider zurückgewiesen wurde. Die Jury und die Bundesregierung als deren Auftraggeber müssen sich das vorwerfen lassen. So geht man mit engagierten Bürgern nicht um, das ist respektlos. Die drei SPD-regierten Ostländer Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hatten früh zusammengelegt mit der Bewerbung von Frankfurt (Oder). Namentlich hatte der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Platzeck die Bewerbung von Anfang an parteipolitisch betrieben und gepusht. Nun hat am Ende eine Jury-Vorsitzende aus Sachsen-Anhalt mit SPD-Parteibuch ersatzweise ihr Heimatbundeslandsprojekt erreicht. Die Entscheidung besitzt nach alledem einen schalen Beigeschmack. 


Das Zukunftszentrum an sich ist ein wegweisendes Projekt, erarbeitet von der seinerzeitigen Regierungs-Kommission ’30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit’, der bspw. auch der Präsident der IHK Chemnitz Dieter Pfortner angehörte, in der vergangenen Wahlperiode des Bundestages. Neben dem Zentrum gibt es viele weitere gute Vorschläge der Kommission, bspw. den eines ostdeutschen Begabtenförderungswerkes. Die Bundesregierung ist gefragt, diese nun endlich zügig umzusetzen. Das Zentrum wird ein Fundament-Baustein für eine weiter gelingende Transformation in unserem Land sein. Angesichts der großen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung und auch ob der eingesetzten Haushaltsmittel ist es mehr als bedauerlich, dass nicht der Deutsche Bundestag, unser vom Volk gewähltes Parlament, die Standortentscheidung getroffen hat. Auch das hatte ich im Verfahren angemahnt. Die Ampel-Regierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen haben mit ihrer Mehrheit anders bestimmt.“